Heidersberger 100
Eine Tankstelle, über der sich ein dunkler Himmel wölbt, ein Blick auf das Dach des Wolfsburger Kulturhauses, erbaut vom finnischen Architekten Alvar Aalto, die Jahrhunderthalle in Höchst, die sich in einer Pfütze spiegelt: Klassiker. Man kennt die Bilder und weiß nicht, von wem sie sind. Brillant, nüchtern, klar und sachlich, häufig surreal aufgeladen mit einem dunklen Himmel, photographierte Heinrich Heidersberger, der jetzt einen besonderen Geburtstag feierte: seinen einhundersten.
"Er sei ein Laie mit fachmännischem Ehrgeiz", hat Heinrich Heidersberger einmal über sich selbst gesagt. Seine erste Kamera kaufte er in den zwanziger Jahren auf einem Pariser Flohmarkt - seine letzte Aufnahme machte er von zwei Jahren, 98-jährig, mit einer Digitalkamera. Nun ist er hundert Jahre alt geworden, sitzt im Rollstuhl und wird als Zeuge des Jahrhunderts selbst immer wieder photographiert. Sprechen kann er nur noch selten.
Eine Tankstelle, über der sich ein dunkler Himmel wölbt, ein Blick auf das Dach des Wolfsburger Kulturhauses, erbaut vom finnischen Architekten Alvar Aalto, die Jahrhunderthalle in Höchst, die sich in einer Pfütze spiegelt: Klassiker. Man kennt die Bilder und weiß nicht, von wem sie sind. Brillant, nüchtern, klar und sachlich, häufig surreal aufgeladen mit einem dunklen Himmel. Und immer wieder mit einem versteckten Humor, wie Benjamin Heidersberger, einer der sechs Kinder des Photographen, erläutert.
"Ich glaube, dass es mein Vater tatsächlich geschafft hat, Blickweisen auf die Architektur zu entwickeln, die den Architekten auch sehr hilfreich waren und er deswegen auch sehr gefragt war mit seiner Architekturphotographie. Seine Bilder haben auch so einen gewissen Humor. Wenn man genau hinsieht, dann merkt man immer wieder so Kleinigkeiten, die einen schmunzeln lassen. Und ich glaube, dass das noch mal so eine Öffnung einer anderen Sichtweise auf die Architektur war."
Die Aufbruchstimmung der jungen Bundesrepublik hielt Heinrich Heidersberger in seinen dokumentarischen Aufnahmen fest. Eines seiner Themen: die industrielle Moderne. Und immer wieder Wolfsburg, wohin der Photograph Anfang der sechziger Jahre gezogen war. Die Stadtväter hatten ihn gelockt, suchten jemanden, der den technischen Aufbruch des Ortes ins Visuelle übersetzte. Heinrich Heidersberger, hier in einer älteren Aufnahme, ist bis heute in der Autostadt geblieben und hatte dort sein Atelier im Schloss der Stadt.
"Gerade in dieser Aktion, Wolfsburg interessant darzustellen, entstand auch Aufnahmen vom Volkswagenwerk, dafür ein paar interessante Perspektiven zu finden."
Begonnen hat alles ganz anders. Der in Linz geborene Heidersberger hatte sein Architekturstudium geschmissen und zog 1928 nach Paris. Er studierte Malerei bei Fernand Leger, trank mit Henry Miller und Ernest Hemmingway, lernte die künstlerische Avantgarde kennen. In Paris fand er zur Photographie, die fortan zu seinem Medium wurde.
Aufenthalte in Den Haag und Kopenhagen, dann Berlin, wo er als Bildjournalist tätig ist. Während des Krieges arbeitet Heidersberger als Industriephotograph im Braunschweiger Stahlwerk. Er sei während dieser Jahre in die "innere Emigration" gegangen, sagt er.
Heinrich Heidersberger ist auch ein Tüftler und Erfinder. Das zeigt sich in der Aktserie, die er 1949 für den "Stern" photographierte und die damals für Furore sorgte: "Kleid aus Licht". Im Wolfsburger Institut Heidersberger, geleitet von Bernd Rodrian, steht das Gerät, das Heidersberger damals für die Serie verwendete.
