Heidelberger Frühling 2017

Das Lied in der Kneipe

Eine Frau mit hellrot geschminkten Lippen und streng frisierten Haaren blickt in die Kamera. Sie trägt ein schulterfreies schwarzes Kleid.
Die Sopranistin Annette Dasch. © Daniel Pasche
13.04.2017
Neuland Lied heißt ein Schwerpunkt des Heidelberger Frühlings - hier begeben sich Annette Dasch, Isabelle Druet, das Fauré-Quartett, das Quatuor Giardini und "the erlkings" auf unbekanntes Vokalterrain mit durchaus bekanntem Repertoire.
Das Kunstlied hat vor allem in seiner klavierbegleiteten Form den Ruf einer tief bürgerlichen, kreuzbraven Musikgattung. Heidelbergs Frühlingsfestival unternimmt zum zweiten Mal einen Anlauf, das Gegenteil zu beweisen.
Kaum etwas ist wie gewohnt am vorösterlichen Heidelberger Liedwochenende. Auf den drei Konzertpodien stehen keine einsamen Flügel, um die herum sich ein innig vertrautes Interpretenduo aufbaut – und es gibt auch nur wenige jener intim-lyrischen Meditationen, in denen sich für viele Hörer immer noch das Wesen des Kunstliedes kristallisiert.
Bei den "Erlkings" zum Beispiel dürfen Schuberts Lieder, ins Englische übersetzt, auch mal von Tuba und Schlagzeug begleitet werden. Die verwegene Quartettformation startet genialische Frontalangriffe auf die bildungsbürgerliche Erstarrung von Kompositionen, die nie so gedacht waren, und holt sie wieder dorthin zurück, wo sie einmal herkamen: in den privaten Raum oder die Kneipe.
Annette Dasch und Isabelle Druet wiederum lassen ihre Gesangskunst von Quartetten umranken, bei denen zum klassischen Klavier noch jeweils drei Streicher kommen. Bei den Werken Richard Wagners und Gustav Mahlers im Programm der Sopranistin Annette Dasch liegt das nahe, weil beide Komponisten ihre Zyklen ohnehin parallel für Klavier oder Orchester erdachten und in die Welt setzten. Doch auch die französische Variante mit der Mezzosopranistin Isabell Druet, wechselnd zwischen Liedern, Operettennummern und Kammermusik, gewinnt auf diese Weise neue Hörperspektiven.
Beide Programme, zeitlich vorwiegend im "Fin de Siècle" angesiedelt, spiegeln die zunehmende Lebensunsicherheit einer Zeit, die ihre jahrhundertelang verbindlichen geistigen Werte verlor und schließlich in der Katastrophe des Ersten Weltkriegs endete. Isabelle Druet und das Quatuor Giardini haben ihre Konzert entsprechend unter vier inhaltliche Hauptaspekte gestellt: "Der Abschied", "An der Front", "Der Tod" und "Im Paradies".
Heidelberger Frühling - Neuland Lied
Stadthalle Heidelberg
Aufzeichnung vom 8. April 2017
Gustav Mahler
Lieder
Richard Wagner
Fünf Lieder nach Gedichten von Mathilde von Wesendonck

Annette Dasch, Sopran
Fauré Quartett:
Dirk Mommertz, Klavier
Erika Geldsetzer, Violine
Sascha Frömbling, Viola
Konstantin Heidrich, Violoncello

Alte Aula der Universität Heidelberg
Aufzeichnung vom 7. April 2017
Lieder von Jacques Offenbach, Gabriel Fauré, Cécile Chaminade, Henri Duparc u.a.

Isabelle Druet, Mezzosopran
Quatuor Giardini:
David Violi, Klavier
Pascal Monlong, Violine
Caroline Donin, Viola
Pauline Buet, Violoncello

Kulturbrauerei Heidelberg
Aufzeichnung vom 7. April 2017
"brotzeitkonzert" mit Liedern von Franz Schubert

the erlkings:
Bryan Benner, Gesang und Gitarre
Ivan Turkalj, Violoncello
Gabriel Hopfmüller, Tuba
Thomas Toppler, Schlagzeug