Böse und knallige Gesellschaftssatiren

Helmut Dietl wird 70 Jahre, Billy Wilder wäre 108 geworden - Zeit auf "Eins, zwei, drei", eine böse Farce auf das vergangenheitsvergessene Nachkriegsdeutschland, und die Ausnahme-Komödie "Schtonk“ zu schauen.
West-Berlin 1961, kurz vor dem Mauerbau. C.R. MacNamara, gespielt von James Cagney, ist Chef der amerikanischen Coca-Cola-Filiale der Stadt. Der Laden läuft prächtig, auch dank der fleißigen deutschen Angestellten. Amerikanischer Akkord-Kapitalismus und deutscher Untertanengeist sind hier eine perfekte Symbiose eingegangen – wenn man von einigen kulturellen Differenzen absieht. MacNamara nervt der preußische Gehorsam seines Assistenten – und der wird nicht gerne an die Vergangenheit erinnert:
Filmausschnitt: "Schlemmer, Sie fliegen raus! Wenn Sie nicht endlich aufhören, dauernd mit den Hacken zu knallen. – Ja, Sir! (knallt mit den Hacken) Oh, Verzeihung, ich vergesse es immer wieder. – Das gute, alte Gestapo-Training, hä? – Bitte, Mr. MacNamara, das dürfen Sie nicht sagen. - Na also, unter uns, Schlemmer, was haben Sie während des Krieges gemacht? – Ich war in der Untergrund, the Underground. – Ach, Widerstandskämpfer? – Nein, als Schaffner. – Natürlich waren sie kein Nazi und nie für Adolf? – Welchen Adolf? Wissen Sie, ich war so tief unten, ich wusste gar nicht, was oben los war.“
Im Kino floppte der Film - vor allem aufgrund des Mauerbaus
Billy Wilders "Eins, zwei, drei“ von 1961 ist eine böse Farce auf das vergangenheitsvergessene Nachkriegsdeutschland. Aber auch die Sieger kriegen ihr Fett ab, die Amerikaner machen sich die Unterwürfigkeit der Besiegten zu nutze, die Sowjets sind korrupt. MacNamaras Karrierechancen steigen weiter, als der Chef aus Amerika seine Tochter nach Berlin schickt. MacNamara soll sich um sie kümmern bis sich das Mädchen ausgerechnet in einen jungen Ost-Berliner verliebt und schwanger wird. Für MacNamara eine Katastrophe – die ihm anvertraute Tochter des Chefs schwanger von einem Kommunisten:
Filmausschnitt: "Wir werden versuchen, diesen krummen Hund in einen Schwiegersohn zu verwandeln. – Ah, ich verstehe."
Aus dem überzeugten Kommunisten wird ein veritabler Kapitalist – dank deutscher Anpassungsfähigkeit. "Eins, zwei, drei“ führt in irrwitzigem Tempo den Kalten Krieg als eine widersprüchliche Farce vor, die absurden Opportunismus erfordert. Im Kino floppte der Film 1961, vor allem weil während der Dreharbeiten in West-Berlin der Mauerbau dazwischen kam – "Eins, zwei, drei“ galt nun als geschmacklos. Dabei hagelte es hier im Stakkato treffsicheren Pointen - die waren das Markenzeichen des gelernten Drehbuchautors und jüdischen Emigranten aus Deutschland, der immer auf das Dunkle hinter der Fassade zielte – Brutalität konnte bei Wilder unvermittelt neben Slapstick stehen.
Wiederaufkeimende Nazi-Nostalgie
Ein Komödienregisseur, für den Billy Wilder immer Vorbild blieb, ist Helmut Dietl.1992 brachte er eine knallige Gesellschaftssatire ins Kino, die den Skandal um die gefälschten Hitler-Tagebücher aufspießte – und in ihrer Bissigkeit und handwerklichen Genauigkeit Kritiker an Wilder erinnerte. In "Schtonk“ dreht ein stümperhafter Fälscher einem Magazin seine gefälschten Hitler-Tagebücher an. Der zunächst skeptische Verlagsleiter reagiert bei deren Anblick ergriffen:
Filmausschnitt: "Wenn ich denke, dass ich hier und heute berühre, was er damals in seinen Händen hielt … Was steht denn drin? – Ich habe nicht gewagt, die Siegel zu erbrechen, mein Führer, äh, Herr Doktor.“
In "Schtonk“ ist es eine wiederaufkeimende Nazi-Nostalgie, die den Schwindel erst möglich macht und zu einer geradezu absurden Blindheit führt. Etwa, als auffällt, dass die Initialen auf den Tagebüchern nicht stimmen:
Filmausschnitt: "Für mich ist der erste Buchstabe da vorne drauf keen A, sondern ein F. Und Fritze Hitler hieß er ja wohl nicht, oder? Fff… Führer Hitler! – Genau, Führer Hitler. – Quatsch, Führer Hitler. – Ffff… Fahne hoch vielleicht. – Quatsch, Fahne hoch!“
"Schtonk“ ist eine Ausnahme-Komödie ihrer Zeit, leider hat sie keine Nachahmer gefunden. Statt bissiger Gesellschaftssatiren folgte in den Neunzigerjahren der Boom der harmlosen Komödien. Seit dem letzten Jahrzehnt gibt es mit Filmen etwa von Dani Levy wieder Anknüpfungen daran, gerade kürzlich war für manche Kritiker "Zeit der Kannibalen“, was satirischen Wortwitz betrifft, ein Highlight.