Heather Nova und "Pearl"

Kompromisslose Offenheit und viel Tiefgang

06:25 Minuten
Heather Nova steht mit Gitarre an eine Wand gelehnt.
Heather Nova: ihr neues Album knüpft an ihre großen alten Erfolge an. © Vincent Lions
Von Andreas Zimmer · 27.06.2019
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Vor rund 25 Jahren erregte die Sängerin Heather Nova große Aufmerksamkeit mit ihrem Album "Oyster". Zwischendurch wurde es etwas ruhiger um sie, doch nun knüpft sie mit dem neuen Werk "Pearl" an alte Zeiten an. Besonders herausragend sind ihre Texte.
Man braucht nicht viel Fantasie, um den Zusammenhang zwischen Oyster – Auster - und Pearl – Perle - zu finden: Das eine wäre ohne das andere nicht denkbar, wird sogar davon bedingt. Und während eine Auster als verschlossene Schönheit gilt, glänzt eine Perle ganz offensichtlich, bleibt dabei aber schutzlos. So sieht das auch Heather Nova und zieht den Kreis noch weiter:
"Es fühlt sich tatsächlich so an, in vielerlei Hinsicht. Darüber hinaus war es auch interessant, weil mein Produzent Youth und ich seit 25 Jahren nicht mehr zusammengearbeitet hatten. Wir hatten nicht mal Kontakt. Dennoch hat die Essenz unserer Persönlichkeiten und Musikalität bestens zusammen harmoniert. Wieder einmal."

Anlehnung an das Erfolgsalbum "Oyster"

Neben dem Produzenten Youth von damals ist auch der musikalische Charakter von Nova‘s Neuerscheinung Pearl an ihr erstes Erfolgsalbum Oyster angelehnt. Viele Gitarren. Manchmal mit ganz bewusst dreckigem Sound, damit es nach Rock klingt. Dazu ihre oft im besten Sinn als sirenenhaft beschriebene Stimme. Das ist durchaus wiedererkennbar. In den Texten allerdings geht die Songschreiberin noch weiter als früher. Ist sie im Alter etwa mutiger geworden?
"Ja. Vielleicht gibt man einfach nicht mehr soviel auf das, was die Leute denken. Es ist wirklich mutig, wenn man sagt: 'Weißt du was? Das hier zählt wirklich!' Die Essenz des Songschreibens ist doch, grundehrlich und mutig zu sein. Nur darum geht's. Und um die Verantwortung, etwas Lohnendes und Schönes daraus zu machen."
Auch die Band, die Nova für "Pearl" zusammengestellt hat, besteht aus mehr oder weniger alten Bekannten die schon früher mehrfach mit ihr gearbeitet haben. Nur einen ganz neuen Namen findet man auf dem Album: Vincent Lions. Früher einfach nur irgendein Fotograf. Dann ihr Leib-Fotograf. Inzwischen auch der neue Lebensgefährte. Und das ist noch nicht alles:
"Er hat gefragt: 'Wow, ich liebe die Songs. Würde es dir etwas ausmachen, wenn ich ein bisschen Gitarre dazu spiele?' Ich habe eher abwartend reagiert. Es hätte ja zu einer peinlichen Situation führen können. Er hat es dann doch gemacht und es hat mich komplett umgehauen. Das war einfach unglaublich. Er hat einen fantastischen Job gemacht."

Verarbeitung persönlicher Erlebnisse

Heather Nova hat schon immer recht offen über viele ihrer persönlichsten Erlebnisse und Probleme geschrieben - aber was sie auf Pearl textet, übertrifft alles Bisherige an Offenheit und Tiefgang. Da gibt es zum Beispiel den Song "Some things just come undone", in dem sie darüber singt, wie schwer es war, die richtigen Worte zu finden für ihren Sohn, als sie ihm die Trennung vom Ehemann und Vater erklären musste. Überaus berührend, vollkommen ohne Pathos, der innere Konflikt für jeden nachvollziehbar.
"Ich habe da wirklich über das Härteste geschrieben, das mir je widerfahren ist. Als Eltern bist du ja immer bestrebt, dein Kind zu beschützen. Wenn du dann an dem Punkt bist, deinem Kind sagen zu müssen, dass sich seine Eltern trennen und somit seine bisher so sichere Welt zerstören, ist das bestimmt der schlimmste Augenblick deines Lebens. Wie und was wirst du da sagen?"

Mitgefühl und Vergebung

Und: Während Heather Nova auf Oyster noch darüber sang, wie schwer sie von einem Ex-Freund missbraucht worden war, geht sie auf Pearl einen Schritt weiter und verzeiht genau diesem Typen. Nach 30 Jahren ohne Kontakt. Ihr Credo dabei: Nur wer Mitgefühl zeigt und zu Vergebung fähig ist, kann den Hass überwinden und hinter sich lassen.
Sicher eine allgemeingültige Aussage, zu der allerdings nur die wirklich starken Menschen fähig sind. Und ja, so zerbrechlich die Sängerin auch wirken mag, sie ist stark. Und wie!
"Auf Oyster gab es das Stück Island, ein Song darüber, wie mich ein wesentlich älterer Mann missbraucht hat. Letztes Jahr habe ich durch einen gemeinsamen Freund gehört, dass er im Sterben liege. Ich hatte mich daraufhin entschlossen, ihm ein paar nette Worte zu schreiben. Und habe die unglaublichste Entschuldigung von ihm zurückbekommen."
Fans von Heather Novas Oyster werden natürlich auch mit Pearl ihre uneingeschränkte Freude haben. Pop mit Ausflügen zu Folk, Americana und auch zu Rocksounds.
Das ist heute Mainstream. Also ohne den Wow-hast-du-das-schon-gehört-Bonus, den Oyster vor 25 Jahren noch hatte. Herausragend sind allerdings Novas Texte auf Pearl, durchaus mit Gänsehaut-Momenten. Für Freunde tiefgehender Poesie und Lyrik.
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