"Heinrich Heidersberger hat Aktaufnahmen gemacht, indem er mit einem Scheinwerfer verschiedene Muster auf den Körper projiziert hat, und dazu hat er selbst einen Scheinwerfer gebaut aus einem alten Kochtopf, aus Aluminium und einer kleinen Kondensorlinse hat er dieses Ding 1949 zusammengezimmert und hat auch verschiedene Bleche gemacht, die vorne in den Scheinwerfer eingelegt wurden. Und so hat er jede Dame einzeln angestrahlt und ihr ein Muster gegeben, die Damen hatten dann auch so Spitznamen wie das Zebra oder die Giraffe, je nach Muster, was auf die Damen projiziert wurde."
Und sie hat die Aufnahmen damals entwickelt: Erika Strotha machte damals bei Heidersbergers in Braunschweig eine Photolehre. Nun ist sie zu Heinrich Heidersbergers hundertstem Geburtstag ins Wolfsburger Schloss gekommen, wo sich die Weggefährten des Photographen noch einmal zusammengefunden haben.
"Also, die Art, wie er photographierte und die Art, wie er seine Art umsetzte, waren damals und sind es auch heute absolut künstlerisch. Sie sind vom Kunstverstand her aufgebaut. Auch die Bildkompositonen sind nicht einfach nur geknipst. Es sind gestaltete Bilder und sie sagen mehr aus als nur das Bauwerk."
Immer wieder widmet sich Heinrich Heidersberger neuen Themen, experimentiert mit Chemikalien und entwirft technische Geräte. Spektakulär war seine "Lichtkanone", der so genannte Rhythmograph.
"Der erste Versuch war so, dass ich die Kamera an einem Pendel befestigte und die Lichtquelle an einer zweiten."
Die Maschine zeichnet Lichtspuren mit dreidimensionaler Wirkung auf. Mit seiner Konstruktion entwarf Heidersberger übrigens auch das frühere Sendezeichen des Südwestfunks. Wie sehr sich der Photograph mit seinen Rhythmogrammen der abstrakten Kunst annähert, zeigen die Aufnahmen im Wolfsburger Kunstverein.
Heinrich Heidersberger - ein Ruheloser, ein "Lichtbildner", ein Brummbär mit Charme, der die Frauen liebte, ein großartiger Photograph und ein unbequemer Eigenbrödler, der sich um Schulen und künstlerische Richtungen einen Dreck scherte. Das macht, so Professor Rolf Sachsse von der Hochschule der Bildenden Künste Saar, die Rezeption schwierig, aber auch den Reiz des Photographen aus.
"Die Blütezeit Heidersbergers ist sehr genau zu begrenzen zwischen 1937 und 1961/62. Die ganz tollen Serien wie Kleid aus Licht, der Mensch, dieses surreale Bild im Industriebau, die Postkarte mit der Geburt von Benjamin, das ist alles 50er Jahre - das ist sicher die Zeit, wo Heidersberger am vitalsten photographiert hat. Historisch gesehen ist er ein Photograph der 50er Jahre, mit Anfängen in den 30er, mit einer Kontinuität durch die 40er und mit einem Auslaufen in den 60ern."
Eine Tankstelle, über der sich ein dunkler Himmel wölbt, ein Blick auf das Dach des Wolfsburger Kulturhauses, erbaut vom finnischen Architekten Alvar Aalto, die Jahrhunderthalle in Höchst, die sich in einer Pfütze spiegelt: Klassiker. Man kennt die Bilder und weiß nicht, von wem sie sind. Brillant, nüchtern, klar und sachlich, häufig surreal aufgeladen mit einem dunklen Himmel. Und immer wieder mit einem versteckten Humor, wie Benjamin Heidersberger, einer der sechs Kinder des Photographen, erläutert.
"Ich glaube, dass es mein Vater tatsächlich geschafft hat, Blickweisen auf die Architektur zu entwickeln, die den Architekten auch sehr hilfreich waren und er deswegen auch sehr gefragt war mit seiner Architekturphotographie. Seine Bilder haben auch so einen gewissen Humor. Wenn man genau hinsieht, dann merkt man immer wieder so Kleinigkeiten, die einen schmunzeln lassen. Und ich glaube, dass das noch mal so eine Öffnung einer anderen Sichtweise auf die Architektur war."
Die Aufbruchstimmung der jungen Bundesrepublik hielt Heinrich Heidersberger in seinen dokumentarischen Aufnahmen fest. Eines seiner Themen: die industrielle Moderne. Und immer wieder Wolfsburg, wohin der Photograph Anfang der sechziger Jahre gezogen war. Die Stadtväter hatten ihn gelockt, suchten jemanden, der den technischen Aufbruch des Ortes ins Visuelle übersetzte. Heinrich Heidersberger, hier in einer älteren Aufnahme, ist bis heute in der Autostadt geblieben und hatte dort sein Atelier im Schloss der Stadt.
