Heimkino

Wenn die Liebe erkaltet

Porträt von Brigitte Bardot des US-Künstlers Andy Warhol (undatiert). Sotheby's versteigerte am Dienstag (22.05.2012) in London Kunstobjekte aus der Sammlung von Gunter Sachs.
Porträt von Brigitte Bardot des US-Künstlers Andy Warhol © picture alliance / dpa / Sothebys
Von Christian Berndt · 27.09.2014
Sie ist neben Marilyn Monroe das berühmteste Sexsymbol der Filmgeschichte. Mit Jean-Luc Godards Film "Die Verachtung" (1963) wird sie auch in ihrer Heimat Frankreich zur ernst zunehmenden Schauspielerin. Zum 80. Geburtstag von Brigitte Bardot erscheint der Film neu auf Blu-ray.
"Siehst Du meine Füße im Spiegel? – Ja. – Findest Du sie hübsch? – Mm, sehr. – Und meine Fesseln, gefallen sie Dir?"
Camille liegt nackt auf dem Bett und lässt kokett ihren Körper von Paul begutachten. Es ist eine ziemlich frivole Anfangsszene, in der man Brigitte Bardot und Michel Piccoli erlebt. Das Paar wirkt sehr verliebt – doch das wird sich bald ändern. Paul ist ein wenig erfolgreicher Drehbuchautor, aber er hat kürzlich ein lukratives Angebot bekommen: Er soll das Drehbuch eines Odysseus-Films, den Regie-Altmeister Fritz Lang gerade in Italien dreht, umschreiben. Denn Langs Umsetzung des Filmstoffs erscheint dem amerikanischen Produzenten Prokosch zu wenig kommerziell.
Ein Moment, der alles verändert
Paul nimmt an und trifft sich mit Lang, der sich hier im Film selbst spielt. Die beiden diskutieren über die Odyssee, letztlich ist Paul aber doch nur Prokoschs Erfüllungsgehilfe. Die Anpassung hat einen Preis. Als er dem Produzenten Camille vorstellt, ist der gleich Feuer und Flamme:
"Let’s have a drink at my home. Yes or no? – Mr. Prokosch lädt Sie zu einem Drink zu sich ein. Ja oder nein? – Ach, ich weiß nicht. Paul?"
Camille will nicht, aber Paul überredet sie, ins Auto des Produzenten einzusteigen. In diesem kurzen Moment zerbricht etwas. Camille scheint es, als wolle Paul sie dem lüsternen Produzenten geradezu anbieten. Es ist das unausgesprochene Ende ihrer Liebe:
"Was soll das werden? – Ich schlaf im Wohnzimmer, auf dem Sofa. – Wann, heute Nacht? – Von jetzt an immer. Kein Grund, beleidigt zu sein. Es gibt tausend Ehepaare, die getrennte Schlafzimmer haben. – Wenn ich nur wüsste, was ich getan habe. Du bist plötzlich so böse. – Wieso? Ich bin doch immer dieselbe. Du bist es, der sich verändert hat. Und zwar, seitdem Du mit den Leuten vom Film zu tun hast."
Amerikanische Koproduzenten wollen Bardot nackt sehen
Camille beginnt, Paul zu verachten. Ein Moment hat alles verändert und um diesen Moment herum hat Jean-Luc Godard "Die Verachtung" inszeniert. Godard ist damals nicht nur der radikalste Vertreter der Filmbewegung Nouvelle Vague, die angetreten ist, das Kino zu revolutionieren. Er gilt auch als hipster Regisseur seiner Zeit, Stars wie Brigitte Bardot wollen mit ihm drehen. Durch ihre Zusage kann Produzent Carlo Ponti für Romanverfilmung "Die Verachtung" amerikanische Koproduzenten gewinnen. Als die allerdings die Rohfassung des Films sehen, sind sie alles andere als begeistert, wie Film-Experte Alain Bergala im Bonusmaterial erzählt:
"Die Produzenten, besonders die amerikanischen, sagten: 'Wir haben bezahlt, um die Bardot nackt zu sehen, und sie ist nie nackt'.‘ Sie fühlten sich betrogen, denn sie hatten ihr Geld auf Bardot und nur ein bisschen auf Godard gesetzt. Godard antwortete ihnen: 'Sie wollen Nacktszenen. Gut, ich drehe welche. Aber sie müssen zum Film passen.'"
Godard thematisiert eigene Probleme mit Fritz Lang
Godard dreht wie versprochen Nacktszenen nach, aber auf so kuriose Art, dass sie sich in den anspielungsreichen Film verblüffend einpassen. Etwa die erotische Anfangsszene, der Godard mit verfremdender Rot- und Blaubeleuchtung fast etwas Peep-Showhaftes gibt, oder eine andere Aufnnahme, in der sich die Bardot nackt auf einem Flokatiteppich räkelt. Es ist ein ironisches Spiel mit ihrem Image als Sexbombe, das wohl nur jemand wie die Bardot, die damals wie keine andere für die sexuelle Selbstbestimmung der Frau steht, so gewagt vorführen konnte.
Und anhand der Figur Fritz Langs thematisiert Godard nicht nur den Niedergang des alten, glanzvollen Hollywood-Kinos zugunsten des reinen Kommerzfilms, sondern auch seine eigenen Konflikte mit den Produzenten. Das Erstaunliche daran ist, wie es Godard gelingt, diese verschiedenen Ebenen stimmig zu verbinden. Wenn Paul mit Fritz Lang über die Frage diskutiert, warum Odysseus nach seiner Rückkehr die Bewerber um die Hand seiner Frau massakrierte, geht es ihm in Wirklichkeit um seine Beziehung zu Camille.
"Weil er sich der Treue Penelopes sicher fühlte, sagte er ihr, sie solle liebenswürdig zu den Freiern sein. In diesem Augenblick, glaube ich, begann Penelopes Wanken. Sie war im Grunde eine unkomplizierte Frau und fing an ihn zu verachten. Zu spät entdeckte Odysseus, dass er über Nacht Penelopes Liebe verloren hatte. Er hat nur eine Chance, sie zurückzugewinnen: Er muss die Freier umbringen."
Trotz Kompromissen – ein ganz eigener Godard-Film
Paul scheint von seinen eigenen Absichten zu sprechen - er hat auf der Fahrt zum Produzenten eine Pistole mitgenommen. So komplex "Die Verachtung" durchdacht ist, so sinnlich ist die Geschichte dieser erkaltenden Liebe erzählt, für die Godard grandiose Bilder zwischen Pop-Art und antik anmutenden bukolischen Landschaften findet. Und Brigitte Bardot, die sich weitgehend selbst spielt, wirkt in ihrer rätselhaften Undurchschaubarkeit wie geschaffen für die Rolle der Camille. Godard ist mit "Die Verachtung" das Kunststück gelungen, mit den Geldgebern Kompromisse wie in keinem anderen seiner Werke einzugehen und trotzdem einen ganz und gar eigenen Film zu drehen.