Hellmeyer: Keine Sonderbehandlung für Großaktionär

Folkert Hellmeyer im Gespräch mit Birgit Kolkmann |
Nach Ansicht von Folkert Hellmeyer, Chefanalyst der Bremer Landesbank, hat Christopher Flowers als Großaktionär der in Schieflage geratenen Hypo Real Estate keinen Anspruch auf eine bevorzugte Behandlung durch die Bundesregierung. Flowers habe offensichtlich falsch investiert und müsse dafür selbst die Konsequenzen tragen.
Birgit Kolkmann: Christopher Flowers ist 51 Jahre alt und galt lange Zeit als einer der Stars der internationalen Finanzbranche. Der US-Investor hat sich Beteiligungen einiger internationaler Geldhäuser geleistet und bis zur Finanzkrise ging auch alles gut. Nun muss er erstmals Rückschläge einstecken, eine heißt Hypo Real Estate. Der Münchner Immobilien- und Staatsfinanzierer gehört ihm seit einem knappen Jahr zu 25 Prozent, doch die Anteile sind nur noch ein Zwanzigstel dessen wert, was Mr. Flowers für sie ausgegeben hat. Eine Milliarde Euro hat er verloren, und ihm droht, wie den anderen Aktionären, nun auch noch die Enteignung. Deshalb hat er sich gestern in Berlin mit Regierungsvertretern und Mitgliedern des Bankenrettungsfonds getroffen. Was in dem Gespräch besprochen wurde, das wurde nicht bekannt. Heute gibt es ein weiteres Spitzentreffen auf Ministerebene im Kanzleramt. Und wir sind jetzt mit Folkert Hellmeyer verbunden, dem Chefanalysten der Bremer Landesbank. Schönen guten Morgen, Herr Hellmeyer!

Folkert Hellmeyer: Guten Morgen!

Kolkmann: Sollte Herr Flowers schnell seine Anteile an den Bund verkaufen? Was würden Sie ihm raten?

Hellmeyer: Ich würde ihm raten, einen Weg zu wählen, der genauso aussieht wie für alle anderen Aktionäre. Die aktuellen Gespräche implizieren ja, dass der Aktionär Flowers mehr Bedeutung hat als die ganzen anderen Aktionäre, und das ist für mich ein sehr irritierender Umstand. Herr Flowers hat unter dem Aspekt der Gewinnmaximierung diese Beteiligung erworben und hat damit offensichtlich, nach dem jetzigen Stand der Dinge, einen Fehler gemacht und dafür muss er schlussendlich auch die Konsequenzen tragen. Das ist das System der freien Märkte und vor diesem Hintergrund wundert es mich, dass Herrn Flowers gegenüber anderen Aktionären eine besondere Behandlung derzeit zukommt.

Kolkmann: Eine besondere Behandlung, indem mit ihm gesprochen wird. Nun wird aber andererseits der Bundesregierung und dem Finanzminister vorgeworfen, sich erst viel zu spät mit Herrn Flowers ins Benehmen gesetzt zu haben. Was halten Sie von dieser Kritik?

Hellmeyer: Ich halte diese Kritik für nicht sachlich gerechtfertigt einfach vor dem Hintergrund, dass Herr Flowers auf die Geschäftsverläufe von Hypo Real Estate als maßgeblicher Investor mit knapp 25 Prozent Einfluss hatte und ebenso auch die Kontrolle mit hatte. Und vor diesem Hintergrund war ihm diese Entwicklung absolut bekannt und ich sehe keinen Grund für die Bundesregierung, im Vorwege Gespräche mit Aktionären zu suchen, denn da geht es um privatwirtschaftliche Dinge, dort hat die Regierung normalerweise nichts zu suchen. In der jetzigen Situation der globalen Finanzkrise, wo der Staat auf den Plan gerufen wird und wo es tatsächlich auch ohne den Staat in ganz wesentlichen Aspekten und Bereichen des Finanzmarktes gar nicht mehr funktioniert, ist die Situation so, dass der Staat als Financier jetzt – oder als Garant, so ist es ja maßgeblich bei Hypo Real Estate, bisher zumindest – natürlich dann verstärkt das Sagen bekommt.

Kolkmann: Ohne die staatlichen Hilfen wäre die Hypo Real Estate längst pleite, 102 Milliarden Euro hat der Bund da schon bereitgestellt. Sollte er sie jetzt ganz schnell verstaatlichen?

