Heck: Bei 20 Millionen Zuschauern hatten wir eine Krisensitzung

Dieter Thomas Heck im Gespräch mit Ulrike Timm · 16.01.2009
Der Fernsehmoderator Dieter Thomas Heck hat an die Grundidee dieser Sendung erinnert. "Wir haben genau das Gegenteil von dem gemacht, was so rundherum gemacht wurde", sagte Heck.
Ulrike Timm: Die ZDF-Hitparade, vor 40 Jahren lief zum ersten Mal, moderiert von Dieter Thomas Heck, und der ist jetzt am Telefon. Schönen guten Tag!

Dieter Thomas Heck: Ja, und sagt guten Morgen und herzlich willkommen, meine Damen, meine Herren, liebe Hörerinnen und Hörer vom Deutschlandradio. Willkommen aus Spanien, da bin ich zurzeit, und nachdem ich eben gerade den Wetterbericht bei euch gehört habe, kann ich nur sagen: Hier ist es wärmer und vor allen Dingen sonniger.

Timm: Ich merke, Sie können meinen Job bis zwölf problemlos übernehmen, Dieter Thomas Heck. Was war das eigentlich für ein Lebensgefühl damals? Es war ja eigentliche eine schräge Sache Ende der 60er: Studentenunruhen, Rolling Stones, die Beatles, und dann platzten Sie da rein mit deutschen Schlagern. Eigentlich war das sehr komisch? Sie hatten aber Erfolg.

Heck: Ja, das war komisch, aber es war vor allen Dingen eine Idee, das ist der ganz entscheidende Punkt. Wir haben genau das Gegenteil von dem gemacht, was so rundherum gemacht wurde. Und ich werde nie vergessen, ich kam damals von RTL, aus dem kleinen, schönen Herzogtum, und ging nach Saarbrücken zur Europawelle Saar des Saarländischen Rundfunks, und überlegte, was machst du anders. Es gab damals eine ganz erfolgreiche Sendung dort von Manfred Sexauer, die hieß "Hallo Twen". Also habe ich gesagt, ich muss was ganz anderes machen, und habe unserem damaligen Unterhaltungschef in Saarbrücken gesagt: Lieber Dr. S., was halten Sie von einer deutschen Schlagerparade? Daraufhin sagte er: Mein lieber Heck, was meinen Sie denn damit? Da habe ich gesagt, das kann ich Ihnen sagen, ich sagte es ja schon: nur deutsch. Nur deutsch. Also keine Beatles, keine Stones, keine Beach Boys, alles das nicht, sondern nur deutsch gesungen. Da können internationale Sänger dabei sein, ein Howard Carpendale oder Mireille Mathieu. Wenn sie deutsch singen, sind sie da drin.

Timm: Und da sagte er nicht, oh Gott, sondern machte es, und Sie machten das auch mit Zuschauerbeteiligung.

Heck: Nein, der hat also sehr klug geschaltet und hat gesagt, das sollte man ausprobieren. Und das haben wir gemacht. Und nach vier Wochen war es die meistgehörte Sendung. Und dann kam der Truck Branss, der Regisseur, der ebenfalls in Saarbrücken war, und sagte: Was Sie da machen, das ist eine tolle Idee, das müsste man fernsehmäßig machen. Und dann ist das über Dr. Heinz Oepen, das war der Unterhaltungschef, der hat gesagt, das machen wir, und zwar mit dem Typen da. Und ich muss ehrlich sagen, das rechne ich ihm hoch an, denn ich sah damals mit meinem Krankenkassengestell mit der Brille nun ganz sicher nicht so aus wie ein Beau und wie ein Showmaster. Ich sehe ja heute mit, wie alt bin ich jetzt, 60, glaube ich, ja.

Timm: Wir sagen es nicht.

Heck: Nein, wir sagen es nicht, wir behalten es für uns, Timmy. In jedem Fall, ich habe manchmal gesagt, ich sehe heute besser aus als damals. Aber lange Rede, kurzer Sinn, es wurde, wie man weiß, ein Riesenerfolg. Sie haben vorhin die Zahl genannt, bis zu 27 Millionen Zuschauern. Natürlich kann man sagen, und das wird ein Kritiker immer sagen, es gab ja auch nur drei Programme. Aber es gab auch Sendungen, die hatten nur fünf Millionen Zuschauer, und wir hatten 27. Und bei 20 Millionen, liebe Ulrike Timm, da haben wir eine Krisensitzung gemacht und haben gesagt, irgendwas machen wir falsch.

