Heimkino

Will Tremper gab dem deutschen Kino die Coolness zurück

Regisseur Will Tremper (r.) mit Schauspielerin Hannelore Elsner und dem Berliner Wirtschaftssenator Karl Schiller im Jahr 1963
Regisseur Will Tremper (r.) mit Schauspielerin Hannelore Elsner und dem Berliner Wirtschaftssenator Karl Schiller im Jahr 1963 © dpa / picture alliance
Von Patrick Wellinski · 20.06.2015
In den 60er-Jahren erholte sich das deutsche Kino langsam vom Heimatfilmwahnsinn der 50er. Mit dazu beigetragen hat der zu Unrecht vergessene Regisseur Will Tremper. Zwei seiner Filme lassen sich nun auf DVD neu entdecken.
"Vorwärts" steht auf dem Bus, der leidenschaftlich schnell durch die ostdeutschen Straßen rast und in Weningenstedt, einem Dorf vor Dessau, hält. Jung-Kommunisten, angeführt vom heißblütigen Claus Baade, stürmen heraus, sie kleben Walter-Ulbricht-Plakate an die Mauern. Sie sollen die Zwangskollektivierung bei den Bauern durchsetzen. Doch schon bei Bauer Güden stoßen sie auf Widerstand:
"Ja, ja ich weiß. Sie sind nicht der erste, der hier her k..."
"Ja, genau! Wir sind die zweite Welle, Verehrtester. Und nach uns kommt die dritte und vierte, wenn Sie Nerven haben. Und wenn Sie es dann immer noch nicht kapiert haben, dass das alles nur zu ihrem besten Nutzen ist, wenn Sie in die LPG gehen, dann fangen wir eben von vorn an."
Hermann Güden bleibt standhaft. Und das Dorf mit ihm. Güden ist dort eine Art Ersatz-Bürgermeister, denn: "Unser Bürgermeister ist in West-Berlin. Prost!"
Will Tremper begann im Nachkriegsdeutschland als Journalist
Und auch Güden wird fliehen, in den Westen, chaotisch, turbulent und an der Seite einer Schweizer Journalistin. Will Tremper, dieser Selfmade-Regisseur, hat mit seinem Regiedebüt "Flucht nach Berlin" von 1961 einfach die Schlagzeilen seiner Zeit zum Drehbuch gemacht. LPG, Besatzungspolitik, Republikflucht. Alles atmet Aktualität. Auch der Wutausbruch des Jungkommunisten Baade. Sein Versagen im Dorf hat ihm den Pass gekostet. Gescheitert und gedemütigt lässt er seinen ganzen Frust am Vater aus:
"West-Berlin? Du verstehst nichts. Du hast es nie verstanden und verstehst auch heute noch nichts. Du hast zwölf Jahre lang eifrig 'Heil Hitler' geschrien und du tust heute so, als ob du ein eifriger Sozialist wärst. Natürlich bloß nicht an den Karren fahren lassen. Mein Vater! Das ist ein ganz schlauer."
Ein Monolog, der in seinem Zeitbezug nicht deutlicher sein kann und so typisch ist für den Ton der lediglich fünf Spielfilme, die Will Tremper, Jahrgang 1928, in den 60er-Jahren drehte. Er begann im Nachkriegsdeutschland als Journalist. Schrieb über die Filmwirtschaft, aber auch über die Stars und Sternchen, um dann mit "Die Halbstarken" und "Nasser Asphalt" die Drehbücher zu den größten Horst Buchholz-Filmen zu verfassen.
Tremper brachte sich das Filmemachen selber bei. Er inszenierte seine Stoffe nah an der Realität. Er ließ, wie es Christian Droemer im Bonusmaterial der DVD zu "Flucht nach Berlin" sagt, die Schauspieler improvisieren, Doch ganz so naiv, wie das klingt, war Will Trempers Inszenierungsansatz nicht.
"Da hat der Kameramann verschiedenen Effekte setzen wollen. Das wollte der Will Tremper nicht. Und das kam dann zu einem richtigen Faustkampf. Die haben sich geschlagen."
Tremper hat die durch die Nazis gerissenen Lücken im deutschen Kino mit Leben gefüllt
Sechs Jahre später, da steht die Mauer schon und der Bauer Güden ist längst in Sicherheit, da dreht Tremper seinen vielleicht besten und schönsten Film - "Playgirl". Und er beginnt mit dem Erwachen der vielleicht schönsten und besten deutschen Schauspielerin der 1960er-Jahre.
Eva Renzi spielt Alexandra Borowski, das junge Jetset-Girl. Sie kommt nach Westberlin, eine Stadt im Stillstand. Und was macht Germany's First Topmodel in Berlin? Männern den Kopf verdrehen, natürlich.
Und so driftet sie durch die Straßen, guckt sehnsüchtig dem Treiben dieser Stadt hinterher. Ganz so, als würde sie, die Weitgereiste, nun vielleicht nach einem Ankerplatz suchen. Dabei ist sie noch jung, Mitte Zwanzig, doch das merken die Männer erst spät.
"Playgirl" ist inspiriert von Michelangelo Antonionis Beziehungstrilogie und den frühen Filmen von Godard und Truffaut. Das Begehren, die Sehnsucht treibt die Figuren durch die Bilder. Es ist ein Suchen nach Liebe und Abenteuer. Etwas, das durch die starre Atmosphäre Westberlins gesteigert wird. Und natürlich ist da diese wilde Zärtlichkeit von Eva Renzi. Wie sie die Männer ansieht und suggeriert, wir könnten ihr die Traurigkeit nehmen, die ihr perfektes Äußeres kaum verbergen kann:
"Ach, ich liebe dich. Vielleicht liebe ich dich auch nicht. Ich weiß nicht. Jedenfalls bin ich wahnsinnig gern mit dir zusammen. Schrecklich gern."
Wenn wir Trempers Filme heute sehen, dann wundert man sich über die unendliche Vitalität dieser Bilder. Tremper hat die durch die Nazis gerissenen Lücken im deutschen Kino mit Leben gefüllt. Er gab dem deutschen Kino seine Lässigkeit und Coolness wieder. Trempers Botschaft an alle Regisseure, bis heute: Macht euch locker!

"Flucht nach Berlin" und "Playgirl" sind beide bei Darling Berlin auf DVD erschienen. Jeweils für 13.99 Euro.

Mehr zum Thema