Hellmeyer: Ich sage ganz deutlich: Ja, dieses Institut kann ohne die Staatshilfe nicht existieren und es macht keinen Sinn für den Steuerzahler, hierfür bestimmte Teile von Aktiva quasi zu garantieren und damit die negative Seite, den negativen Ausschluss zu garantieren. In einem solchen Fall macht es Sinn, so ein Unternehmen vollständig zu übernehmen, dann hat der Steuerzahler wenigstens auch die Chance auf einer Restrukturierung im Zeitverlauf zu reüssieren, dort dann eben auch die positive Seite mitzunehmen. Dem Staat hier immer nur die negativen Seiten, die potenziellen Verluste aufzudrücken, kann nicht zielführend sein.

Kolkmann: Und das heißt, es wäre auch nicht schlimm, eine Heuschrecke wie Flowers – obwohl er soll ja keine schlimme Heuschrecke sein, keiner von der üblen Sorte also – als Teil des Problems, das die Finanzkrise mit verursacht hat, schnell rauszuschmeißen?

Hellmeyer: Es wird ja nicht nur J. C. Flowers rausgeschmissen, es werden alle Aktionäre rausgeschmissen, und alle Aktionäre – das muss hier mal ganz deutlich gesagt werden – haben die Geschäftspolitik von Hypo Real Estate in den letzten Jahren zuvor immer mitgetragen und haben reüssiert, haben die Gewinne in die Taschen gesteckt. Und jetzt, wo es schiefgeht, kann es nicht angehen, dass man da einen einzelnen Aktionär wie J. C. Flowers besserstellt als den Rest der Aktionäre und grundsätzlich die Aktionäre, die eben als Eigentümer diese Politik getragen haben, freistellt von den Konsequenzen ihres Handelns.

Kolkmann: Wenn also die Bank nun verstaatlicht würde, würde das bedeuten, dass der Staat noch erst mal ordentlich zubuttern müsste, Ende offen, man weiß nicht, ob sie vielleicht doch noch irgendwann insolvent geht. Auf der anderen Seite könnte dann die Allgemeinheit schließlich auch dann wieder von den schwarzen Zahlen, wenn die mal wieder produziert werden, profitieren, oder?

Hellmeyer: In der Tat, und das ist die Erkenntnis, die wir aus der Krise 1992 – die EWS-Krise, die Währungskrise des europäischen Währungssystems – aus Schweden haben, dort hat es Verstaatlichung gegeben. Das ist dann so etwas wie Stamokap light, Staatsmonopolkapitalismus light, was hier gemacht wurde: Für einen bestimmten Zeitraum geht das Ganze in Staatsbesitz über, um dann später restrukturiert wieder reprivatisiert zu werden. Und dabei ist der schwedische Steuerzahler sehr gut gefahren. Das heißt: Nur die negativen Seiten zu garantieren, ist ordnungspolitisch ad 1 im großen Maße zweifelhaft und darüber hinaus, wie gesagt, für den Steuerzahler normalerweise in der Form in meinen Augen nicht vertretbar.

Kolkmann: Wenn man so will, würde sich der Staat dann also möglicherweise als Bänker profilieren können.

Hellmeyer: In der Tat, ja, und die Erfahrungswerte hier sind ja gar nicht schlecht, ich verweise hier noch mal auf Schweden, und es geht ja nicht darum, dass plötzlich Beamte Vorstandsvorsitzende werden, sondern es würden weiter Bänker sein, aber das Ganze würde eben aufsichtsrechtlich unter staatlicher Aufsicht stehen. Und das macht in meinen Augen durchaus Sinn, denn in den letzten zehn Jahren haben viele Banken bewiesen und die Eliten in den Banken, dass sie es eben nicht können. Und wenn sie es nicht können, dann sollten sie es in dieser Form wie bisher auch nicht weiter machen können.

Kolkmann: Sagt Folkert Hellmeyer, der Chefanalyst der Bremer Landesbank. Vielen Dank für das Gespräch in der Ortszeit!

Hellmeyer: Gerne!



Hinweis: Das Gespräch mit Folkert Hellmeyer können Sie bis mindestens 13. Juli 2009 als Audio-on-demand abrufen.