Hauptsache Gemeinschaft
Wie man im Alter sein Leben selbstbestimmt und zugleich in Gemeinschaft und Geborgenheit gestalten kann, dafür gibt es hierzulande erst wenige Vorbilder. Dorette Deutsch beschreibt in ihrem Buch "Lebensträume kennen kein Alter" zwei Dutzend alternative Wohnprojekte. Sie zeigt motivierten Nachahmern, wie sie es schaffen können, ihre Idee vom Zusammenleben zu verwirklichen.
Am Anfang steht oft ein einschneidendes Erlebnis: Der Partner stirbt und plötzlich ist man allein. Oder aber der Lebensgefährte wird pflegebedürftig und man fragt sich bang, schaffe ich das überhaupt alleine? Wie soll ich, wie will ich weiter leben? Ganz plötzlich steht diese Frage unaufschiebbar im Raum, denn
mehr noch als in jeder anderen Lebensphase entscheidet im Alter die Wohnform über soziale Kontakte.
Alte Menschen verbringen durchschnittlich vier Fünftel des Tages in den eigenen vier Wänden. Wer nicht einsam werden will, muss sich also bewegen. Vor allem heutzutage, wo Familien nicht immer an einem Ort leben oder viele ältere Menschen kinderlos geblieben sind und gleichzeitig der Wunsch nach Geborgenheit und Sicherheit im höherem Alter dringender wird.
Keine Wunder also, dass sich mittlerweile etwa ein Drittel der Frauen und Männer in der zweiten Lebenshälfte mit der Idee vom gemeinsamen Wohnen im Alter beschäftigt.
Genau für sie hat Dorette Deutsch ihr Buch "Lebensträume kennen kein Alter" geschrieben. Darin stellt sie zwei Dutzend alternative Wohnprojekten in Deutschland sowie Modelle aus Österreich, Schweden und den Niederlanden vor.
Etwa das Kölner Haus Mobile, dass seit 1998 existiert. In diesem Haus mit 36 Wohnungen leben heute Alte und Junge, Singles und Familien sowohl in ihrer eigenen Wohnung als auch auf Miete miteinander. Einziehen kann nur, wer Mitglied in dem entsprechenden Verein und bereit ist, sich um die anderen zu kümmern. Der Verein unterhält auch ein Cafe, sowie im einen Garten eine Sitz- und Spielecke, wo man sich trifft und austauschen kann. Und - so schildern es die Bewohner - allein diese Atmosphäre scheint zu helfen, dass es keine Pflegebedürftigen gibt, Kranke schneller genesen und alle ihre Gemeinschaft genießen.
Ähnlich in Eichstetten bei Freiburg. Wie schaffen wir, dass auch die Alten und Gebrechlichen in der vertrauten Umgebung wohnen bleiben können, überlegte dort in den 90er Jahren die Dorfgemeinschaft. Gemeinsam bauten sie einen alten Gasthof um. Dort werden heute die Pflegebedürftigen betreut und findet ein reges kulturelles Leben statt. Das dient auch den Jungen. Die brauchen nicht wegzuziehen, weil sie Arbeit und ein wohltuendes soziales Miteinander finden.
Dabei ist für Dorette Deutsch das Zusammenleben im Alter nur an eine Bedingung geknüpft: die Bereitschaft etwas Neues zu wagen und die Angst vor Veränderung zu überwinden. Selbst Demenzkranke sind in einer WG besser betreut, als in der starren Struktur herkömmlicher Pflegeeinrichtungen und auch türkische Migranten ließen sich inzwischen auf das Wagnis ein, statt auf die Kraft der Frauen der Familie auf die eigene beziehungsweise die der Gemeinschaft zu bauen.
In gewisser Weise beleben alle neuen Wohnformen Nachbarschaft neu: Man findet Möglichkeiten, sich gegenseitig im Alltag zu unterstützen und Dinge gemeinsam zu planen und zu erleben. Wie das geschieht, ist von Projekt zu Projekt verschieden.
Viele Menschen wollen auch im Alter gerne auch generationenübergreifend, also mit jungen Menschen zusammenleben. Andere bevorzugen es, unter sich zu sein und gründen Seniorenprojekte. Manchmal leben nur für fünf, manchmal 300 Leute zusammen. Jede Gemeinschaft aber muss klären: Wie sollen die Wohnungen aussehen? Wie soll das Projekt finanziert werden und welche Rechtsform findet man?
