Heinrich Breloer über sein Doku-Drama "Brecht"

Mit der Geschichte telefonieren

35:09 Minuten
Heinrich Breloer im Interview mit dem Deutschlandfunk Kultur.
Auf der Berlinale 2019: Heinrich Breloer spricht über seine Begegnungen mit Brechts Schülern und dessen Jugendliebe Paula Banholzer. © imago/snapshot
Moderation: Britta Bürger · 13.02.2019
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Mit seinen Mehrteilern über Thomas Mann oder Albert Speer prägte der Regisseur Heinrich Breloer das Genre des Doku-Dramas. Eine Mischung aus Spielfilm und Dokumentation ist auch sein zweiteiliger Film "Brecht", der auf der Berlinale Weltpremiere hat.
Heinrich Breloers Filme sind immer auch eine Zeitanalyse. Er hat "Die Manns" gedreht und Mehrteiler über die RAF oder den NS-Architekten Albert Speer. Mit "Brecht" kehrt der Regisseur nun an seine filmischen Anfänge zurück.
Schon als Schüler ist Heinrich Breloer, Jahrgang '42, von Bertolt Brechts Ideen fasziniert. Die nächtliche Lektüre von Brecht und anderen Autoren hilft ihm und seinen Freunden zumindest zeitweise, der Enge eines katholischen Internates zu entkommen: "Wir waren die abgegebenen Kinder des Wirtschaftswunders, die sich da sammelten. Alles Eltern, die irgendeine Fabrik aufmachten, die keine Zeit für die Kinder hatten."

Der Vater eröffnet ein Hotel in Marl

Breloers Vater, ein Müllermeister, eröffnet nach dem Krieg ein Hotel in Marl. In der im nördlichen Ruhrgebiet gelegenen Kleinstadt wird seit 1964 der renommierte Grimme-Preis für herausragende TV-Produktionen vergeben. Da viele Preisträger im elterlichen Hotel in Marl untergebracht sind, bekommt Heinrich Breloer schon früh Einblick in das Filmgeschäft.
Seine Karriere als Filmemacher beginnt 1972 beim WDR. Die jüngste Vergangenheit fasziniert ihn besonders: "Die Geschichte gibt es ja nur in Form von Narrativen. Das heißt: Wie wir uns Thomas Mann erzählen, wie wir uns die RAF erzählen. Und diese Narrative kann man durch ein Fernsehspiel stark verändern."
Als Autor und Regisseur prägt Breloer maßgeblich das beim Publikum besonders beliebte sogenannte "Doku-Drama" – ein Format, in dem sich Elemente von Spielfilm und Dokumentation abwechseln und ergänzen. Neun Jahre lang hat Breloer an seinem neuen zweiteiligen Film über Bertolt Brecht gearbeitet: 120 Aktenordner voller Dokumente gewälzt, stundenlange Gespräche mit ehemaligen Brecht-Schülern und Brechts Jugendliebe, Paula Banholzer, geführt.

120 Aktenordner voller Dokumente

"Man kann mit der Geschichte telefonieren" - das begeistert Breloer. Experten meidet er bei seiner Arbeit und setzt stattdessen auf Zeitzeugen, deren Schilderungen dabei helfen, hinter die Maske und das Denkmal Brecht zu blicken:
"Das fand ich großartig, mit den Schülern und der Geliebten über diese Zeit zu sprechen, in der Brecht der junge Brecht war, in der er sich aber schon so großartig vorgestellt hatte mit seinen 17 Jahren. Die Mitschüler fotografieren ihn und er sagt: 'Ich komme gleich nach Goethe. Ich bin das nächste Genie.'"
"Haben Sie das geglaubt?" fragte Breloer seine Gesprächspartner. Und Paula Banholzer antwortete: "Naja, ein bisschen anmaßend fand ich's schon, aber wenn er das so sagt ..."
(cg)

Der Film "Brecht" ist in bundesweit 20 Städten im Kino angelaufen. Am 22. März 2019 ist Breloers Zweiteiler dann auf Arte und am 27. März in der ARD und zu sehen, prominent besetzt mit Burghart Klaußner und Tom Schilling. Ganz neu erschienen ist zudem Breloers Buch "Brecht - Roman seines Lebens" (Kiepenheuer & Witsch 2019), in dem er im Unterschied zum Film auch Brechts Exilzeit in den USA ausführlicher schildert.

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