Hellmut Königshaus: Berlin hat gegen die Freilassung von Kurnaz gearbeitet
Im Fall Kurnaz erwartet der FDP-Politiker Hellmut Königshaus von der heutigen Aussage des ehemaligen Außenministers Joschka Fischer (Grüne) vor dem BND-Untersuchungsausschuss keine neuen Erkenntnisse. Offenbar habe Fischer im Fall Kurnaz nur eine kleine Rolle gespielt, sagte der Bundestagsabgeordnete, der Mitglied in dem Ausschuss ist.
Birgit Kolkmann: Der BND-Untersuchungsausschuss hat die Aufgabe, die verwirrenden und widersprüchlichen Informationen zu sortieren, zu bewerten, und hat sich nicht einmal alle auf dem Tisch. Und offenbar liegen dem Spiegel Dokumente des Bundesnachrichtendienstes vor, die die Bundesregierung dem Untersuchungsausschuss vorenthält. Die zentrale Frage: Gab es im Herbst 2002 ein Angebot der USA, den Bremer Türken und Guantanamo-Häftling Murat Kurnaz freizulassen und nach Deutschland oder in die Türkei abzuschieben und hat die Bundesregierung dieses damals verhindert? Heute wird als prominenter Zeuge der damals amtierende Außenminister Joschka Fischer befragt. Zum Interview in Deutschlandradio Kultur begrüße ich den FDP-Politiker Hellmut Königshaus, Mitglied im BND-Untersuchungsausschuss des Bundestages. Schönen guten Morgen Herr Königshaus!
Hellmut Königshaus: Schönen guten Morgen Frau Kolkmann!
Kolkmann: Was erhoffen Sie sich von Joschka Fischers Aussage?
Königshaus: Ja, die Darstellung erstmal seiner Rolle in diesem ganzen Fall. Bisher haben wir davon noch nicht so sehr viel gehört. Offenbar war seine Rolle gering, ähnlich wie im Fall el-Masri, wo er die ganze Wahrnehmung auch der außenpolitischen Aktivitäten Herrn Steinmeier und Herrn Schily überlassen hat. Und ich denke mal, hier wird es ähnlich sein. Wir hatten ja bei der Vernehmung dieses Zeugen, also von Herrn Fischer, in Zusammenhang mit el-Masri schon von ihm gehört, dass seine Aussage heute sicher sehr kurz sein werde. Das deutet an, dass er auch hier keine entscheidende Rolle gespielt hat, jedenfalls nach seiner eigenen Darstellung.
Das ist eben das Bedauerliche eigentlich an dem ganzen Fall, dass alles auf ganz wenige Personen immer nur zugeschnitten war und die über das Schicksal eines Menschen oder in dem Fall zweier Menschen entschieden haben und ihre eigene Darstellung eigentlich immer auch dann so defensiv in diesem ganzen Fall wiedergegeben wird und nicht offen herangetragen wird. Sie sagten es, wir bekommen keine Akten, und die Presse kann durch Recherchen dann irgendwo dann eigene Akten heran bekommen, die uns vorenthalten werden. Es wirkt alles nicht sehr offen, was hier passiert.
Kolkmann: Die im "Spiegel" veröffentlichten Dokumente sind Protokolle, Memos, die der damalige BND-Chef Hanning nach Gesprächen im Kanzleramt verfasst hat, wonach es sehr konkret um eine mögliche Freilassung von Kurnaz ging. Halten Sie diese Dokumente für authentisch?
Königshaus: Ja, ich glaube schon. Es geht ja auch nicht um die Frage, wenn ich das noch sagen darf, ob ein konkretes offizielles Angebot vorlag. So was gibt es im Geheimdienstmilieu sowieso nicht. Er wurde ja auch nicht auf Grund eines offiziellen, also Kurnaz, auf Grund eines offiziellen Haftbefehls oder irgendeiner offiziellen Aktivität einer rechtsstaatlichen Organisation festgesetzt, sondern es gab eben sehr konkrete Hinweise.
Und die wurden ja auch ernst genommen von Seiten der Bundesregierung, dass er freikommen könnte. Und sie hat eben alles getan, um genau dies zu verhindern. Es geht also nicht darum, gab es ein offizielles Angebot und die haben darüber entscheiden können, sondern sie haben aktiv dagegen gearbeitet, und das ist eben das Beunruhigende.
Kolkmann: Das ist ja genau die Argumentationslinie des jetzigen Außenministers Walter Steinmeier, damals Kanzleramtschef, der immer sagt, es gab eben kein offizielles Freilassungsangebot. Wenn Sie sagen, darauf kommt es gar nicht an, heißt das, Steinmeier müsste politische Konsequenzen ziehen?