Dorette Deutsch beschreibt in ihrem Buch, welche Erfahrungen die gut zwei Dutzend Projekte machten, welche Wege zum Erfolg führten und wo Rückschläge zu verkraften und Umwege gegangen werden mussten.
Allerdings: Das Buch ist für Entschlossene geschrieben, für jene, die Tipps für die Umsetzung brauchen. Wer zunächst wissen will, wie sich das gemeinschaftliche Wohnen beim regelmäßigen Sonntagsfrühstück oder bei einer Krankheit anfühlen könnte, sollte lieber das erste Buch von Dorette Deutsch lesen: "Schöne Aussichten fürs Alter. Wie ein italienisches Dorf unser Leben verändern kann."
Hier beschreibt die zwischen Bayern und Ligurien pendelnde Journalistin, wie ein Dorf in der Emilia Romagna altersgerecht umgebaut wurde, die Einheimischen heute ohne Altersheim ihren Alltag gestalten und welche Nachahmer sie in Deutschland fanden.
In dem Buch "Lebensträume kennen kein Alter" verliert sich Dorette nicht in Zukunftsvisionen. Sie setzt auf Fakten. Wie fanden andere das passende Haus? Welche Erfahrungen gibt es mit einem Neubau für Alte? Wie regelt man das Verhältnis zum Architekten, wenn es nicht einen sondern bis zu 30 Bauherren mit unterschiedlichen Wünschen gibt? Welche Vorgehrungen trifft man beispielsweise in seinem Testament, wenn mit dem eigenen Tod nicht das Ende der Wohngemeinschaft besiegeln will? Wie verhalten sich die verschiedenen Gemeinschaften, wenn jemand pflegebedürftig wird?
Denn bei ihrer Recherche fiel der Autorin auf: Oft kennen sie die Initiativen einander nicht und konnten auch nicht aus den Fehlern der anderen lernen. Gerade das ist der Vorzug dieses Buches: Dass es die verschiedenen Erfahrungen mit dem gemeinschaftlichen Wohnen in Deutschland bündelt und ordnet. Sie zeigt motivierten Nachahmern, wie sie es schaffen können, ihre Idee vom Zusammenleben zu verwirklichen. In diesem Sinne ist das Buch "Lebensträume kennen kein Alter" ein wichtiges Gebrauchsbuch. Es könnte helfen, dass man in Zukunft Altenheime nur noch aus Museen kennen wird.
Rezensiert von Barbara Leitner
Dorette Deutsch: Lebensträume kennen kein Alter. Neue Ideen für das Zusammenwohnen in der Zukunft
Krüger Verlag, Frankfurt; 2007, 14,90 Euro
mehr noch als in jeder anderen Lebensphase entscheidet im Alter die Wohnform über soziale Kontakte.
Alte Menschen verbringen durchschnittlich vier Fünftel des Tages in den eigenen vier Wänden. Wer nicht einsam werden will, muss sich also bewegen. Vor allem heutzutage, wo Familien nicht immer an einem Ort leben oder viele ältere Menschen kinderlos geblieben sind und gleichzeitig der Wunsch nach Geborgenheit und Sicherheit im höherem Alter dringender wird.
Keine Wunder also, dass sich mittlerweile etwa ein Drittel der Frauen und Männer in der zweiten Lebenshälfte mit der Idee vom gemeinsamen Wohnen im Alter beschäftigt.
Genau für sie hat Dorette Deutsch ihr Buch "Lebensträume kennen kein Alter" geschrieben. Darin stellt sie zwei Dutzend alternative Wohnprojekten in Deutschland sowie Modelle aus Österreich, Schweden und den Niederlanden vor.
Etwa das Kölner Haus Mobile, dass seit 1998 existiert. In diesem Haus mit 36 Wohnungen leben heute Alte und Junge, Singles und Familien sowohl in ihrer eigenen Wohnung als auch auf Miete miteinander. Einziehen kann nur, wer Mitglied in dem entsprechenden Verein und bereit ist, sich um die anderen zu kümmern. Der Verein unterhält auch ein Cafe, sowie im einen Garten eine Sitz- und Spielecke, wo man sich trifft und austauschen kann. Und - so schildern es die Bewohner - allein diese Atmosphäre scheint zu helfen, dass es keine Pflegebedürftigen gibt, Kranke schneller genesen und alle ihre Gemeinschaft genießen.
