Henri Pousseur über die Musik der Zukunft

Vielfalt im Nebeneinander

57:34 Minuten
Der Belgische Komponist 1999 beim Studiogespräch in Brüssel
Der belgische Komponist Henri Pousseur 1999 beim Studiogespräch in Brüssel. © Carolin Naujocks
Henri Pousseur im Gespräch mit Carolin Naujocks · 18.07.2019
Kompositionen, in denen Einflüsse aus verschiedenen kulturellen Sphären deutlich werden – das ist, was der Komponist Henri Pousseur unter dem Begriff "Multiculturalité“ versteht. Es meint zugleich eine bewusste Konzentration auf das unverwechselbar Individuelle.
Zur Jahrtausendwende hatten wir verschiedene Komponisten gebeten, eine Auswahl von Stücken zusammenzustellen und unter dem Stichwort "Musikalische Strategien für eine Musik des 21. Jahrhunderts" zu kommentieren.
Das Ziel war eine sehr persönliche Bestandsaufnahme, die den Stand der Reflexion des Komponierens in der Auseinandersetzung mit Gegenwart spiegelt.

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In dem Gespräch aus dem Jahr 1999 stellte Henri Pousseur den Begriff "Multiculturalité" in den Mittelpunkt. Dabei präsentiert er Kompositionen, in denen Einflüsse aus verschiedenen kulturellen Sphären (zum Beispiel der Rockmusik und der außereuropäischen Musik) deutlich werden.

Multikulturalität gegen Globalisierung

Für Pousseur war der multikulturelle Aspekt seiner Arbeit keineswegs ein Ergebnis der allgemeinen Globalisierung. Viel wichtiger war für ihn eine bewusste Konzentration auf das unverwechselbar Individuelle, auf die Vielfalt der nebeneinander existierenden Kulturen. "Ich glaube im Gegenteil", so Pousseur, "dass die Globalisierung, insofern sie eine Nivellierung enthält, natürlich etwas ist, wogegen man arbeiten muss".

Komponist und Musiktheoretiker

Der belgische Komponist Henri Pousseur (1929-2009) gehörte zu den wichtigsten Vertretern der Nachkriegsavantgarde.
In seinem Debüt bei den Donaueschinger Musiktagen 1955 wurde sein "Quintette à la mémoire d'Anton Webern" uraufgeführt - ein zentrales Stück nicht nur im Werkkatalog von Pousseur, weil es eine prinzipielle Erweiterung des strukturellen Rahmens serieller Kompositionen darstellte.
Im Zuge des emanzipatorischen Aufbruchs der Endsechziger schwebte Pousseur eine ästhetische Öffnung der Musik vor. Er baute partizipatorische Anteile in seine Stücke ein, um eine kritische Intervention zu ermöglichen. So konnte das Publikum beispielsweise bei seiner Oper "Votre Faust" (1969) über den Handlungsverlauf abstimmen.

(nau)

Kompositorische Strategien für eine Musik des 21. Jahrhunderts
Henry Pousser im Gespräch mit Carolin Naujocks

Produktion: DeutschlandRadio Berlin 1999

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