Königshaus: Also wir wollen jetzt erstmal abwarten, was er zum Fall Kurnaz sagt. Dazu hören wir ihn ja erst in einer Woche. Also ich will jetzt keine voreiligen Forderungen da erheben. Wir wollen erst mal wissen, was eigentlich Sache war. Unsere Forderung ist: Er soll endlich mal die Karten auf den Tisch legen, wer was wann wirklich gemacht hat. Und die Akten uns vorlegen, damit wir anhand der Akten alles nachvollziehen können. Wir haben letzte Woche ja den Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz gehört. Der hat uns ganz klar gesagt, wir waren alle dagegen, dass Kurnaz zurückkommt, auch in der Präsidentenrunde, das heißt also in dem Entscheidungs- oder Beratungsgremium im Kanzleramt.
Aber er hat auch gesagt, auf Grund der Erkenntnisse des Bremer Landesamtes, und dieses Bremer Landesamt hatte sehr sehr dürftige Beweise eigentlich für eine mögliche Gefährdung durch Murat Kurnaz, wie wir nun gehört haben, und das ist Beunruhigende an dem ganzen Fall: Dass jemand auf Grund nur der Aussage und der Denunziation einer einzigen Quelle als Gefährder gelten kann und danach dann im Grunde genommen in ein ganz ganz tiefes Loch fällt und nicht wieder rauskommt. Und deshalb ist auch die Annahme vieler Menschen, das geht hier nur um einen Türken, um den soll sich die Türkei kümmern, und uns kann das alles nicht beunruhigen, falsch. Das könnte jedem passieren, das ist das Beunruhigende an dem ganzen Fall.
Kolkmann: Morgen wird ja der damalige BND-Chef Hanning als Zeuge kommen zum BND-Untersuchungsausschuss. Erhoffen Sie sich von ihm doch noch genauere Angaben über ebendieses Gespräch oder über die entscheidenden Gespräche im Kanzleramt?
Königshaus: Ich muss sagen, ich hoffe, ja. Ich fürchte, er wird sie uns nicht geben. Es wird wieder das übliche Spiel ablaufen, das wir inzwischen gewohnt sind: Er wird sich darauf berufen, das sei nicht von seiner Aussagegenehmigung gedeckt, die Bundesregierung wird dann wiederum sagen, sie gebe die Aussagegenehmigung nicht aus Gründen der nationalen Sicherheit und weil es den Kernbereich des Regierungshandelns betreffe.
Also das wird sicherlich auch dann ein Punkt sein, der mitentscheidend ist, ob und wie weit dann das Bundesverfassungsgericht noch entscheiden muss, wo wir noch weitere Informationen von der Bundesregierung verlangen können. Aber, wie gesagt, noch habe ich die Hoffnung, dass er dort etwas großzügiger und freimütiger aussagt als beim letzten Mal.
Kolkmann: Vor der Sitzung des BND-Untersuchungsausschusses heute war das der FDP-Politiker Hellmut Königshaus, Mitglied im Ausschuss. Danke für das Gespräch.
Hellmut Königshaus: Schönen guten Morgen Frau Kolkmann!
Kolkmann: Was erhoffen Sie sich von Joschka Fischers Aussage?
Königshaus: Ja, die Darstellung erstmal seiner Rolle in diesem ganzen Fall. Bisher haben wir davon noch nicht so sehr viel gehört. Offenbar war seine Rolle gering, ähnlich wie im Fall el-Masri, wo er die ganze Wahrnehmung auch der außenpolitischen Aktivitäten Herrn Steinmeier und Herrn Schily überlassen hat. Und ich denke mal, hier wird es ähnlich sein. Wir hatten ja bei der Vernehmung dieses Zeugen, also von Herrn Fischer, in Zusammenhang mit el-Masri schon von ihm gehört, dass seine Aussage heute sicher sehr kurz sein werde. Das deutet an, dass er auch hier keine entscheidende Rolle gespielt hat, jedenfalls nach seiner eigenen Darstellung.
Das ist eben das Bedauerliche eigentlich an dem ganzen Fall, dass alles auf ganz wenige Personen immer nur zugeschnitten war und die über das Schicksal eines Menschen oder in dem Fall zweier Menschen entschieden haben und ihre eigene Darstellung eigentlich immer auch dann so defensiv in diesem ganzen Fall wiedergegeben wird und nicht offen herangetragen wird. Sie sagten es, wir bekommen keine Akten, und die Presse kann durch Recherchen dann irgendwo dann eigene Akten heran bekommen, die uns vorenthalten werden. Es wirkt alles nicht sehr offen, was hier passiert.
