Hazmat Modine auf Deutschlandtournee

Die Ehrenretter der Mundharmonika

Der Musiker Wade Schuman
Der Musiker Wade Schuman von der Band Hazmat Modine auf einem Jazz Festival in New York im Januar 2017. © imago/Pacific Press Agency
Wade Schuman im Gespräch mit Carsten Beyer · 21.06.2017
In der Rock- und der Popmusik spielt die Mundharmonika ein Schattendasein. Doch bei der amerikanischen Band Hazmat Modine ist das ganz anders. Sie tritt zur Ehrenrettung des kleinen Blasinstrumentes an.
Ursprünglich wollte Wade Schuman eine Band mit gleich vier Mundharmonikaspielern gründen. Der New Yorker ist einer der Gründer der Band Hazmat Modine, die derzeit durch Deutschland tourt. Praktisch sei das aber nicht, deswegen habe er sich schließlich anders entschieden, so der Sänger und Mundharmonikaspieler am Mittwoch im Deutschlandfunk Kultur.
Inzwischen ist Hazmat Modine eine achtköpfige Band, unter anderem mit Banjo, Geige, Gitarre und Saxophon – und mit einer Mundharmonika. "Ich kenne tatsächlich keine andere achtköpfige Band mit einer Mundharmonika an der Spitze. Das ist schon was Einzigartiges", betont Schuman.

Exotisch und doch amerikanisch

Der Name der Band ist bewusst gewählt. Hazmat klinge zwar exotisch, meint Band-Leader Wade Schuman, sei aber ein amerikanisches Wort, und zwar die Abkürzung von Hazardous Material - also gefährliches Material. Modine wiederum ist ein Markenname für Heißluftgebläse. "Also ist der Name auf der einen Seite ein Wortspiel, aber auf der anderen Seite passt er auch ganz gut zu uns, weil die Leute bei unserer Musik auch nicht so genau wissen, wo sie herkommt. Ob da arabische Einflüsse drin sind oder osteuropäische oder ob sie tatsächlich aus Amerika kommt. Deshalb gefällt es mir, dass auch der Name zwei Dinge auf einmal darstellt."

Parallelen zwischen mongolischer Obertonmusik und Country

Mit Vorliebe kooperieren die Musiker von Hazmat Modine mit exotischen Bands wie einer Brass-Band aus Westafrika oder dem mongolischen Oberton-Ensemble Hun Huur Tu. Letztere hätten übrigens viel gemeinsam mit traditioneller US- amerikanischer Musik. "Viele der mongolischen Instrumente lassen sich mit dem vergleichen, was man aus dem Country kennt", so Schuman. Es gebe ein Instrument, das dem Banjo ähnele, außerdem eine Art Fiddle und die Maultrommel. "Und sie reiten ja auch gerne. Also im Grunde sind ‚Hun Huur Tu‘ eine Cowboyband."
Vor allem in Deutschland habe die Band viele treue Fans. "Ich habe immer das Gefühl, das deutsche Publikum kann etwas anfangen, mit dem, was wir tun – und das ist tatsächlich ein Geschenk für einen Musiker", so Schuman.
(uz)
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Das Interview im Wortlaut:

Beyer: Hazmat Modine und "Another Day”. Derzeit ist die Band auf Deutschlandtournee und diese Gelegenheit haben wir genutzt, um den Bandleader zu uns ins Studio einzuladen, den Sänger und Mundharmonikaspieler Wade Schuman. "Hazmat Modine", das ist eine Wortneuschöpfung, das heißt auf Deutsch so viel wie gefährliches Gebläse. Ich habe Wade Schuman zunächst gefragt, wie er auf diesen Namen gekommen ist und ob der vielleicht sogar eine programmatische Funktion hat?
Schuman: Was mich an dem Namen gereizt hat, war die Tatsache, dass er so exotisch klingt und aussieht, so als wäre es etwas Türkisches oder Arabisches. Dabei ist Hazmat ein amerikanisches Wort, die Abkürzung von Hazardous Material – gefährliches Material. Und Modine ist ein Markenname. Ein Modine, das ist ein Heißluftgebläse, wie sie beispielsweise in Proberäumen oder in Künstler- Lofts gerne rumhängen. Also ist der Name auf der einen Seite ein Wortspiel, aber auf der anderen Seite passt er auch ganz gut zu uns, weil die Leute bei unserer Musik auch nicht so genau wissen, wo sie herkommt. Ob da arabische Einflüsse drin sind oder osteuropäische oder ob sie tatsächlich aus Amerika kommt. Deshalb gefällt es mir, dass auch der Name zwei Dinge auf einmal darstellt.

