Musiker Heinz Rudolf Kunze

"Auf der Bühne zu Hause"

70:27 Minuten
Heinz Rudolf Kunze steht nach einem Interview am Vorhang auf der Bühne des Veranstaltungszentrums Capitol.
"Die Plattenfirmen waren heiß auf alles Deutschgesungene", erinnert sich Heinz Rudolf Kunze an seine Entdeckung bei einem Nachwuchswettbewerb. © picture alliance /dpa / Michael Matthey
Moderation: Britta Bürger · 18.04.2022
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Der Popdichter Heinz Rudolf Kunze wollte eigentlich Germanistik-Dozent werden, als er plötzlich einen Plattenvertrag bekam. Er singt auf Deutsch – und das mit Erfolg. Vor Kurzem erschien nicht nur ein neues Album, sondern auch seine Autobiografie.
Zu Hause, so schreibt Heinz Rudolf Kunze in seiner kürzlich erschienenen Autobiografie “Werdegang”, sei immer da, wo er gehört werde, also ohne Zweifel auch auf der Bühne.
An seinem Wohnsitz, in der Nähe von Hannover, steht er für diese Sendung Rede und Antwort in einer Mischung aus Probenraum und kleinem Studio voller Keyboards, Tourneeplakaten und Fotos aus den vier Jahrzehnten seiner Karriere. Aufgewachsen ist Kunze an verschiedenen Orten in Deutschland, die längste Zeit davon in Osnabrück.

Professor oder Sänger war die Entscheidung

Nach dem Abitur stand für Heinz Rudolf Kunze zur Entscheidung, entweder Germanistik und Philosophie oder Anglistik und Musik zu studieren. „Da habe ich, glaube ich, eine Münze geworfen. Hätte beides werden können“, erinnert sich Kunze.
Anders als oft behauptet werde, habe er allerdings nie Lehrer werden wollen: „Ich bin auch nicht einen Tag in meinem Leben Lehrer gewesen. Ich wollte Professor für neuere deutsche Literaturwissenschaft und die deutsche Romantik an der Uni werden. Das war mein normaler bürgerlicher Lebensplan, den mir dann die Musik Gott sei Dank versaut hat.“

„Ich schoss so raus aus dem Gesamtbild“

Bei einem Nachwuchswettbewerb der Deutschen Phono-Akademie im Jahr 1980 nahm der Student Kunze mit zwei Liedern teil, zunächst nur, um es wenigstens einmal mit der Musik versucht zu haben – und wurde dort als Unikum entdeckt.
“Ich bekam eine Flut von Plattenverträgen angeboten. Es war wie ein Märchen, dieser Tag. Ich war so seltsam. Ich schoss so raus aus dem Gesamtbild, dass das jeder haben wollte“, erzählt er.
„Das war die Zeit kurz vor dem Höhepunkt der Neuen Deutschen Welle, und die Plattenfirmen waren heiß auf alles Deutschgesungene, was eine Gitarre halten konnte.“

Der Text kommt vor der Musik

Englische Texte zu schreiben, kommt für ihn nicht infrage – man sollte nur auf Sprachen singen, in denen man auch gelebt hat, meint der Musiker, “sonst bleibt das doch ziemlich hölzerner Kram. Ich habe einmal erlebt, wie im Studio eine deutsche Band mit englischen Texten gemischt wurde, und ich hörte die englischen Toningenieure sich laut totlachen. Das wollte ich mir ersparen.“
Heinz Rudolf Kunze posiert am Rande einer Aufzeichnung des WWF Club (WDR, ARD) mit Gitarre für ein Foto.
Musiker Heinz Rudolf Kunze 1985 – das Jahr seines größten Erfolges mit „Dein ist mein ganzes Herz“© imago images / teutopress
Dass die Sprache ihm wichtig ist, merkt man nicht nur daran, dass er bei seinen Auftritten gern auch mal Texte ohne Musik vorträgt, er schreibt auch stets zuerst die Worte seiner Lieder und komponiert hinterher die Musik dazu.
Seinen größten Erfolg hatte Kunze 1985 mit „Dein ist mein ganzes Herz“. Die Frage, ob so ein Hit auch ein Fluch sein könne, verneint Kunze; er spiele das Lied auch immer wieder bei Konzerten, weil das Publikum sonst enttäuscht wäre: “Ich tue meine Pflicht gern. Ein Hit, der so groß ist, ist immer ein Segen, weil er das Publikum einfach verzwanzigfacht. Das ist ja ein Gassenhauer, der heute immer noch im Radio läuft.”

Nicht mit der Schlagermafia in den Kochtopf

Das Radio sei auch heute noch für den Erfolg seiner Alben von Bedeutung, erklärt Kunze, das Fernsehen dagegen weniger: “Es gibt da ja gar nicht so viele Möglichkeiten, denn die meisten Musiksendungen sind von der Schlagermafia dominiert, und da möchte man eigentlich nicht im gleichen Kochtopf landen.“
Doch auch beim Radio hätte er gerne einiges anders. So forderte er zum Beispiel eine Deutschquote bei der Musik und spricht sich für ein Ende der Diskriminierung älterer Musiker aus.
Dem musikalischen Nachwuchs hierzulande kann er wenig abgewinnen: “Was soll denn daran so toll sein? Das wenige, was ich aus den Ohrenwinkeln wahrnehme an nachrückenden jungen Kollegen, ist jammerlappich, heulsusig, feige, leisetreterisch und stinklangweilig. Kann ja auch nichts anderes bei rumkommen, wenn Teams von fünf bis sechs Textern an einem Dreckstext rummurxen.“

Der Kunze-Fan aus dem DDR-Ministerium

Heinz Rudolf Kunze schreibt Lieder und vor allem Texte nicht nur für sich, sondern auch für andere, die schon länger im Geschäft sind, zum Beispiel für die Band Pur oder die Sängerin Nicole, mit der er auch sehr gut befreundet ist: “Sie ist meine kleine Schwester, so nenne ich sie immer.”
In seiner eigenen Jugend war er unter anderem Fan von The Who, erzählt Kunze und schwärmt von seinem Osnabrücker Plattenladen, der ihm in den 70er-Jahren jede Woche die neuesten Alben nach seinem Geschmack präsentierte.
Aufgrund der musikalischen Vorlieben eines DDR-Funktionärs kam Kunze 1987 sogar zu einem Auftritt in Ost-Berlin: “Der stellvertretende Kulturminister der DDR Hartmut König, ehemaliger FDJ-Chef, war Kunze-Fan und hat das ermöglicht.”
(mah)

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