Heilloses Durcheinander

Eine Glosse von Gerald Beyrodt · 13.01.2012
Die Nachrichtenlage zum Abraham-Geiger-Kolleg ist - vorsichtig formuliert - etwas unklar. Wird es eine jüdisch-theologische Fakultät in Potsdam geben, wie die dortige Universität verspricht, oder zieht das Kolleg doch lieben nach Erlangen-Nürnberg oder Erfurt um? Verwirrung pur.
Es geht zu wie beim Hütchenspiel. Potsdam, Erlangen-Nürnberg oder Erfurt: In atemberaubender Geschwindigkeit überschlagen sich die Nachrichten, wo das Abraham-Geiger-Kolleg jetzt hinziehen oder verbleiben soll. Man fragt sich, wie oft die Studenten des Kollegs die Koffer ein- und wieder auspacken sollen. Oder ob sie einfach abwarten, wie viel von den aufgeregten Nachrichten übrig bleibt.

Als die Meldungen von den Verhandlungen mit der Universität Erlangen-Nürnberg durch die Medien gingen, versäumte das Geiger-Kolleg nicht zu betonen, wie schleppend die Verhandlungen mit dem Land Brandenburg über eine weitere Zusammenarbeit verliefen, was den Ätsch-Mann-Effekt der Nachricht verstärkte. "Ätsch, Mann, wir können auch anders." Genau genommen handelte es sich um Erstgespräche mit der Uni Erlangen-Nürnberg, so dass die Meldung denn doch nicht der ganz große Brüller war.

Dann die Steigerung. Statt vager selbst angekündigter Erstgespräche: Statements der Ministerpräsidentin von Thüringen auf einer Israelreise, Quasi-Sofortauftrag für die Uni Erfurt. Nur eines hörte man nicht: Eine Nachricht vom Abraham-Geiger-Kolleg: "Jawoll, wir gehen jetzt definitiv nach Erfurt, weil die Bedingungen dort so gut sind." Stattdessen freundliche Begeisterung und der Hinweis, dass die Verhandlungen schneller gingen und besser funktionierten als mit dem Land Brandenburg.

Für das geneigte Publikum hört sich das an wie das Gemecker einer genervten Ehefrau: "Jaja, der Horst ist viel attraktiver als mein Mann und charmant isser auch." Gleichzeitig vertraute der Rektor des Abraham-Geiger-Kollegs Walter Homolka den Potsdamer Neuesten Nachrichten an, Potsdam sei weiterhin eine Option. Und auch die Brandenburger Wissenschaftministerin Kunst verriet demselben Blatt, dass sie jetzt 1,5 Millionen für die Gründung einer jüdisch-theologischen Fakultät zur Verfügung stellen werde.

Die Brandenburg-Geiger-Ehe scheint atmosphärisch gestört zu sein, aber zerrüttet ist sie keineswegs. Wer in dieser Ehe Mann und wer Frau ist, wollen wir mal dahingestellt sein lassen, vielleicht ist es auch eine eingetragene Partnerschaft. Jedenfalls soll das Land Brandenburg mal wissen, dass es anderswo auch noch attraktive Kerle oder Mädels gibt und dass man nicht gewillt ist Trübsal zu blasen. Nur ausziehen, das will man denn doch noch nicht.

Zu jedem halbwegs vernünftigen Ehekrach gehört natürlich der anteilnehmende Bekanntenkreis, mit nächtlichen Telefonaten, erst mit den Ehepartnern und dann Telefonaten unter den Bekannten, die die nächtlichen Telefonate mit den Ehepartnern wieder auswerten. Natürlich auch Parteinahmen, dass eigentlich Horst schuld hat, wenn der damals nicht…, oder eigentlich Bärbel schuld hat, weil die doch schon immer…

Im Falle der Geiger-Brandenburg-Ehe sind der Bekanntenkreis wir, die Journalisten. Es freut uns, dass wir helfen konnten und dass wir die Äußerungen der Partner brühwarm weiter verbreiten konnten. Wir haben auch wirklich gerne Anteil genommen.

Aber wie jeder Bekanntenkreis möchten wir nicht hingehalten werden. So ein paar Liaisons mit fremden Bundesländern fanden wir ja ganz amüsant, aber jetzt wollen wir nicht noch von fünf anderen Universitäten hören, an die das Geiger-Kolleg angeblich sofort ziehen könne. Auch Ehe-Zerrüttungsstorys können auf die Dauer langweilen. Also entweder kommt jetzt noch eine unerwartete Wendung im Ehedrama oder, bitte, bitte, die Auflösung.
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