Heidelberger Bürgermeister: Kinderbetreuung muss Schwerpunktthema für Kommunen werden
Der Bürgermeister für Familie, Soziales und Kultur in Heidelberg, Joachim Gerner (SPD), fordert die Kommunen auf, den Ausbau der Kinderbetreuung zum Schwerpunktthema zu machen. Heidelberg sei bei beim Ausbau der Kitaplätze bereits sehr weit.
Gabi Wuttke: Noch ein halbes Jahr, dann haben alle Eltern einen rechtlichen Anspruch auf die Betreuung ihrer kleinen Kinder. Doch auf der Zielgeraden fehlen weiter hunderttausende Plätze für die unter Dreijährigen. Die Landkreise beraten heute weiter, ob und wie der Rückstand aufgeholt werden kann, über den sich Bundesfamilienministerin Schröder so ärgert - auch weil die Länder ihre Kommunen zum Kostenträger gemacht haben, aber die pfeifen meist schon auf dem letzten Loch.
Bemerkenswert: Das klamme Sachsen-Anhalt erfüllt die Quote zu fast 60 Prozent, die westdeutschen Bundesländer im Schnitt nicht mal 20. Eine Ausnahme ist Heidelberg - was läuft dort besser? Am Telefon ist Bürgermeister Joachim Gerner von der SPD, einen schönen guten Morgen!
Joachim Gerner: Guten Morgen!
Wuttke: Kann Heidelberg sich irgendetwas nicht leisten, weil es den Anspruch auf Kinderbetreuung ernst nimmt?
Gerner: Natürlich gilt für Heidelberg auch das große Prinzip der Haushaltskonsolidierung und der Sparsamkeit, aber wir sind in einer recht guten Ausgangssituation. Nein, wir haben gerade eben erst für über 60 Millionen ein Theater saniert und neu gebaut, und wir können uns die Kinderbetreuung auch leisten. Insofern sind wir da doch ganz gut aufgestellt.
Wuttke: Dass Ihre Stadt sich im reichen Baden-Württemberg befindet, ist also ein hauptsächlicher Grund, warum Sie einen Spitzenwert von fast 50 Prozent erreichen.
Gerner: Ja ... Nein, sicher spielt die materielle Seite eine gewisse Rolle, aber es ist natürlich in Heidelberg schon sehr, sehr früh mit dem Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf ernst gemacht worden. Es war ja schon unsere Oberbürgermeisterin Beate Weber, die da schon in den 90er-Jahren dieses Thema für sich zur Chefsache gemacht hatte, und auf diese Grundlage konnte man aufbauen, und in den letzten acht Jahren ist es sogar noch verstärkt worden und, was auch noch hinzukommt, dass dieses Thema als wichtiger Standortfaktor auch in der Politik über alle Fraktionen hinweg Konsens hat, sodass das nie kontrovers diskutiert wurde.
Wuttke: Das heißt, Sie haben zum einen Eltern, die sich auch etwas teurere Kinderbetreuungsplätze leisten können, und zum anderen haben Sie Menschen, die überhaupt Arbeit haben?
Gerner: Wir haben eine sehr differenzierte Situation in Heidelberg. Wir haben beispielsweise für bedürftige Eltern das letzte und vorletzte Kindergartenjahr frei, und zwar nicht nur den Regelbetrieb, sondern das modulare System, die kompletten zehn Stunden, die wir anbieten, sind dann frei.
Wir arbeiten auch sehr, sehr viel mit freien Trägern zusammen, kirchliche oder sonstige freie Träger. Gemeinsam haben wir Gebührensysteme angeglichen und haben da eben ein sozialverträgliches System eingerichtet. Und wer mehr verdient und Doppelverdiener beispielsweise ist und sich etwas mehr leisten kann, der beteiligt sich auch etwas stärker dann an den Kosten von der Elternseite her.
Wuttke: Was genau ist die örtliche Vereinbarung, die bei Ihnen gilt?
Gerner: Die örtliche Vereinbarung im Unterschied zu einer Abmangelfinanzierung, also dass jede Einrichtung, jeder Träger jedes Jahr eine Abrechnung vorlegen muss, die dann sehr vom Amt akribisch analysiert und ausgewertet werden muss, haben wir mit den freien Trägern zusammen, die Stadt, eine Muster-Kita definiert, Standards definiert für diese Muster-Kita, und das ist ein sehr transparentes System. Damit kann jeder Träger, wenn er sich engagiert, genau ausrechnen, was er an kommunalen Zuschüssen im laufenden Betrieb bekommen kann, und wir schreiben diese örtliche Vereinbarung, diese Muster-Kita, auch regelmäßig gemeinsam fort, da gibt es eine Lenkungsgruppe, die diese Aufgabe hat.
