Hauptsache bedeckt

Im Perückengeschäft für streng gläubige Jüdinnen

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In einem Schaufenster stehen dicht an dicht Schaufensterpuppen mit Perücken
Verheiratete Frauen, die dem orthodoxen jüdischen Glauben angehören, tragen oft eine Perücke. © imago images / Future Image / C. Hardt
Von Vivien Schütz · 08.08.2020
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Heiratet eine orthodoxe Frau, muss sie ihre Haare bedecken, weil die als etwas Intimes gelten, das nur der Ehemann sehen darf. Statt Kopftuch tragen aber viele Perücke. In Zeldas Geschäft in Brooklyn kommen deswegen vor allem aufgeregte Bräute.
Von außen wirkt Zeldas Perückengeschäft im New Yorker Stadtteil Brooklyn sehr diskret und exklusiv. Die Fensterscheiben sind milchig-trüb und man muss klingeln, um hineinzukommen. Die meisten Kundinnen vereinbaren vorher einen Termin mit Zeldas Kollegin Rochel. Auf einem Regal hinter dem Empfangstresen befindet sich ein gerahmtes Foto vom verstorbenen Lubavitscher Rabbi.
Daneben steht ein Styroporkopf, und da herum hängen reihenweise Echthaarperücken, lange und kurze, wellige und glatte, blonde und schwarze. Je nach Länge kosten die zwischen 2000 und 5000 Dollar und halten bis zu fünf Jahre.
Rochel hat einen Termin mit Tiffany. Sie heiratet in ein paar Monaten und ist auf der Suche nach ihrer ersten Perücke. "Ich will, dass die Perücke wie mein Haar aussieht", meint Tiffany und setzt sich auf einen Drehstuhl mit Blick auf den Spiegel. "Die da sieht cool aus." Sie zeigt auf eine lange, braune Perücke mit leichten Wellen.

Sich Gott näher fühlen

Fällt es ihr leicht, dieses Gebot umzusetzen? "Ja und nein", meint sie. "Ich würde sagen ja, denn die orthodoxen Frauen, zu denen ich aufschaue, befolgen das Gebot mit so viel Freude und Stolz. Das gibt mir Kraft." Aber ob es Gott wirklich kümmert, ob sie eine Perücke trägt? Das sei eine gute Frage, meint Tiffany. "Gott gibt uns den freien Willen, um eigene Entscheidungen zu treffen. Gott gab uns die Tora, und durch sie können wir eine Beziehung mit ihm aufbauen. Wenn ich mich an ein Gebot halte, stärkt es diese Beziehung – und wenn nicht, distanziere ich mich von Gott. Ist Gott wütend, wenn ich mich nicht an ein Gebot halte? Nein, denn ich gebe mein Bestes."
Eine weitere Kundin ist Sarah, eine Freundin von Rochel. Sie ist frisch verlobt. Ihre und seine Familie seien beide "streng religiös", sagt sie. Deswegen wolle sie erst einmal eine Perücke, die alles bedecke. "Damit sich niemand unwohl fühlt." Den ganzen Tag sei sie wegen der Perückenanprobe nervös gewesen, erzählt Sarah Rochel weiter. "Die ganze Sache ist schon komisch, aber ich fühle mich jetzt besser." – Ja, meint Rochel, anfangs sei es schon aufregend, "so ein komisches Objekt" aufzusetzen.

Die Perücke tragen, um dazuzugehören

Alle verheirateten Frauen in Sarahs Familie tragen eine Perücke. "Ich will meine Haare zunächst einmal bedecken, um dazuzugehören", gesteht Sarah. "Aber letztendlich, und ich glaube, ein kleiner Teil von mir spürt das schon, ist das Gebot etwas, was ich wirklich umsetzen will. Ich glaube, irgendwann bin ich soweit, dass ich sagen werde: Das ist etwas, das ich für mich tun möchte, auch wenn niemand um mich herum sagt, dass ich es tun soll."
Am Ende entscheidet sich Sarah für eine Perücke, die wie ihr eigenes Haar aussieht: blond, lang und lockig. Sie macht noch schnell ein Foto für ihren Verlobten. Er wird die Perücke bezahlen, als vorzeitiges Hochzeitsgeschenk.
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