Timm: Vor allen Dingen konnten die Zuschauer ja mitmachen. Mit der Postkartenabstimmung machten sie die Stars zumindest ein bisschen selber, Dieter Thomas Heck. An welche Stars erinnern Sie sich besonders gerne und an welche vielleicht auch weniger, weil die vielleicht auch ein bisschen genervt haben?

Heck: Ach Gott, da waren immer welche dabei, die Nerver, aber man darf nicht, wenn man da jetzt quasi als Trainer auf der Bank sitzt, jetzt mit jedem Einzelnen sagen, den mag ich, den mag ich nicht. Das wäre auch ganz unfair gewesen. Ich habe nie – und ich glaube, das kann man mir nie nachsagen –, ich habe nie bei Menschen, die ich lieber mochte, was logisch ist, dass der eine einem mehr liegt als der andere, habe da eine bessere oder eine andere Ansage gemacht, sondern ich habe versucht, jedem eigentlich die gleiche Basis zu geben für einen Erfolg, für einen Hit, also eine Ansage in gleicher Richtung, natürlich mit anderen Worten. Aber es war nie so, dass man sagte, oh, den mag er besonders und den mag er überhaupt nicht.

Timm: Er bleibt Gentleman. Dieter Thomas Heck im Gespräch mit dem "Radiofeuilleton" von Deutschlandradio Kultur über den Start der Hitparade, der ZDF-Hitparade vor 40 Jahren. Dieter Thomas Heck, in den 80ern, Sie haben bis 84 die Sendung gemacht, da gab des dann, ich sag mal, die Schlager der großen Verknappung. Da hieß ein Lied dann "Da, Da, Da", die neue deutsche Welle. War das eine Herausforderung für die Hitparade, oder haben ja solche aus dem Rahmen fallenden Schlager Sie sogar weitergebracht?

Heck: Nein, ich muss Ihnen eines sagen, ich habe immer gesagt, das ist doch toll, ich will immer deutsche Schlager haben, weil ich sage, wo leben wir denn eigentlich. Wir leben in Deutschland, und der größte Prozentsatz versteht wirklich nur die deutsche Sprache, und da macht man so gut wie gar nichts, heute schon wieder. Aber damals habe ich gesagt, nun kommt noch eine deutsche Welle, na, was will ich denn noch mehr? Und "Da, Da, Da", das war wirklich, das war nicht Dadaismus, das war wirklich etwas, wo du gesagt hast, das fällt aus dem üblichen Rahmen raus. Und die drei, die einen furchtbaren Schiss hatten – der damalige Klaus Voormann, der Produzent von den Jungs, im Flugzeug, da traf ich ihn, sagte: Sag mal, gut, dass wir uns vorher treffen, die Jungens haben einen solchen Schiss vor dir. Ich sagte: Wieso das denn? Ja, die haben gesagt, der mit der Krawatte immer, der geht uns auf den Keks, und was macht denn der mit uns? Und da bin ich gleich hin und habe gesagt: Kralle, Stephan, Peter, schön, euch kennenzulernen, ich bin der Dieter. Und von dem Augenblick an lief das fabelhaft, und es war ein richtig gutes Verhältnis mit den Jungs. Aber es gab auch eine ganze Menge andere Gruppen, Hubert K. zum Beispiel, so mit "Rosemarie", das war ein Schlager in einer anderen Form. Aber sie waren gut gemacht.

Timm: Zur Wahrheit dazu gehört, dass man die Hitparade um 2000 eingestellt hat, weil sie 80 Prozent ihrer Zuschauer verloren hatte und der Schlager als verstaubt galt.

Heck: Ja, da war ich auch nicht mehr da.

Timm: Aber heute gibt es noch ganz viele, die das im Erwachsenenalter nie zugeben würden, dass sie sämtliche "Hossa-Hossa"-Schlager zumindest mitschmettern können, auch wenn sie vielleicht gar nicht mehr wissen, wer sie sang. Und bei den ganz jungen Teenagern kommt das sogar wieder, die "Hossa-Hossa"-Partys mit den "Spuren im Sand". Ist der Schlager unkaputtbar?

