Heimkino

Exzentrische Südstaaten-Detektive

Der US-Schauspieler Matthew McConnaughey während der 83. Oscar-Verleihung im Kodak Theatre im kalifornischen Hollywood am 27. Februar 2011.
Matthew McConnaughey spielt Detective Rustin Cohle, einen tief zerrütteten, gereizten Mann, der alles in Frage stellt. © picture alliance / dpa / Paul Buck
Von Michael Meyer · 05.07.2014
Ja, Detektivserien gibt's ne Menge und sie bieten oft wenig Überraschendes. Doch "True Detective" sticht heraus. Schon allein das ungleiche Ermittlerpaar Hart und Cohle - gespielt von Matthew McConnaughey und Woody Harrelson - macht die Serie sehenswert.
"Was haben Sie gedacht, als er ihr Partner wurde? Was habe ich gedacht? …Du kannst dir die Eltern nicht aussuchen und deinen Partner auch nicht. Eine Weile ist er von allen nur der Taxman genannt worden. Er kam aus Texas. Kam mir ein bisschen dünnhäutig vor, wenn Sie mich fragen, gereizt… Es hat drei Monate gedauert, bis er uns zum Essen besucht hat. Da hatten wir den großen 4/19 – darüber wollen Sie doch was hören, oder? Dora Lang, die Kids im Wald. // Ja natürlich, aber erzählen Sie uns von Cohle"
Detective Hart, gespielt von Woody Harrelson, sitzt 17 Jahre nach einer Reihe von Ritualmorden im US-Bundesstaat Louisiana vor zwei Ermittlern, die den Fall nochmal aufrollen sollen. In den ersten Ermittlungen hat es Unregelmäßigkeiten gegeben, und wie es scheint, ist der damals gefasste Mörder unschuldig.
Die acht einstündigen Episoden von "True Detective" springen zeitlich hin und her, zwischen 1995, der Jahrtausendwende und 2012. Diese Wechsel sind für Kostümbildner, Setdesigner, aber auch die Schauspieler gleichermaßen eine Herausforderung. An der Seite von Detective Hart steht der introvertierte, schweigsame und irgendwie fertig wirkende Rustin Cohle – gespielt von Matthew Mc Connaughey, der nach "Dallas Buyers Club" auch mit dieser Rolle beweist, dass er mehr kann, als nur den schönen Romantic-Comedy-Lover zu spielen.
Cohle leidet an der Welt
Connaughey Charakter ist innerlich zerrüttet: Er zweifelt die Sinnhaftigkeit seiner Arbeit – gar der ganzen Welt an: Welchen Wert hat das alles eigentlich – eine Frage, die immer wieder aufkommt. In dieser Hinsicht hat "True Detective" eine zweite fast schon philosophische Ebene: Woher kommen wir, wer sind wir und wohin gehen wir, sind Fragen, die sich Cohle stellt. Aber auch: Kann die Religion den Menschen erlösen? Im Bible-Belt der USA ist das sicher ein Thema.
Doch darüber möchte sein Partner Hart lieber nicht sprechen – auch er ein Mann mit Eheproblemen, jedoch dabei längst nicht so tiefgründig wie Rustin Cohle. Warum Cohle ständig den Sinn der Welt in Frage stellt, erfahren die Zuschauer gleich in der ersten Folge: Cohle ist zu Gast bei der Familie seines Partners Hart:
"Magst du deinen Job? Eigentlich nicht, nein….naja, aber sie bezahlen nicht schlecht, und ich bin gut darin. Du bist nicht verheiratet..? Ich war's mal, jetzt nicht mehr… Kinder? Eins. Sie ist aber gestorben, danach hat die Ehe nicht mehr lange gehalten….tut mir leid."
Cohles Nihilismus wirkt angesichts der Aufbruchsstimmung der 90er-Clinton-Jahre ungewöhnlich unzeitgemäß: Cohles Weltekel und Verbitterung geht so weit, dass er der Menschheit fast das Existenzrecht abspricht – das Leben ist ein düsterer Sumpf, wie in Louisiana. Am besten, man wäre gar nicht geboren worden, murmelt Cohle einmal in sich hinein. "Stop saying shit like that", entgegnet voller Unverständnis sein Partner Hart.
Drapierte Frauenköper
Die Ermittlungen treten angesichts der Endzeit- und Untergangsgedanken von Ermittler Cohle häufig in den Hintergrund. Die Toten des Frauenmörders, die beinahe künstlerisch am Tatort drapiert wurden, geben Einblicke in die kaputte Seele eines Menschen – und all das vor der Kulisse der einsam-düsteren Landstrichen Louisianas:
"Haben Sie sowas schon mal gesehen? Nein, Sir, nicht in acht Jahren CID. Diese Symbole….die sind satanisch….vor ein paar Jahren lief über sowas mal was im Fernsehen. Wurde sie schon identifiziert? Nein. Sir. Es wird erneut passieren oder es ist schon einmal passiert oder beides. Erzähl weiter…. Er inszeniert seine Fantasie, Ritual, Fetischisierung, Ikonografie, das ist seine Vision. Ihr Körper ist eine paraphile Liebeskarte. Was heißt das? // Eine Neigung zu körperlicher Lust und Praktiken, die von der Gesellschaft geächtet sind."
Der Fall entspinnt sich dann im Verlaufe der acht Folgen eher klassisch – und doch: "True Detective" bezieht seine Spannung aus dem radikalen Entwurf der Charaktere von Drehbuchautor Nic Pizzolato. Ungewöhnlich für amerikanische Serien, Pizzolato ist nicht nur "Head-Writer", sondern hat die gesamte Serie ganz allein geschrieben. Er ist eigentlich Schriftsteller und hatte sichtlich Spaß daran, seine Geschichte in die Welt der Südstaaten zu versetzen.
Die Serie, die konsequent in blassen grau-grünen Farben gehalten ist, erinnert stilistisch ein wenig an die neuseeländische Produktion "Top of the lake" von Jane Campion, in der ebenfalls Kameramann Adam Arkapaw für die Bildkomposition verantwortlich war.
Fortsetzung in Aussicht
HBO hat angekündigt die Miniserie fortzusetzen, aber sie wird in ihrer nächsten Staffel eine gänzlich andere Handlung erzählen. "True Detective" funktioniert also wie eine Anthologie verschiedener Geschichten. Welche Klammer sie haben werden, bleibt abzuwarten. Noch offen ist auch, ob Darsteller Matthew Mc Connaughey und Woody Harrelson dann noch einmal mitspielen. In jedem Fall ist "True Detective" eine der exzentrischsten Detektivserien geworden, die das Fernsehen derzeit zu bieten hat. Und, soviel sei verraten – der Killer, den man 1995 gefasst hat, ist natürlich nicht der wahre Mörder:
"Ja….die sieht der von 95 schon sehr ähnlich….aber das wussten Sie ja schon. Sie waren acht Jahre nicht in der Gegend richtig? Und sind 2010 wieder aufgetaucht. Meine Frage ist…..wie kann er es gewesen sein, wenn wir ihn 95 schon gefasst haben? Ja, wie soll das gehen, Detectives….Ich dachte, Sie könnten das wissen….dann fangen Sie endlich an, die richtigen verfluchten Fragen zu stellen."

True Detective
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