"Gerade in dieser Aktion, Wolfsburg interessant darzustellen, entstand auch Aufnahmen vom Volkswagenwerk, dafür ein paar interessante Perspektiven zu finden."
Begonnen hat alles ganz anders. Der in Linz geborene Heidersberger hatte sein Architekturstudium geschmissen und zog 1928 nach Paris. Er studierte Malerei bei Fernand Leger, trank mit Henry Miller und Ernest Hemmingway, lernte die künstlerische Avantgarde kennen. In Paris fand er zur Photographie, die fortan zu seinem Medium wurde.
Aufenthalte in Den Haag und Kopenhagen, dann Berlin, wo er als Bildjournalist tätig ist. Während des Krieges arbeitet Heidersberger als Industriephotograph im Braunschweiger Stahlwerk. Er sei während dieser Jahre in die "innere Emigration" gegangen, sagt er.
Heinrich Heidersberger ist auch ein Tüftler und Erfinder. Das zeigt sich in der Aktserie, die er 1949 für den "Stern" photographierte und die damals für Furore sorgte: "Kleid aus Licht". Im Wolfsburger Institut Heidersberger, geleitet von Bernd Rodrian, steht das Gerät, das Heidersberger damals für die Serie verwendete.
"Heinrich Heidersberger hat Aktaufnahmen gemacht, indem er mit einem Scheinwerfer verschiedene Muster auf den Körper projiziert hat, und dazu hat er selbst einen Scheinwerfer gebaut aus einem alten Kochtopf, aus Aluminium und einer kleinen Kondensorlinse hat er dieses Ding 1949 zusammengezimmert und hat auch verschiedene Bleche gemacht, die vorne in den Scheinwerfer eingelegt wurden. Und so hat er jede Dame einzeln angestrahlt und ihr ein Muster gegeben, die Damen hatten dann auch so Spitznamen wie das Zebra oder die Giraffe, je nach Muster, was auf die Damen projiziert wurde."
Und sie hat die Aufnahmen damals entwickelt: Erika Strotha machte damals bei Heidersbergers in Braunschweig eine Photolehre. Nun ist sie zu Heinrich Heidersbergers hundertstem Geburtstag ins Wolfsburger Schloss gekommen, wo sich die Weggefährten des Photographen noch einmal zusammengefunden haben.
"Also, die Art, wie er photographierte und die Art, wie er seine Art umsetzte, waren damals und sind es auch heute absolut künstlerisch. Sie sind vom Kunstverstand her aufgebaut. Auch die Bildkompositonen sind nicht einfach nur geknipst. Es sind gestaltete Bilder und sie sagen mehr aus als nur das Bauwerk."
Immer wieder widmet sich Heinrich Heidersberger neuen Themen, experimentiert mit Chemikalien und entwirft technische Geräte. Spektakulär war seine "Lichtkanone", der so genannte Rhythmograph.
"Der erste Versuch war so, dass ich die Kamera an einem Pendel befestigte und die Lichtquelle an einer zweiten."
Die Maschine zeichnet Lichtspuren mit dreidimensionaler Wirkung auf. Mit seiner Konstruktion entwarf Heidersberger übrigens auch das frühere Sendezeichen des Südwestfunks. Wie sehr sich der Photograph mit seinen Rhythmogrammen der abstrakten Kunst annähert, zeigen die Aufnahmen im Wolfsburger Kunstverein.
Heinrich Heidersberger - ein Ruheloser, ein "Lichtbildner", ein Brummbär mit Charme, der die Frauen liebte, ein großartiger Photograph und ein unbequemer Eigenbrödler, der sich um Schulen und künstlerische Richtungen einen Dreck scherte. Das macht, so Professor Rolf Sachsse von der Hochschule der Bildenden Künste Saar, die Rezeption schwierig, aber auch den Reiz des Photographen aus.
"Die Blütezeit Heidersbergers ist sehr genau zu begrenzen zwischen 1937 und 1961/62. Die ganz tollen Serien wie Kleid aus Licht, der Mensch, dieses surreale Bild im Industriebau, die Postkarte mit der Geburt von Benjamin, das ist alles 50er Jahre - das ist sicher die Zeit, wo Heidersberger am vitalsten photographiert hat. Historisch gesehen ist er ein Photograph der 50er Jahre, mit Anfängen in den 30er, mit einer Kontinuität durch die 40er und mit einem Auslaufen in den 60ern."