Kolkmann: Die im "Spiegel" veröffentlichten Dokumente sind Protokolle, Memos, die der damalige BND-Chef Hanning nach Gesprächen im Kanzleramt verfasst hat, wonach es sehr konkret um eine mögliche Freilassung von Kurnaz ging. Halten Sie diese Dokumente für authentisch?
Königshaus: Ja, ich glaube schon. Es geht ja auch nicht um die Frage, wenn ich das noch sagen darf, ob ein konkretes offizielles Angebot vorlag. So was gibt es im Geheimdienstmilieu sowieso nicht. Er wurde ja auch nicht auf Grund eines offiziellen, also Kurnaz, auf Grund eines offiziellen Haftbefehls oder irgendeiner offiziellen Aktivität einer rechtsstaatlichen Organisation festgesetzt, sondern es gab eben sehr konkrete Hinweise.
Und die wurden ja auch ernst genommen von Seiten der Bundesregierung, dass er freikommen könnte. Und sie hat eben alles getan, um genau dies zu verhindern. Es geht also nicht darum, gab es ein offizielles Angebot und die haben darüber entscheiden können, sondern sie haben aktiv dagegen gearbeitet, und das ist eben das Beunruhigende.
Kolkmann: Das ist ja genau die Argumentationslinie des jetzigen Außenministers Walter Steinmeier, damals Kanzleramtschef, der immer sagt, es gab eben kein offizielles Freilassungsangebot. Wenn Sie sagen, darauf kommt es gar nicht an, heißt das, Steinmeier müsste politische Konsequenzen ziehen?
Königshaus: Also wir wollen jetzt erstmal abwarten, was er zum Fall Kurnaz sagt. Dazu hören wir ihn ja erst in einer Woche. Also ich will jetzt keine voreiligen Forderungen da erheben. Wir wollen erst mal wissen, was eigentlich Sache war. Unsere Forderung ist: Er soll endlich mal die Karten auf den Tisch legen, wer was wann wirklich gemacht hat. Und die Akten uns vorlegen, damit wir anhand der Akten alles nachvollziehen können. Wir haben letzte Woche ja den Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz gehört. Der hat uns ganz klar gesagt, wir waren alle dagegen, dass Kurnaz zurückkommt, auch in der Präsidentenrunde, das heißt also in dem Entscheidungs- oder Beratungsgremium im Kanzleramt.
Aber er hat auch gesagt, auf Grund der Erkenntnisse des Bremer Landesamtes, und dieses Bremer Landesamt hatte sehr sehr dürftige Beweise eigentlich für eine mögliche Gefährdung durch Murat Kurnaz, wie wir nun gehört haben, und das ist Beunruhigende an dem ganzen Fall: Dass jemand auf Grund nur der Aussage und der Denunziation einer einzigen Quelle als Gefährder gelten kann und danach dann im Grunde genommen in ein ganz ganz tiefes Loch fällt und nicht wieder rauskommt. Und deshalb ist auch die Annahme vieler Menschen, das geht hier nur um einen Türken, um den soll sich die Türkei kümmern, und uns kann das alles nicht beunruhigen, falsch. Das könnte jedem passieren, das ist das Beunruhigende an dem ganzen Fall.
Kolkmann: Morgen wird ja der damalige BND-Chef Hanning als Zeuge kommen zum BND-Untersuchungsausschuss. Erhoffen Sie sich von ihm doch noch genauere Angaben über ebendieses Gespräch oder über die entscheidenden Gespräche im Kanzleramt?
Königshaus: Ich muss sagen, ich hoffe, ja. Ich fürchte, er wird sie uns nicht geben. Es wird wieder das übliche Spiel ablaufen, das wir inzwischen gewohnt sind: Er wird sich darauf berufen, das sei nicht von seiner Aussagegenehmigung gedeckt, die Bundesregierung wird dann wiederum sagen, sie gebe die Aussagegenehmigung nicht aus Gründen der nationalen Sicherheit und weil es den Kernbereich des Regierungshandelns betreffe.
Also das wird sicherlich auch dann ein Punkt sein, der mitentscheidend ist, ob und wie weit dann das Bundesverfassungsgericht noch entscheiden muss, wo wir noch weitere Informationen von der Bundesregierung verlangen können. Aber, wie gesagt, noch habe ich die Hoffnung, dass er dort etwas großzügiger und freimütiger aussagt als beim letzten Mal.
Kolkmann: Vor der Sitzung des BND-Untersuchungsausschusses heute war das der FDP-Politiker Hellmut Königshaus, Mitglied im Ausschuss. Danke für das Gespräch.