Heck: Der ist sicherlich unkaputtbar. Und es gibt kein Land auf der Erde, liebe Ulrike, das solange über ein so unwichtiges Thema diskutiert, wie der Schlager es ist. Das ist eine Sache, die habe ich heute auf den Lippen und pfeife sie vor mich hin, was ja auch nichts Schlimmes ist, um Gottes Willen. Wir versuchen nur immer, irgendwas reinzuinterpretieren, was gar nicht da ist. Ob ich nun "Hossa" mitsinge oder ob der Mond scheint, ist eigentlich völlig wurscht.

Timm: Zum Jubiläum gibt es jetzt, habe ich mir sagen lassen, eine Art Karaoke-CD. Man kann die großen Hits zu Hause vor dem Computer nachsingen. Dieter Thomas Heck, machen Sie das manchmal?

Heck: Ich habe das mit meiner Frau gemacht. Das ist so komisch. Sie haben zwei Mikrofone da dran an dieser SingStar-CD, da sind 30 Titel drauf, alles, die ganz großen Nummern. Du siehst die Interpreten, du hörst die Interpreten und du siehst den Text unten durchlaufen. Und dann kommen Bemerkungen: Ton nicht getroffen, leicht daneben …

Timm: Und wie gut sind Sie?

Heck: Oder es kommt auch: Aufhören!

Timm: Und wie gut sind Sie? Dann wertet diese CD ja auch?

Heck: Ulrike, toll natürlich. Wie könnte es anders sein.

Timm: Ich hatte nichts anderes erwartet. Dieter Thomas Heck, die Hitparade, die spiegelt ja auch die Moden von 30 Jahren, die blau-rosa Paillettenhemden, die Plateauschuhe, die einen 30 Zentimeter größer machten.

Heck: Die brauchte ich nicht.

Timm: Egal ob musikalisch oder kleidungstechnisch, welchen Moden aus 30 Jahren Hitparade möchten Sie nie, nie, nie, nie, nie wieder begegnen?

Heck: Also diese Plateauschuhe habe ich ja nie tragen müssen, weil ich ja relativ groß bin mit 1,84, die habe ich nie gehabt, das waren ja meistens die Kleinen, die so was trugen. Ja, Gott, diese Schals waren immer sehr komisch, so dieser Imagelappen, wie ich sie dann immer genannt habe. Da hatten ja einige Interpreten immer ständig solche Schals um, die dann so bis zur Hosennaht gingen, das fand ich ein bisschen albern. Aber das haben die Menschen nachgemacht zu Hause. Die Sendung hat Schlager gemacht, und die Schlager haben Mode gemacht, und die Mode hat die Sendung auch noch beeinflusst.

Timm: Und ein großer Fan war der Filmregisseur Rainer Werner Fassbinder, wenn ich das richtig weiß. Erwartet man nicht so unbedingt.

Heck: Nee, erwartet man nicht. Aber der Fassbinder sprach mich mal in einer Sendung an und sagte: Mensch, ich muss Ihnen mal guten Tag sagen. Wissen Sie was? Meine Schauspieler müssen jedes Mal die Sendung kieken. Das ist so professionell gemacht, das kann gar nicht wahr sein. Ich muss Sie mal in eine Sendung bei mir, das heißt in einen Film bei mir packen, das müssen wir mal in irgendeiner Form persiflieren. Und dann habe ich ihn leider nicht mehr wiedergetroffen, weil der liebe Gott ihn treffen wollte.

Timm: Dieter Thomas Heck, berühmt, berüchtigt war Ihr Abspann: alle Sänger und Mitarbeiter in 20 Schnellsprechsekunden. Könnten Sie das noch?

Heck: Ja, habe ich gerade neulich mal wieder gemacht, und das geht. Man muss den Zettel einmal vorher durchlesen, also einfach hinlegen und sagen, nun mach mal, das geht auch, aber dann kommen natürlich kleine Stotterer da rein.

Timm: Ich gebe Ihnen zehn Sekunden, um sich von uns zu verabschieden.

Heck: Zehn Sekunden? Jetzt habe ich keine Stoppuhr. Ja, dann bedanke ich mich ganz herzlich beim Deutschlandradio, bedanke mich bei Herrn Meyering, dem Redakteur, so viel ich vorhin gehört habe, und bedanke mich bei Ihnen, Ulrike Timm, und natürlich Ihnen, liebe Zuschauer, herzlichen Dank fürs Zuhören und alles Gute.

Timm: Zwölf Sekunden.

Heck: Na gut, wenn wir es noch mal machen, kommen wir auf zehn.

Timm: Dieter Thomas Heck, der langjährige Moderator der ZDF-Hitparade, vielen Dank fürs Gespräch.

Heck: Aber gerne.