Hengameh Yaghoobifarah und das KaDeWe

Subversive Werbung für Luxus?

06:23 Minuten
Black Lives Matter Demonstration Berlin, 27.06.2020: Demonstranten mit Schild 'Stand with Hengameh' und Bild der Journalistin Hengameh Yaghoobifarah , umstritten durch ihre Kolumne in der Taz, auf der Kundgebung und Demonstration gegen Rassismus und Polizeigewalt unter dem Motto Black Lives Matter an der Siegessaeule in Berlin.
Umstrittene Kolumnistin, jetzt auch umstrittenes Testimonial für Luxus: Hengameh Yaghoobifarah. © imago images / Ipon / Stefan Boness
Mirko Derpmann im Gespräch mit Timo Grampes · 25.09.2020
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Mit ihrer "taz"-Kolumne über Polizisten auf dem Müll sorgte die Journalistin Hengameh Yaghoobifarah für Aufsehen. Nun wirbt sie für Luxusmode des KaDeWe. Wie passt das zum Image der linken Autorin?
"All cops are berufsunfähig", verkündete Hengameh Yaghoobifarah am 15. Juni in der "taz" und löste damit viel Unmut aus - von der Polizei bis hin zum Innenminister. Die Zeitung beantragte daraufhin Polizeischutz für ihre Kolumnistin. Ausgerechnet für eine Autorin, die gefordert hat, Polizisten auf den Müll zu verbannen, hieß es damals.
Nun erregt Yaghoobifarah wieder Aufmerksamkeit: als Model. Jedenfalls sieht man Fotos von ihr im Schaufenster und auf der Website des Berliner KaDeWe (Kaufhaus des Westens), wo sie Werbung für Luxusmode macht: ein Mantel für 3900 Euro, Stiefel für 459 Euro. Ausgerechnet von einer Kapitalismuskritikerin.

Aufmerksamkeit durch das Unerwartbare

So heißt es von der Gewerkschaft der Polizei (GdP): "Es ist schon verwunderlich, dass eine Dame, die sich den antikapitalistischen Kampf auf die Fahne geschrieben hat, für durchaus kostspielige Mode modelt", sagte Benjamin Jendro vom Landesverband Berlin dem Tagesspiegel.
Für den Werbefachmann Mirko Derpmann von der Agentur Scholz and Friends ist die Kampagne mit Yaghoobifarah nachvollziehbar: Sie erzeuge Aufmerksamkeit durch das Unerwartbare. "Luxus ist nicht nur teuer und rar, sondern immer etwas, das Signale sendet und Codes voraussetzt", so Derpmann. Hier sei eine Zielgruppe angesprochen, die Luxus als Persönlichkeit, Unangepasstheit, Individualismus sehe.
"Was ich so interessant finde: Dass das KaDeWe und der Luxus mit dem Kapitalismus gleichgesetzt werden, obwohl die meisten Dinge, die da verkauft werden, eher Manufakturwaren sind."
Für Yaghoobifarah ist die Werbung ein subversiver Akt. Auf Twitter verteidigt sie sich so: "more likely ist doch, dass ich linke propaganda im luxuskaufhaus bewerbe".
Derpmann wendet ein: "Allerdings muss man sagen: Wenn man versucht, innerhalb des Systems subversiv zu sein, ist immer die Frage: Wer nutzt hier eigentlich wen aus und wem nutzt es am Ende?" Mit der Werbung zeige Yaghoobifarah, dass sie eine vielschichtige Persönlichkeit sei. Allerdings ist für Derpmann klar: "Es nützt hier eher dem KaDeWe."
(leg)
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