Neu im Kino

Überraschende Verwandlungen

Der kleine Drache Kokosnuss (M.) zusammen mit seinen Freunden Oscar (l.) und Matilda (r. in einer Szene des Kinofilms "Der kleine Drache Kokosnuss".
Der kleine Drache Kokosnuss (M.) in einer Szene des Kinofilms "Der kleine Drache Kokosnuss". © picture alliance / dpa / Universum Film
Von Christian Berndt · 13.12.2014
In Vorgespult geht es diese Woche um drei Filme, in denen sich Menschen verwandeln: In "Serena" zeigt eine Frau mörderische Seiten, "1001 Gramm" erzählt den Wandel einer Wissenschaftlerin und ein Animationsfilm lässt einen kleinen Drachen zum Helden werden.
"Was tun Sie da?"
"Ich wollte nur 'Hallo' sagen."
"Hallo."
"George Pemberton."
"Serena Shaw."
"Ich finde, wir sollten heiraten."
George weiß sofort: Die energische junge Frau, die er gerade erst beim Ausritt kennengelernt hat, ist die Richtige. Es ist das Amerika der 20er-Jahre, echte Männer fackeln hier nicht lange. Aber auch Serena fühlt sich angezogen von diesem charmanten Machertyp - bald darauf wird tatsächlich geheiratet.
George nimmt Serena mit in die Wälder North Carolinas, wo er ein großes Holzunternehmen besitzt. Und die so attraktive wie patente Frau, die selbst aus alter Holzfällerdynastie stammt, packt selbst mit an:
"Die Fällkerbe tiefer ansetzen, Sie verschwenden 30 Zentimeter."
"Tiefer fällt er nicht sauber, Ma'am, die anderen sind im Weg."
"Geben Sie mir die Axt."
"Ma'am?"
"Sie haben mich gehört."
Serena und George sind ein perfektes Team - beide voller Tatkraft und Ehrgeiz. Aber schon bald zeigen sich erste Risse: George hat nicht nur seine finanziellen Probleme, sondern auch ein uneheliches Kind verschwiegen. Die dänische Regisseurin und Oscarpreisträgerin Susanne Bier beginnt ihren zweiten Hollywoodfilm "Serena" reizvoll altmodisch im epischen Stil eines 30er-Jahre-Melodrams. Die wasserstoffblonde Serena und der draufgängerische George, in den Rollen der "Tribute-von-Panem"-Star Jennifer Lawrence und Bradley Cooper, sehen ganz nach Hollywood-Traumpaar Jean Harlow und Clark Gable aus.
Und das Drama um Leidenschaft und Rache erinnert an klassischen Film-Noir-Stoff – mit einer blonden Schönheit, die sich in mörderischer Eifersucht zur reinsten Lady Macbeth verwandelt. Aber was wie großes Kino beginnt, entwickelt sich bald zur mäßig spannenden, ziemlich überholt wirkenden Schauergeschichte, die mit dick aufgetragenem Gruselfaktor mehr nach B-Movie als nach Epos ausschaut.

Serena
USA , Frankreich , Tschechische Republik 2014, Regie: Susanne Bier, Darsteller: Jennifer Lawrence, Bradley Cooper, Rhys Ifans - 109 Minuten

Mit Drama und Leidenschaft hat die kühle Heldin des norwegischen Films "1001 Gramm" nichts am Hut. Marie ist Wissenschaftlerin am norwegischen Eichamt und zuständig für die landesweite Kontrolle von Gewichtsmaßen und Entfernungen. Sie tritt damit in die Fußstapfen ihres Vaters - einer Koryphäe auf diesem Gebiet:
"Fährst Du nächste Woche zum Kiloseminar nach Paris?"
"Daran werde ich nicht vorbeikommen. Aber bald bist Du an der Reihe."
"Ach so?"
Das passiert schneller als gedacht. Ihr Vater erleidet einen Herzinfarkt, und Marie muss ihn in Paris vertreten. Sie ist bestens präpariert - in dieser für Außenstehende ziemlich skurril anmutenden Wissenschaft geht Marie völlig auf. Und auch im Privatleben glaubt sie an Mess- und Planbarkeit - selbst die Trennung von ihrem Mann scheint sie mit stoischer Gemütsruhe zu ertragen. Doch dann stirbt ihr Vater, und Marie gerät plötzlich aus der Bahn. Ganz unerwartet findet sie einen Vertrauten, als sie in Paris zufällig den unkonventionellen Wissenschaftler Pi kennenlernt:
"Stand Dein Vater Dir nah?"
"Er fehlt mir wirklich sehr. Ich hatte nur ihn. Es ist, als würden sich alle Fixpunkte in meinem Leben einfach auflösen."
"Weißt Du, manchmal muss es im Leben auch Chaos geben. Es gibt einen französischen Dichter namens Aragon, der hat gesagt: 'Bis man zu leben gelernt hat, ist es schon zu spät.'"
Marie beginnt aufzutauen – und sich zu verlieben. Wie schon in seinen internationalen Erfolgen „Kitchen Stories" und „O'Horten" erzählt der norwegische Regisseur Bent Hamer in „1001 Gramm" von Menschen, die mit rationaler Planung die Unwägbarkeiten des Lebens in den Griff bekommen wollen – und daran scheitern. Hamer zeichnet Maries innere Entwicklung mit subtil komponierten Bildern und einem lakonischen Humor nach, der im Tragischen immer auch das Skurrile findet. Und damit wunderbar unpathetisch davon erzählt, wie tragisch eigentlich das normale Leben ist.

1001 Gramm
Norwegen 2014, Regie: Bent Hamer, Darsteller: Ane Dahl Torp, Per Christian Ellefsen, Laurent Stocker - 91 Minuten

Um eine Selbstfindung geht es auch in der ersten Verfilmung der unglaublich erfolgreichen Kinderbuchreihe "Der kleine Drache Kokosnuss". Kokosnuss muss sich von den anderen Drachenkindern viel Spott anhören, weil er noch nicht richtig fliegen kann:
"Nächster!"
"Ich, ich, ich!"
"Äh, äh, äh."
Beim Flugversuch fällt er ins Wasser, ein ziemlich peinlicher Auftritt. Aber als das für die Drachen existenziell wichtige Feuergras geklaut wird, ist das die Chance, den anderen seinen Mut zu beweisen. Zusammen mit seinen beiden Freunden macht er sich auf in die abenteuerliche Suche nach dem verschwundenen Kraut. Mit kindgerechtem Witz und ohne pädagogischen Eifer erzählt der quirlige Animationsfilm "Der kleine Drache Kokosnuss" von drei kleinen Außenseitern, die erkennen, dass Freundschaft Berge versetzen kann.

Der kleine Drache Kokosnuss
Deutschland 2014, Regie: Hubert Weiland, Nina Wels - 83 Minuten