Hausarzt kritisiert Corona-Impfkampagne

"Ein aufgeblasener Verwaltungsakt"

06:58 Minuten
Ein blau behandschuhte Hand hält ein Fläschchen mit dem Covid-Impfstoff von AstraZeneca und präpariert eine Spritze.
AstraZeneca-Impfstoff © picture alliance / /dpa-Zentralbild / Ronny Hartmann
Uwe Popert im Gespräch mit Stephan Karkowsky · 11.03.2021
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Hausärzte haben jahrzehntelange Erfahrungen mit Impfungen und sollten deshalb schneller und besser in die aktuelle Corona-Impfkampagne eingebunden werden, fordert der Kasseler Mediziner Uwe Popert. Die aktuellen Regelungen seien viel zu bürokratisch.
Impfstart in Hausarztpraxen, Verteilung des Impfstoffs, Impfreihenfolge: Auch nach dem Treffen der Gesundheitsminister von Bund und Ländern am Mittwoch bleibt vieles unklar und die Kritik an der Impfkampagne der Bundesregierung reißt nicht ab.
Unzufrieden sind auch Hausärzte wie der Kasseler Arzt Uwe Popert. Die Hausärzte hätten längst in die Impfungen einbezogen werden müssen, sagt er und verweist auf deren jahrzehntelange Erfahrung mit Impfungen. So habe man zum Beispiel im letzten Herbst innerhalb weniger Wochen 22 Millionen Grippeimpfungen durchgeführt.

Ein bürokratisches Monster

Doch in Deutschland habe man sich dafür entschieden, die Impfungen zu einem aufgeblasenen Verwaltungsakt zu mutieren. "Das geht nicht, das ist nicht praxistauglich."
Als Beispiel schildert Popert seine Erfahrungen mit Corona-Impfungen in Altersheimen: "Das Problem in den Heimen war, zumindest am Anfang, dass man den Leuten, die kaum was verstanden haben, weil sie schlecht gehört haben, aber eben auch, weil sie alt waren, neun Seiten nahebringen musste: Einverständniserklärung, Datenschutzerklärung, Aufklärung vorheriger Erkrankungen. Und der Großteil davon ist schlicht Datenmüll."
Popert plädiert auch dafür, die Hausärzte entscheiden zu lassen, wer wann geimpft wird:
"Es wird nicht anders gehen", betont er. "Natürlich sind wir seit Jahrzehnten gewohnt, da Vernunft walten zu lassen. Es ist ja nicht so, dass wir jetzt wild durch die Gegend laufen und mit Spritzen um uns werfen."

"Das Recht und die Pflicht, einen Krebspatienten zu impfen"

Aber es gebe Sonderfälle, die man nicht in einer Tabelle abbilden könne, sagt Popert. So solle etwa ein Patient mit einer schweren Krebserkrankung, der vor einer Chemotherapie stehe, geimpft werden können:
"Und bevor ich da irgendwelche Behördenwege durchlaufe, finde ich, dass ich das Recht und die Pflicht haben sollte, den zu impfen."
Porträtaufnahme des Kasseler Hausarzts Uwe Popert im karierten Hemd.
Kritisiert die Impfkampagne der Bundesregierung als bürokratisches Monster.© privat
Der Kasseler Arzt beklagt außerdem, dass er Informationen darüber, wie es in Sachen Covid-Impfungen beim Hausarzt konkret weitergehen soll, nur aus den Medien bekommen habe.
Demnach solle es in Hessen bis Ostern 20.000 Impfstoffe für 50 Praxen geben. Allerdings hätten sich 500 Praxen gemeldet. "Wer da wann eingebunden wird, ist völlig unklar."
(uko)
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