HBO-Serie "Looking"

Gutaussehend, Single, schwul

Kalifornien: San Francisco Golden Gate Brücke, 2006
"Looking" spielt in San Francisco und dreht sich um das Leben in der Stadt © picture alliance / dpa / Udo Bernhart
Von Michael Meyer |
"Looking" ist eine Serie, in der es um den Alltag einer Gruppe schwuler Männer in San Francisco geht. Sie ist leicht zu konsumieren, aber gleichzeitig sehr tiefsinnig. Jetzt ist sie auch in Deutschland auf DVD erschienen.
"Ok, ok, hi, ich bin Patrick, ... Nein, nein... Ok, bist du öfters hier? Schhhh... Und Du, wie heißt Du? Ich habe deinen Namen nicht gehört. Tut mir leid... Oh kalte Hände, wirklich kalt... Oh fuck, das tut mir leid, ich habe es doch stumm geschaltet, ich sollte lieber drangehen."
Patrick ist 29, gutaussehender Spiele-Entwickler, derzeit Single, und daher auf der Suche nach einem Freund – oder, wie in der ersten Szene der Serie, auch mal im Park auf einen Quickie. Schon in diesen ersten Minuten erfährt man viel darüber, was noch kommen wird – denn Patrick ist die Symbolfigur für ein schwules Leben, das selbst in San Francisco ganz so einfach doch nicht ist. Diskriminierung im Alltag, am Arbeitsplatz, das ist kein Thema mehr. Und doch ist die ewige Suche nach einem Lover, einem Freund, einer Beziehung anstrengend – Platonisches und Sexuelles überlagern einander – zum Beispiel wenn Patrick einen neuen Mitbewohner sucht:
"Bei 'Ok Cupid'? Ja, da schlage ich zwei Fliegen mit einer Klappe, so kriege ich einen Freund und einen Mitbewohner. Wie findest du denn diesen Typen, er ist Arzt? Ein kluger Mann will mit Dir ausgehen? Ja... Und wir sind zu 82 Prozent kompatibel... Das ist ein bescheuerter Algorithmus... Aber wir schwimmen beide gern... Aber wie oft gehst du denn tatsächlich schwimmen? Ich kann schwimmen... Oh... Eine Message von ihm, wie es aussieht, habe ich eine Message von ihm. Wie es aussieht habe ich heute Abend ein Date, im PressClub."
Natürlich wird das Date ein Fiasko – der potentielle Mitbewohner und Freund hat noch nie ein Computerspiel gespielt und es passt auch sonst nicht so. Also weiter mit der Suche.
Stets auf der Suche
"Looking", so deutet schon der Titel an, bedeutet für die vier Männer in der Serie, dass sie stets auf der Suche sind – nach Sex, einem Freund, einem Job, aber auch nach ihrem Platz im Leben. Ganz besonders deutlich wird das in der Figur von Dom, einem Mittvierziger, der bislang als Kellner arbeitete und nach einigen Niederlagen ein neues Restaurant aufmachen will. Eines Abends trifft er in der Sauna Lynn, er ist 60, durchaus noch sehr attraktiv – und sticht aus der Welt der jungen Schwulen heraus:
"Die Leute unterhalten sich nicht mehr besonders gerne, wenn sie hier sind. War das je anders? Ja sicher, früher gab es Live-Musik und manchmal was zu essen. Sex hatte man auch, aber es war freundlicher. - Lebst du schon lange in San Francisco? Nun ich bin natürlich nicht hier geboren, aber ich folgte dem Ruf des goldenen Westens. - Das muss cool gewesen sein damals... Damals... Das ist als wäre ich plötzlich hundert Jahre alt. Tut mir leid... Aber es war cool, wirklich cool... Und dann nicht mehr. Ich bin Lynn..."
"Looking" ist in den USA durchaus nicht unumstritten: In der schwulen Gemeinde wurde kritisiert, die Serie sei zu oberflächlich, zu "soapig", und werfe wesentliche Fragen nach Rasse, sozialer Schicht und Alter gar nicht auf. Doch so heftig die Kritik, so wenig stimmt sie auch: Sicher, die Serie ist leicht konsumierbar und hat durchaus ihre "Sex and the City"-Momente, wenn es mal wieder darum geht, wer mit wem wann und wo. Doch das ist kein Manko: Wer genau hinsieht, entdeckt unter der Oberfläche der "Normcore"- Normalität all jene Punkte, die die Kritiker vermissen.
Nur zwei Beispiele dafür: Eine der Hauptfiguren ist zum Beispiel Agustin, Sohn kubanischer Eltern, Künstler und derzeit arbeitslos, und "All American Boy". Patrick verliebt sich in den Mexikaner Ritchie – und es wird deutlich, dass er trotz guter Ausbildung kein Wort Spanisch spricht. Als er die Halskette Ritchies sieht, kann Patrick sie nicht einordnen, weil er keine Ahnung von der Religiosität der Mexikaner hat, und überhaupt war er noch nie in Lateinamerika:
"Ich wollte immer mal nach Mexiko... Ich war aber schon mal in Cabo San Lucas, zählt das auch? Nicht wirklich, nein. Was ist mit deiner Familie, erzähl mal von ihnen... Reden wir nicht von meiner Familie, die ist nicht besonders sexy... Was ist das, was ist das? Ist das Jesus? Ja, das ist Jesus... Und Maria auf der anderen Seite... Gefällt es Dir? Ja, ich wusste nur nicht, dass es so religiös ist, ist cool..."
Im Alltag angekommen
Fast überflüssig zu sagen, dass die beiden nicht richtig zueinander finden. Später wird sich Patrick, ohne es zu wissen, in seinen künftigen Chef vergucken, der ursprünglich aus England stammt, auch das natürlich nicht ohne Komplikationen:
"Spielst du die British Lady oder den Boy? Wer darfs sein? Fragst du mich jetzt ob ich schwul bin? Ja... Das bin ich. Ich bin schwul. OK.... Das ist cool... Cool, so ist das also... Naja, wir kriegen hier nicht besonders viele Schwule zu sehen. Nicht, dass ich damit sagen will, dass wir gleich ins Bett springen sollten. Natürlich nicht..."
"Looking" ist, historisch betrachtet, der Endpunkt der Entwicklung, wenn es um Homosexuelle im Fernsehen geht. War vor fünfzehn Jahren manches noch schriller in "Queer as Folk" – die Männer waren jünger, und die Geschichten drehten sich viel stärker um Sex, Drogen und Disco – so ist "Looking" dort angekommen, wo Homosexuelle immer hinwollten: Im Alltag mit all seinen Schwierigkeiten und in der Normalität. Doch was "normal" ist, ist eben Ansichtssache: Die Frage ist, welches Bild eine Serie zeichnen sollte, wenn die Lebensentwürfe heute so verschieden sind wie in der Hetero-Welt auch. Eine Frage, die wohl jeder für sich beantworten muss.
Wer die Serie übrigens in ihrer ganzen Vielschichtigkeit genießen will, sollte sich unbedingt die Originalfassung ansehen – denn nur hier hört man all die mexikanischen, kubanischen und britischen Akzente. In den USA läuft mittlerweile bereits die zweite Staffel – ob es eine dritte geben wird, ist allerdings noch offen.

"Looking" ist bei Warner Home Video erschienen und kostet 25 EUR (30 EUR für die Blu Ray-Edition).