Heine auf die schnelle

Rezensiert von Katharina Döbler · 17.02.2006
Es ist der 150. Todestag Heines und jeder hat etwas dazu zu sagen, jedes Feuilleton etwas zu schreiben, und vor allem jeder Verlag ein Buch zu verkaufen. Das wäre an sich ja noch gar nicht schlimm, gäbe es da nicht ein gewisses Quantum von reiner Anlassliteratur, die weder den Texten noch dem Verständnis ihres Gegenstands irgendetwas hinzufügen würde.
So haben wir hier ein Anekdotenbuch über Heinrich Heine, herausgegeben - beziehungswiese nacherzählt - von einer Autorin, die nach derselben Manier gerade eben ein Anekdotenbuch über Mozart hergestellt hat, sowie ein dickes Weihnachtsbuch und ein dickes Geburtstagsbuch. Nun sind ja alle vier Themen weiß Gott sehr ergiebig, und der leere Raum zwischen zwei Buchdeckeln lässt sich damit durchaus füllen.

Vor allem, wenn dasselbe Material bereits ein anderes, etwas dickeres Buch gefüllt hat. Die im Jahr 1926 von Heinrich Houben herausgegebenen "Gespräche mit Heine" dienten der - wie soll man sie nennen: Herausgeberin oder Kolporteurin? - als Steinbruch für ihr Büchlein, in dem unter Zitaten aus Heine-Gedichten Heine-Geschichtchen in denkbar kürzester Form chronologisch aneinandergereiht sind. Quellenangaben gib es keine.

Logik auch nicht. Einmal wird erzählt, Heine habe alle seine Dichterkollegen angegriffen, nur den Dramatiker Grabbe nicht, ein paar Seiten später steht, er habe von allen nur und als einzigen seinen Freund Immermann verschont. Natürlich ist das ganze anekdotische Drumherum ohnehin nur ein Vorwand, um witzige Heine-Sätzchen zu zitieren.

Aber eigentlich wären die Heine-Sätzchen ohne das in schlichtestem Vereinsreden-Deutsch gehaltene Drumherum viel besser dran. Schon Heines Zeitgenossen wussten dessen Bonmots, Aphorismen und Bosheiten zu schätzen und kolportierten sie in Briefen und Büchern. (Und Heine selber, der bekanntlich ebenso eitel wie geistreich war, gefiel das durchaus.)

Es geht also eigentlich um Klatsch. Und Klatsch ist nur dann literarisch ergiebig, wenn er von jemandem vorgetragen wird, der die Qualitäten eines Giftzwergs und die eines guten Stilisten in sich vereint. Jemand wie Heine selbst. Das ist der einzige Verdienst dieses dummen kleinen Jahrestagsbüchleins: dass man Heine im Originalton wieder richtig zu schätzen weiß.


"Als Deutscher bin ich verschiedener Meinung"
Anekdoten über Heinrich Heine
Hg. von Margarete Drachenberg
Eulenspiegel Verlag
128 S., € 9,90