So haben wir jetzt ganz aktuell in diesem Jahr beispielsweise zusätzliche Zuschussmöglichkeiten eingebaut, wenn sich ein Träger besonders dem Thema Inklusion annimmt, also behinderte, nicht behinderte Kinder gemeinsam betreut und erzieht und bildet, das gab es vorher auch nicht. Oder wenn es um eine Neumöblierung geht, da entsprechende Zuschüsse reinzunehmen, das sind alles Ergebnisse dieser gemeinsamen Gespräche.
Wuttke: Welchen Vorteil hat das denn, dass Sie einzelne Betreuungsplätze bezuschussen und nicht, wie anderswo üblich, den Zuschuss vom Betriebsergebnis abhängig machen?
Gerner: Der Vorteil ist, dass unsere Partner Planungssicherheit haben und Spielraum haben, weil die Plätze ja nach und nach auch besetzt werden, die neugeschaffen werden und uns nicht hinterher spitz abgerechnet werden. Der bürokratische Aufwand ist einfach viel, viel geringer, wenn man das über das Modell einer gemeinsam definierten Muster-Kita mit ihren entsprechenden Standards dann abwickelt.
Wuttke: Aber freie Träger kriegen nur dann mehr Geld von der Stadt, wenn sie ihre Erzieher schlechter bezahlen als Heidelberg das tut.
Gerner: Nein, nein, das ist - erstens, es gibt auch tarifliche Grundlagen, dann ist das eine, und da gibt es keine Unterschiede. Natürlich, es geht auch gar nicht, weil wir in der Erzieherseite natürlich auch die Qualität brauchen, und Qualität hat zu Recht auch ihren Preis, und insofern kann man da nicht mit Niedriglohnbereich arbeiten.
Es ist ein großes Thema, ganz grundsätzlich auch, wenn entsprechend bezahlt wird, bin ich der Meinung, dass von der Aufgabenstellung her ganz grundsätzlich Erzieherinnen und Erzieher in diesem Land, nicht nur in Heidelberg, nicht nur in Baden-Württemberg, adäquater bezahlt werden müssen. Aber das ist eine gesamtstaatliche Aufgabe, dieses anzugleichen.
Wuttke: Ja, ein bundesweites Problem ist es ja auch, dass Erzieher nicht mehr gefunden werden. Sagen Sie mir jetzt nur nicht, Heidelberg hat auch da kein Problem.
Gerner: Natürlich ist der Markt eng, aber es ist natürlich ein Thema, wenn beispielsweise Ausbildungsstätten in der Stadt sind, oder absolut in der Nähe sind, dann tut man sich natürlich leichter, Absolventen hier in der Region, in der Stadt zu halten. Es ist natürlich ganz anders, wenn man auf dem flachen Land draußen ist. Natürlich ist auch die Region und die Stadt Heidelberg attraktiv, und man bleibt auch gerne da, deshalb ist es für uns in der Stadt noch nicht so gravierend, wie es auf dem flachen Land ist, aber wir sehen das Thema natürlich auch, vor allem, wenn ... ich gehe davon aus, dass wir letztendlich zu einer Betreuungsquote von 50 bis 60 Prozent in einer Universitätsstadt wie Heidelberg kommen müssen, um Familie und Beruf vereinbaren zu können.
Aber die Quote spielt ja eh keine Rolle mehr, denn es gibt ja ab elften August 2013 einen Rechtsanspruch, und den muss man erfüllen. Jeder Einzelne – die Eltern haben einen Rechtsanspruch, und da spielt die Quote eigentlich keine Rolle mehr, aber ich denke, es wird sich in der Dimension letztlich einpendeln in einer Stadt wie Heidelberg. Auf dem Lande ist das sicherlich ein bisschen anders zu sehen.
Wuttke: Aber um diesen Rechtsanspruch geltend machen zu können, braucht es eben die Vorhaltung von Plätzen. Was also raten Sie aus Ihrer Position den Kommunen, die immer noch sehr hinterher sind?
Gerner: Ja, zum einen sicherlich eine interkommunale Zusammenarbeit und Ausgleich, zum anderen auch das, was der Städte- und Gemeindetag ja auf den Weg gebracht hat, die Frage an die Eltern, kann man mit Platz-Sharing etwas machen, um mit dem Tropfen ein kleines bisschen den heißen Stein abzukühlen. Aber grundlegend bleibt einfach dieses zum Schwerpunktthema zu machen und mit Hochdruck weiter die Plätze auszubauen, da führt kein Weg dran vorbei.
