Herausgeber: Kafka-Briefe stellen keinen Sensationsfund dar

20.07.2010
Ist der Kafka-Nachlass, der in vier Schließfächern in Zürich aufbewahrt wird, nationales Kulturerbe Israels oder Privatbesitz? Der Herausgeber der kritischen Ausgabe der Kafka-Briefe, Hans-Gerd Koch, räumt der israelischen Nationalbibliothek keine Chancen im Erbschaftsstreit ein. Zugleich kritisiert er die falsche Berichterstattung der israelischen Zeitung "Ha'aretz", die von bisher unzugänglichen Schriften geschrieben hatte.
"Ha'aretz" hatte von bisher unzugänglichen Schriften Kafkas in dem Nachlass berichtet. Alle Werke Kafkas in den Schließfächern seien bereits zuvor zugänglich gewesen und in der kritischen Kafka-Ausgabe veröffentlicht, sagte der ehemalige Leiter der Kafka-Forschungsstelle an der Bergischen Universität/Gesamthochschule Wuppertal. Es stimme nicht, dass nie Zugang zu den Schließfächern gewährt worden sei. Dies müsse auch der Zeitung "Ha'aretz" bekannt sein, betonte Koch. So räumt Koch der israelischen Nationalbibliothek, die den Nachlass beansprucht, auch keine Chancen ein, den Erbschaftsstreit um die Kafka-Handschriften zu gewinnen.

Die Nationalbibliothek liegt seit mehreren Jahren im Zwist mit Eva und Ruth Hoffe, den Töchtern von Hermann Brods Sekretärin und Lebensgefährtin Esther Hoffe. Laut Gerichtsbeschluss von 1952 gehört ihnen der Nachlass. Die Beiden wollen ihn nun an das Deutsche Literaturarchiv Marbach verkaufen. Hingegen möchte die israelische Nationalbibliothek die Schriften in Israel der Öffentlichkeit zugänglich machen. Sie argumentiert, dass es sich bei den Schriften um nationales Kulturerbe handle.

Auf Anordnung eines Gerichts in Tel Aviv wurden am Montag die vier Schließfächer in Zürich mit den Schriften von Kafka geöffnet und eine Inventarliste erstellt. Mit ihrer Hilfe will das israelische Gericht über den Verbleib des Nachlasses entscheiden.
Sie können das vollständige Gespräch mindestens bis zum 21.12.2010 als MP3-Audio in unserem Audio-on-Demand-Player nachhören.
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