Hemmungslos romantische Volksmusik aus Brasilien
Der Musikfilm "Zwei Söhne von Francisco" räumt auf intelligente Weise gleich mit einer ganzen Reihe von Brasilienklischees auf und zeigt unbekannte Seiten der brasilianischen Kultur und Mentalität. Er handelt von der hemmungslos romantischen Sertaneja-Musik, die vor allem im ländlichen Brasilien überaus populär ist. Der Film zur Musik ist gleichsam erfolgreich und soll als Oscar-Anwärter ins Rennen geschickt werden.
Ein Musikfilm aus Brasilien, der im Ausland ankommen soll und gar Oscar-Chancen hat, kann eigentlich nur von Samba, Bossa Nova, Karneval handeln. Also viel Rio de Janeiro, Zuckerhut und Traumstrände, heißblütige Tänzer und Trommler, viel nackte dunkle Haut, ein Blendfeuerwerk tropischer Exotik, vielleicht mit einer hübschen Liebesgeschichte verwoben.
Doch dieser neue Streifen namens "2 Filhos de Francisco" hat nichts davon und könnte manchen deutschen Kinobesucher regelrecht erschrecken. Das soll Brasilien sein? Statt feuriger mitreißender Rhythmen nur Klänge dieser Art:
Filmmusik von Zezè di Camargo e Luciano
Das ist ein typisches Falsett-Duo des brasilianischen Hinterlands, annähernd so groß wie Europa. Die beiden Brüder Zezè di Camargo und Luciano mit Sertaneja-Musik. Die reicht von der schlichten Gitarrenballade der Viehtreiber nachts am Feuer bis zum brasilianischen Country-Pop; unverkennbar der Einfluss des Bolero, des mexikanischen Mariachi.
Von den Gebrüdern Zezè di Camargo und Luciano handelt der ganze Film, von ihrer armseligen, bedrückenden Kindheit in einer Kleinbauernkate und später in einem Großstadtslum; von Vater Francisco, der es sich in den Kopf gesetzt hat, aus wenigstens zweien seiner sieben Kinder ordentliche Musiker zu machen, die auf Dorffesten, Jahrmärkten aufspielen könnten. Um damit die mehr als knappe Familienkasse etwas aufzubessern, und wer weiß, vielleicht sogar dem Elend zu entfliehen.
Der Film hat ein grandioses Happy-End, denn Zezè di Camargo und Luciano wurden mit ihrer sentimentalen Sertaneja-Musik die Megastars Brasiliens. Und mit diesem anrührenden, teils melodramatischen Film bekennt sich das Tropenland erstmals zu seiner romantischen, ja ultraromantischen Seele. Regisseur Breno Silveira:
"Man muss unser Hinterland und seine Kultur gegen alle Ressentiments vieler elitärer Städter endlich einmal zur Kenntnis nehmen und mit diesen ganzen Vorurteilen einer Kulturschickeria gegen die so gefühlvollen Menschen dort, gegen deren Sertaneja-Musik endlich einmal aufräumen. Die Leute des Interior sind authentisch wie ihre Klänge, die doch nur Betonköpfe kalt lassen."
Sertaneja-Klänge – vielleicht zu romantisch für coole Europäer, sagt in Sao Paulo der Musikexperte Biaggio Baccarin und trifft ins Schwarze. Denn auch in Deutschland wird Sertaneja so gut wie nie in den Radios gespielt, ist in der Weltmusikszene verpönt. Doch wider alle Klischees mögen die allermeisten Brasilianer, selbst die jungen, sentimentale Balladen weit mehr als hektisch aufgeregte Stücke nach Art der Karnevalssambas.
Sertaneja war in Brasilien schon immer weit populärer als Samba und ist bei Tonträgern daher unangefochtener Marktführer. An der Spitze Zezè di Camargo und Luciano mit über 22 Millionen verkauften CDs und ein Vielfaches an Raubkopien. Von solchen Plattenauflagen können Gilberto Gil, Caetano Veloso, Marisa Monte, Milton Nascimento und all die anderen in Deutschland mehr oder weniger bekannten Musikusse Brasiliens nur träumen.
Zezè di Camargo: "Wegen dieser Mischung der Rassen, Rhythmen und kulturellen Riten sind wir ein atypisches Land. Der Film zeigt viel von diesem Universum. Ja, wir sind bäuerlicher Herkunft, wir mögen den Geruch von Erde – und wir machen Musik für die Massen, für die einfachen Leute Brasiliens."
Deshalb holte sich der heutige Staatschef Lula für den Wahlkampf von 2002 nicht etwa Sambastars als Anheizer seiner Kundgebungen, sondern Zezè di Camargo und Luciano, die schließlich sozialkritische Songs wie diesen, gegen den Hunger, das Elend im Lande, komponiert haben – und zweifellos zu Lulas Wahlsieg beitrugen.