Breites Spektrum an Sounds

Beyer: Sie sind derzeit auf Tournee, da sind Sie zu acht auf der Bühne zu erleben, da sind unter anderem Instrumente dabei wie das Banjo, Gitarre, eine Geige, ein Saxophon ein Susaphon und natürlich die Mundharmonika. Wie ist diese Besetzung zustande gekommen, hat sich das über die Jahre entwickelt oder hatten sie von Anfang genau diese Besetzung im Kopf?
Schuman: Das hat sich entwickelt. Ursprünglich wollte ich eine Tuba in der Band haben, ganz einfach weil ich Tuba liebe, und dazu hatten wir dann zwei Mundharmonikas, eine Gitarre und ein Schlagzeug. Dann wurde ich immer gieriger, weil man natürlich mit mehr Instrumenten auch mehr machen kann. Erst kam noch ein Saxophon dazu, dann die Trompete, eine Posaune – und als der zweite Mundharmonikaspieler die Band verließ, haben wir stattdessen eine Geige dazu genommen. Das ist schon, was für ein breites Spektrum an Sounds wir mittlerweile abdecken können.
Beyer: Auf jeden Fall spielt die Mundharmonika immer eine ganz wichtige Rolle bei den meisten Songs. War das auch ein Hintergedanke bei der Gründung der Band, dass sie gesagt haben: Dieses Instrument soll jetzt endlich mal einen angemessenen Platz bekommen in der Musikgeschichte?
Hazmat Modine bei einem Konzert im Berliner Jazzclub Quasimodo
Hazmat Modine bei einem Konzert im Berliner Jazzclub Quasimodo © Deutschlandradio / Carsten Beyer
Schuman: Bevor ich nach New York gezogen bin, wollte ich sogar mal eine Band mit vier Mundharmonikaspielern gründen. Das ist zugebenermaßen nicht sehr praktisch, deswegen habe ich das dann auch nicht gemacht. Aber in New York traf ich damals auf Randy Weinstein, auch ein Harmonika- Spieler, der ganz ähnliche Vorstellung hatte. Der Blues mochte, der Jazz mochte, der sich aber auch für Weltmusik interessierte. Das war damals die Keimzelle der Band und die anderen kamen dann nach und nach dazu. Aber, um auf ihre Frage zurück zu kommen: Ich kenn tatsächlich auch keine andere 8- köpfige Band mit einer Mundharmonika an der Spitze. Das ist schon was Einzigartiges.

Mongolisches Oberton-Ensemble als Cowboy-Band

Beyer: Was auch zu den Besonderheiten von Hazmat Modine gehört, ist dass sie gern mit andern ausgefallenen Musikern zusammenarbeiten. Das waren in der Vergangenheit zum Beispiel ein mongolisches Oberton-Ensemble und eine Brass-Band aus Westafrika. Was bringen solche Kooperationen?
Schuman: Für mich sind das immer die spannendsten Momente, solche Kooperationen. Die Musikszene hat sich in den letzten zehn, zwanzig Jahren stark geöffnet und die interessantesten Dinge passieren meist dann, wenn zwei musikalische Welten aufeinandertreffen: Also beispielsweise die Musik aus Mali hat einen enormen Einfluss gehabt auf amerikanische Bands Künstler oder auch die Gruppe aus der Mongolei, die sie angesprochen haben – "Hun Huur Tu" – die kenne ich schon seit über 20 Jahren. Die haben übrigens einiges gemeinsam mit der traditionellen US- amerikanischen Musik – und damit meine ich nicht nur die Pentatonik. Viele der mongolischen Instrumente lassen sich mit dem vergleichen, was man aus dem Country kennt. Da gibt es ein Instrument, das klingt so ähnlich wie ein Banjo, dann haben sie eine Art Fiddle, sie spielen die Maultrommel – und sie reiten ja auch gerne. Also im Grunde sind "Hun Huur Tu" eine Cowboy-Band. Es gibt Orte, da trifft sich die Musik ganz natürlich zwischen den Kulturen – und diese Worte finde ich extrem aufregend."

Neues Album ist in Arbeit

Beyer: Mit dieser Musik sind sie ja gar nicht so leicht einzuordnen. Wo fühlen Sie sich denn am wohlsten mit Ihrer Musik?
Schuman: Naja, das ist gar nicht so einfach! Die Leute fragen mich immer, was für eine Musik ich eigentlich mache und diese Frage kann ich kaum beantworten, denn wenn ich die einzelnen Elemente aufzähle, dann klingt das so ein bisschen wie Kraut und Rüben. Am einfachsten wäre es vermutlich zu sagen, wir machen Musik aus New York -die sich zwar aus ganz unterschiedlichen Quellen speist, die aber am Ende vor allem amerikanische Musik ist.
Hier in Europa haben wir insofern Glück gehabt, als wir irgendwann vor ein paar Jahren mal in das Weltmusikfach eingeordnet worden sind. Da dürfen amerikanische Bands ja sonst irgendwie nicht rein, es sei denn sie machen sowas wie Cajun oder so. Aber wir sind drin – warum auch immer – und darüber bin ich eigentlich ganz froh, denn wir sind sehr gerne in Europa. Vor allem in Deutschland haben wir viele treue Fans und wir haben auch schon oft hier gespielt: Ich habe immer das Gefühl, das deutsche Publikum kann etwas anfangen, mit dem, was wir tun – und das ist tatsächlich ein Geschenk für einen Musiker.
Beyer: Wenn die Tour zu Ende ist, werden sie wieder ins Studio gehen. Das letzte Album liegt schon fast drei Jahre zurück. Ist da tatsächlich was neues geplant?
Schuman: Ja, wir haben eine Menge neuer Songs, ganz unterschiedliche Songs, also das wird spannend. Vor allem haben wir uns weiterentwickelt, nicht nur was die Musik angeht, sondern auch was die Texte angeht. Das ist ja immer das Schwierigste, finde ich jedenfalls. Im Herbst wird es soweit sein, dann gehen wir wieder ins Studio.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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