Ähnlich in Eichstetten bei Freiburg. Wie schaffen wir, dass auch die Alten und Gebrechlichen in der vertrauten Umgebung wohnen bleiben können, überlegte dort in den 90er Jahren die Dorfgemeinschaft. Gemeinsam bauten sie einen alten Gasthof um. Dort werden heute die Pflegebedürftigen betreut und findet ein reges kulturelles Leben statt. Das dient auch den Jungen. Die brauchen nicht wegzuziehen, weil sie Arbeit und ein wohltuendes soziales Miteinander finden.
Dabei ist für Dorette Deutsch das Zusammenleben im Alter nur an eine Bedingung geknüpft: die Bereitschaft etwas Neues zu wagen und die Angst vor Veränderung zu überwinden. Selbst Demenzkranke sind in einer WG besser betreut, als in der starren Struktur herkömmlicher Pflegeeinrichtungen und auch türkische Migranten ließen sich inzwischen auf das Wagnis ein, statt auf die Kraft der Frauen der Familie auf die eigene beziehungsweise die der Gemeinschaft zu bauen.
In gewisser Weise beleben alle neuen Wohnformen Nachbarschaft neu: Man findet Möglichkeiten, sich gegenseitig im Alltag zu unterstützen und Dinge gemeinsam zu planen und zu erleben. Wie das geschieht, ist von Projekt zu Projekt verschieden.
Viele Menschen wollen auch im Alter gerne auch generationenübergreifend, also mit jungen Menschen zusammenleben. Andere bevorzugen es, unter sich zu sein und gründen Seniorenprojekte. Manchmal leben nur für fünf, manchmal 300 Leute zusammen. Jede Gemeinschaft aber muss klären: Wie sollen die Wohnungen aussehen? Wie soll das Projekt finanziert werden und welche Rechtsform findet man?
Dorette Deutsch beschreibt in ihrem Buch, welche Erfahrungen die gut zwei Dutzend Projekte machten, welche Wege zum Erfolg führten und wo Rückschläge zu verkraften und Umwege gegangen werden mussten.
Allerdings: Das Buch ist für Entschlossene geschrieben, für jene, die Tipps für die Umsetzung brauchen. Wer zunächst wissen will, wie sich das gemeinschaftliche Wohnen beim regelmäßigen Sonntagsfrühstück oder bei einer Krankheit anfühlen könnte, sollte lieber das erste Buch von Dorette Deutsch lesen: "Schöne Aussichten fürs Alter. Wie ein italienisches Dorf unser Leben verändern kann."
Hier beschreibt die zwischen Bayern und Ligurien pendelnde Journalistin, wie ein Dorf in der Emilia Romagna altersgerecht umgebaut wurde, die Einheimischen heute ohne Altersheim ihren Alltag gestalten und welche Nachahmer sie in Deutschland fanden.
In dem Buch "Lebensträume kennen kein Alter" verliert sich Dorette nicht in Zukunftsvisionen. Sie setzt auf Fakten. Wie fanden andere das passende Haus? Welche Erfahrungen gibt es mit einem Neubau für Alte? Wie regelt man das Verhältnis zum Architekten, wenn es nicht einen sondern bis zu 30 Bauherren mit unterschiedlichen Wünschen gibt? Welche Vorgehrungen trifft man beispielsweise in seinem Testament, wenn mit dem eigenen Tod nicht das Ende der Wohngemeinschaft besiegeln will? Wie verhalten sich die verschiedenen Gemeinschaften, wenn jemand pflegebedürftig wird?
Denn bei ihrer Recherche fiel der Autorin auf: Oft kennen sie die Initiativen einander nicht und konnten auch nicht aus den Fehlern der anderen lernen. Gerade das ist der Vorzug dieses Buches: Dass es die verschiedenen Erfahrungen mit dem gemeinschaftlichen Wohnen in Deutschland bündelt und ordnet. Sie zeigt motivierten Nachahmern, wie sie es schaffen können, ihre Idee vom Zusammenleben zu verwirklichen. In diesem Sinne ist das Buch "Lebensträume kennen kein Alter" ein wichtiges Gebrauchsbuch. Es könnte helfen, dass man in Zukunft Altenheime nur noch aus Museen kennen wird.
Rezensiert von Barbara Leitner
Dorette Deutsch: Lebensträume kennen kein Alter. Neue Ideen für das Zusammenwohnen in der Zukunft
Krüger Verlag, Frankfurt; 2007, 14,90 Euro