Wuttke: Nachhaltigkeit ist also gefragt, das rät letztlich auch der Bürgermeister von Heidelberg, Joachim Gerner. Seine Stadt belegt bei der Kinderbetreuung einen Spitzenplatz in Westdeutschland. Ich danke Ihnen sehr und wünsche Ihnen einen schönen Tag!
Gerner: Ihnen auch, Wiederhören!
Wuttke: Wiederhören!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Bemerkenswert: Das klamme Sachsen-Anhalt erfüllt die Quote zu fast 60 Prozent, die westdeutschen Bundesländer im Schnitt nicht mal 20. Eine Ausnahme ist Heidelberg - was läuft dort besser? Am Telefon ist Bürgermeister Joachim Gerner von der SPD, einen schönen guten Morgen!
Joachim Gerner: Guten Morgen!
Wuttke: Kann Heidelberg sich irgendetwas nicht leisten, weil es den Anspruch auf Kinderbetreuung ernst nimmt?
Gerner: Natürlich gilt für Heidelberg auch das große Prinzip der Haushaltskonsolidierung und der Sparsamkeit, aber wir sind in einer recht guten Ausgangssituation. Nein, wir haben gerade eben erst für über 60 Millionen ein Theater saniert und neu gebaut, und wir können uns die Kinderbetreuung auch leisten. Insofern sind wir da doch ganz gut aufgestellt.
Wuttke: Dass Ihre Stadt sich im reichen Baden-Württemberg befindet, ist also ein hauptsächlicher Grund, warum Sie einen Spitzenwert von fast 50 Prozent erreichen.
Gerner: Ja ... Nein, sicher spielt die materielle Seite eine gewisse Rolle, aber es ist natürlich in Heidelberg schon sehr, sehr früh mit dem Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf ernst gemacht worden. Es war ja schon unsere Oberbürgermeisterin Beate Weber, die da schon in den 90er-Jahren dieses Thema für sich zur Chefsache gemacht hatte, und auf diese Grundlage konnte man aufbauen, und in den letzten acht Jahren ist es sogar noch verstärkt worden und, was auch noch hinzukommt, dass dieses Thema als wichtiger Standortfaktor auch in der Politik über alle Fraktionen hinweg Konsens hat, sodass das nie kontrovers diskutiert wurde.
Wuttke: Das heißt, Sie haben zum einen Eltern, die sich auch etwas teurere Kinderbetreuungsplätze leisten können, und zum anderen haben Sie Menschen, die überhaupt Arbeit haben?
Gerner: Wir haben eine sehr differenzierte Situation in Heidelberg. Wir haben beispielsweise für bedürftige Eltern das letzte und vorletzte Kindergartenjahr frei, und zwar nicht nur den Regelbetrieb, sondern das modulare System, die kompletten zehn Stunden, die wir anbieten, sind dann frei.
Wir arbeiten auch sehr, sehr viel mit freien Trägern zusammen, kirchliche oder sonstige freie Träger. Gemeinsam haben wir Gebührensysteme angeglichen und haben da eben ein sozialverträgliches System eingerichtet. Und wer mehr verdient und Doppelverdiener beispielsweise ist und sich etwas mehr leisten kann, der beteiligt sich auch etwas stärker dann an den Kosten von der Elternseite her.
Wuttke: Was genau ist die örtliche Vereinbarung, die bei Ihnen gilt?
Gerner: Die örtliche Vereinbarung im Unterschied zu einer Abmangelfinanzierung, also dass jede Einrichtung, jeder Träger jedes Jahr eine Abrechnung vorlegen muss, die dann sehr vom Amt akribisch analysiert und ausgewertet werden muss, haben wir mit den freien Trägern zusammen, die Stadt, eine Muster-Kita definiert, Standards definiert für diese Muster-Kita, und das ist ein sehr transparentes System. Damit kann jeder Träger, wenn er sich engagiert, genau ausrechnen, was er an kommunalen Zuschüssen im laufenden Betrieb bekommen kann, und wir schreiben diese örtliche Vereinbarung, diese Muster-Kita, auch regelmäßig gemeinsam fort, da gibt es eine Lenkungsgruppe, die diese Aufgabe hat.
So haben wir jetzt ganz aktuell in diesem Jahr beispielsweise zusätzliche Zuschussmöglichkeiten eingebaut, wenn sich ein Träger besonders dem Thema Inklusion annimmt, also behinderte, nicht behinderte Kinder gemeinsam betreut und erzieht und bildet, das gab es vorher auch nicht. Oder wenn es um eine Neumöblierung geht, da entsprechende Zuschüsse reinzunehmen, das sind alles Ergebnisse dieser gemeinsamen Gespräche.
