Herausforderung Alzheimer

Wie ist ein gutes Leben mit Demenz möglich?

65:51 Minuten
Illustration eines Kopfs im Profil, der langsam von Bauarbeitern abgetragen wird.
Was hilft, wenn es oben langsam weniger wird? © Imago/Ikon Images/Gary Waters
Moderation: Gisela Steinhauer · 04.09.2021
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Demenz – diese Diagnose betrifft jährlich rund 300.00 Menschen in Deutschland. 60 Prozent der 1,6 Millionen Betroffenen leiden an Alzheimer. Welche medizinischen Möglichkeiten gibt es? Wie können Patienten und ihre Familien weiter gut leben?
Demenz – bei dieser Diagnose bricht für viele Betroffene und ihre Familien eine Welt zusammen. Viele denken gleich an Alzheimer. Doch die Alzheimer-Demenz ist nur eine von vielen unterschiedlichen Formen der Erkrankung. Ein Teil der Demenzauslöser ist behandelbar, teilweise auch heilbar. Umso wichtiger sind eine möglichst frühe Diagnose und eine zielgerichtete Behandlung.
Doch zu viele Betroffene zögern diesen Schritt hinaus, aus Angst vor der Diagnose und ihren Folgen, auch aus Scham. Dabei ist Demenz längst kein individuelles Problem mehr, sondern eine gesellschaftliche Herausforderung.
Denn mit einer immer älter werdenden Bevölkerung steigt auch das Risiko, daran zu erkranken. Jeder vierte über 85 ist betroffen. Mehr als 25.000 Demenzerkrankte hierzulande sind jünger als 65 Jahre.

Wann ist Vergesslichkeit eine Demenz?

"Man muss klar sagen: Wir alle sind mal vergesslich, egal in welchem Alter", sagt Dr. Arnim Quante, Leiter der Gerontopsychiatrie und der Gedächtnissprechstunde an der Friedrich von Bodelschwingh-Klinik in Berlin.
Gleichwohl gebe es eindeutige Anzeichen für eine Demenz, zum Beispiel Gedächtnisstörungen: "Die Patienten fragen häufiger nach, obwohl man diese Antwort schon häufiger gegeben hat. Es werden Dinge verlegt, hinzukommt, dass auch Gegenstände falsch irgendwo hingelegt werden, Schmuck in den Kühlschrank, solche Dinge sind dann schon auffälliger, und die bedürfen dann einer spezifischen weiteren Diagnostik."
Dies könne der Beginn einer Alzheimer-Demenz sein.
"Wir gucken uns genau an, welche Domänen im Augenblick bei dem Patienten vornehmlich gestört sind: Ist es eher das Gedächtnis, ist es eher die Persönlichkeit, oder sind es gar Symptome wie Halluzinationen oder wahnhafte Symptome, die man auch bei einigen anderen Demenzformen häufiger als erstes feststellen kann?"
Zudem könnten neuropsychologische Tests und eine Untersuchung des Nervenwassers Klarheit verschaffen, um welche Form einer Demenz es sich handelt.

"Demenz geht alle an!"

"Es ist wahnsinnig wichtig, dass das Thema in der Familie offen gehandhabt wird", sagt Christina Kuhn, Geschäftsführerin des Demenz Support Stuttgart. Die gemeinnützige Einrichtung hat sich zum Ziel gesetzt, die Situation von Menschen mit Demenz zu verbessern.
"Jeder hat ein Bild von dem Anderen, besonders, wenn es das Eltern-Kind-Verhältnis ist. Da braucht es einfach Unterstützung, damit klarzukommen, dass die bisher selbständig agierende Mutter jetzt den Herd anlässt oder den Schlüssel vergisst, wenn sie die Wohnung verlässt. Plötzlich merkt man: Sie ist nicht mehr die kompetente Person wie früher."
Das Motto des Demenz Supports: "Demenz geht alle an!" Und so bieten Christina Kuhn und ihr Team Unterstützung für Selbsthilfegruppen. Es gibt ambulant betreute Demenz-WGs, Informationen für Pflegeinrichtungen oder auch Kommunen, die sich auf das Thema Demenz einstellen wollen.
Im Projekt "DeMigranz" geht es darum, auch Menschen mit Migrationsgeschichte für Demenz zu sensibilisieren.

Selbstbestimmungsrecht trotz Demenz

Im Mittelpunkt der Arbeit des Demenz Supports stehen das Selbstbestimmungsrecht und die weitere gesellschaftliche Teilhabe von Demenzpatientinnen- und Patienten. Die Diagnose Demenz löse oft eine fatale Assoziationskette aus, so Christina Kuhn: "Der oder die kann nichts mehr, versteht nichts mehr."
Das stimme so nicht. Sie wolle zeigen, "dass der Verlauf sehr unterschiedlich sein kann. Dass die Menschen in einem langen Zeitraum ein gutes Leben führen und für sich selber sprechen können."

Herausforderung Alzheimer – Wie ist ein gutes Leben mit Demenz möglich?
Darüber diskutiert Gisela Steinhauer heute von 9 Uhr 05 bis 11 Uhr mit Christina Kuhn vom Demenz Support Stuttgart und dem Mediziner Arnim Quante. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 0800 2254 2254 sowie per E-Mail unter gespraech@deutschlandfunkkultur.de.
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(sus)
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