Der Staatschef brach die Wahlversprechen, steckt im Korruptionssumpf – das Gebrüderpaar ist entsprechend frustriert. Dass indessen der Film zum Kinorenner des Jahres werden würde, hätten sie nie für möglich gehalten. Weltmusikpuristen dürfte schmerzen, dass ausgerechnet Ikonen wie Caetano Veloso und Maria Bethania den Streifen über alle Maßen lobten und im Soundtrack gleich mit mehreren hypersentimentalen Sertaneja-Titeln zu hören sind.
Doch dieser neue Streifen namens "2 Filhos de Francisco" hat nichts davon und könnte manchen deutschen Kinobesucher regelrecht erschrecken. Das soll Brasilien sein? Statt feuriger mitreißender Rhythmen nur Klänge dieser Art:
Filmmusik von Zezè di Camargo e Luciano
Das ist ein typisches Falsett-Duo des brasilianischen Hinterlands, annähernd so groß wie Europa. Die beiden Brüder Zezè di Camargo und Luciano mit Sertaneja-Musik. Die reicht von der schlichten Gitarrenballade der Viehtreiber nachts am Feuer bis zum brasilianischen Country-Pop; unverkennbar der Einfluss des Bolero, des mexikanischen Mariachi.
Von den Gebrüdern Zezè di Camargo und Luciano handelt der ganze Film, von ihrer armseligen, bedrückenden Kindheit in einer Kleinbauernkate und später in einem Großstadtslum; von Vater Francisco, der es sich in den Kopf gesetzt hat, aus wenigstens zweien seiner sieben Kinder ordentliche Musiker zu machen, die auf Dorffesten, Jahrmärkten aufspielen könnten. Um damit die mehr als knappe Familienkasse etwas aufzubessern, und wer weiß, vielleicht sogar dem Elend zu entfliehen.
Der Film hat ein grandioses Happy-End, denn Zezè di Camargo und Luciano wurden mit ihrer sentimentalen Sertaneja-Musik die Megastars Brasiliens. Und mit diesem anrührenden, teils melodramatischen Film bekennt sich das Tropenland erstmals zu seiner romantischen, ja ultraromantischen Seele. Regisseur Breno Silveira:
"Man muss unser Hinterland und seine Kultur gegen alle Ressentiments vieler elitärer Städter endlich einmal zur Kenntnis nehmen und mit diesen ganzen Vorurteilen einer Kulturschickeria gegen die so gefühlvollen Menschen dort, gegen deren Sertaneja-Musik endlich einmal aufräumen. Die Leute des Interior sind authentisch wie ihre Klänge, die doch nur Betonköpfe kalt lassen."
Sertaneja-Klänge – vielleicht zu romantisch für coole Europäer, sagt in Sao Paulo der Musikexperte Biaggio Baccarin und trifft ins Schwarze. Denn auch in Deutschland wird Sertaneja so gut wie nie in den Radios gespielt, ist in der Weltmusikszene verpönt. Doch wider alle Klischees mögen die allermeisten Brasilianer, selbst die jungen, sentimentale Balladen weit mehr als hektisch aufgeregte Stücke nach Art der Karnevalssambas.
Sertaneja war in Brasilien schon immer weit populärer als Samba und ist bei Tonträgern daher unangefochtener Marktführer. An der Spitze Zezè di Camargo und Luciano mit über 22 Millionen verkauften CDs und ein Vielfaches an Raubkopien. Von solchen Plattenauflagen können Gilberto Gil, Caetano Veloso, Marisa Monte, Milton Nascimento und all die anderen in Deutschland mehr oder weniger bekannten Musikusse Brasiliens nur träumen.
Zezè di Camargo: "Wegen dieser Mischung der Rassen, Rhythmen und kulturellen Riten sind wir ein atypisches Land. Der Film zeigt viel von diesem Universum. Ja, wir sind bäuerlicher Herkunft, wir mögen den Geruch von Erde – und wir machen Musik für die Massen, für die einfachen Leute Brasiliens."
Deshalb holte sich der heutige Staatschef Lula für den Wahlkampf von 2002 nicht etwa Sambastars als Anheizer seiner Kundgebungen, sondern Zezè di Camargo und Luciano, die schließlich sozialkritische Songs wie diesen, gegen den Hunger, das Elend im Lande, komponiert haben – und zweifellos zu Lulas Wahlsieg beitrugen.
Der Staatschef brach die Wahlversprechen, steckt im Korruptionssumpf – das Gebrüderpaar ist entsprechend frustriert. Dass indessen der Film zum Kinorenner des Jahres werden würde, hätten sie nie für möglich gehalten. Weltmusikpuristen dürfte schmerzen, dass ausgerechnet Ikonen wie Caetano Veloso und Maria Bethania den Streifen über alle Maßen lobten und im Soundtrack gleich mit mehreren hypersentimentalen Sertaneja-Titeln zu hören sind.