Wuttke: Welchen Vorteil hat das denn, dass Sie einzelne Betreuungsplätze bezuschussen und nicht, wie anderswo üblich, den Zuschuss vom Betriebsergebnis abhängig machen?
Gerner: Der Vorteil ist, dass unsere Partner Planungssicherheit haben und Spielraum haben, weil die Plätze ja nach und nach auch besetzt werden, die neugeschaffen werden und uns nicht hinterher spitz abgerechnet werden. Der bürokratische Aufwand ist einfach viel, viel geringer, wenn man das über das Modell einer gemeinsam definierten Muster-Kita mit ihren entsprechenden Standards dann abwickelt.
Wuttke: Aber freie Träger kriegen nur dann mehr Geld von der Stadt, wenn sie ihre Erzieher schlechter bezahlen als Heidelberg das tut.
Gerner: Nein, nein, das ist - erstens, es gibt auch tarifliche Grundlagen, dann ist das eine, und da gibt es keine Unterschiede. Natürlich, es geht auch gar nicht, weil wir in der Erzieherseite natürlich auch die Qualität brauchen, und Qualität hat zu Recht auch ihren Preis, und insofern kann man da nicht mit Niedriglohnbereich arbeiten.
Es ist ein großes Thema, ganz grundsätzlich auch, wenn entsprechend bezahlt wird, bin ich der Meinung, dass von der Aufgabenstellung her ganz grundsätzlich Erzieherinnen und Erzieher in diesem Land, nicht nur in Heidelberg, nicht nur in Baden-Württemberg, adäquater bezahlt werden müssen. Aber das ist eine gesamtstaatliche Aufgabe, dieses anzugleichen.
Wuttke: Ja, ein bundesweites Problem ist es ja auch, dass Erzieher nicht mehr gefunden werden. Sagen Sie mir jetzt nur nicht, Heidelberg hat auch da kein Problem.
Gerner: Natürlich ist der Markt eng, aber es ist natürlich ein Thema, wenn beispielsweise Ausbildungsstätten in der Stadt sind, oder absolut in der Nähe sind, dann tut man sich natürlich leichter, Absolventen hier in der Region, in der Stadt zu halten. Es ist natürlich ganz anders, wenn man auf dem flachen Land draußen ist. Natürlich ist auch die Region und die Stadt Heidelberg attraktiv, und man bleibt auch gerne da, deshalb ist es für uns in der Stadt noch nicht so gravierend, wie es auf dem flachen Land ist, aber wir sehen das Thema natürlich auch, vor allem, wenn ... ich gehe davon aus, dass wir letztendlich zu einer Betreuungsquote von 50 bis 60 Prozent in einer Universitätsstadt wie Heidelberg kommen müssen, um Familie und Beruf vereinbaren zu können.
Aber die Quote spielt ja eh keine Rolle mehr, denn es gibt ja ab elften August 2013 einen Rechtsanspruch, und den muss man erfüllen. Jeder Einzelne – die Eltern haben einen Rechtsanspruch, und da spielt die Quote eigentlich keine Rolle mehr, aber ich denke, es wird sich in der Dimension letztlich einpendeln in einer Stadt wie Heidelberg. Auf dem Lande ist das sicherlich ein bisschen anders zu sehen.
Wuttke: Aber um diesen Rechtsanspruch geltend machen zu können, braucht es eben die Vorhaltung von Plätzen. Was also raten Sie aus Ihrer Position den Kommunen, die immer noch sehr hinterher sind?
Gerner: Ja, zum einen sicherlich eine interkommunale Zusammenarbeit und Ausgleich, zum anderen auch das, was der Städte- und Gemeindetag ja auf den Weg gebracht hat, die Frage an die Eltern, kann man mit Platz-Sharing etwas machen, um mit dem Tropfen ein kleines bisschen den heißen Stein abzukühlen. Aber grundlegend bleibt einfach dieses zum Schwerpunktthema zu machen und mit Hochdruck weiter die Plätze auszubauen, da führt kein Weg dran vorbei.
Wuttke: Nachhaltigkeit ist also gefragt, das rät letztlich auch der Bürgermeister von Heidelberg, Joachim Gerner. Seine Stadt belegt bei der Kinderbetreuung einen Spitzenplatz in Westdeutschland. Ich danke Ihnen sehr und wünsche Ihnen einen schönen Tag!
Gerner: Ihnen auch, Wiederhören!
Wuttke: Wiederhören!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.