Hauptrolle für ein relativ unbeschriebenes Blatt

Von Christian Geuenich |
In Heinrich Breloers Neuverfilmung von Thomas Manns "Buddenbrooks" spielt der relativ unbekannte 36-jährige Theaterschauspieler Mark Waschke eine der Hauptrollen. Verglichen mit den etablierten Filmstars wie Armin Mueller-Stahl, Iris Berben, Jessica Schwarz oder August Diehl ist Waschke in der Filmwelt ein noch unbeschriebenes Blatt.
In Heinrich Breloers Neuverfilmung von Thomas Manns "Buddenbrooks" spielt der relativ unbekannte 36-jährige Theaterschauspieler Mark Waschke eine der Hauptrollen. Verglichen mit den etablierten Filmstars wie Armin Mueller-Stahl, Iris Berben, Jessica Schwarz oder August Diehl ist Waschke in der Filmwelt ein noch unbeschriebenes Blatt.

"Erst einmal ist es ein ganz, ganz toller Stoff, wobei ich wirklich ganz ehrlicherweise immer sagen muss, die ersten 300 Seiten des Romans hätte ich nicht zu Ende gelesen, wenn ich nicht gewusst hätte, ich spiele Thomas Buddenbrook. Mich reizt an den Buddenbrooks gerade die zweite Phase, dieser Zerfall und dieses Zusammenbrechen, das Schwarze und Aussichtslose und Düstere und das Zusammenbrechen aller Utopien oder Visionen, die man so von sich hatte."

Mark Waschke kommt an einem grauen Dezembertag mit blauem Kurzmantel und einer Zeitung unterm Arm ins Café der Berliner Schaubühne. Der 36-jährige blonde Schauspieler mit den strahlend blauen, wachen Augen und dem aufrechten Gang bestellt sich erst einmal heißen Tee und Wasser – für die Stimme.

Dann führt er durch ein Labyrinth von Gängen hinter die Bühne in den traditionsreichen Sitzungsraum, der mit einem kleinen Tannenbaum und Weihnachtsdeko geschmückt ist. Hier an der Schaubühne hat der Schauspieler, der ausgetretene Cowboystiefel aus dem Theaterfundus zu Jeans und Jackett trägt, vor zehn Jahren seine Karriere direkt nach der Schauspielschule begonnen, teilweise bis zu sechs Stücke parallel gespielt.

"Das ist halt so direkt an DIE Schaubühne, und mein Mentor an der Schauspielschule damals meinte schon, ich weiß gar nicht, ob das so gut ist, wenn du direkt dahin gehst, weil was soll denn danach noch kommen? Und dann kam erst mal eins auf die Fresse die ersten zwei Jahre, weil die ersten Inszenierungen, sowohl vom Publikum als auch von den Medien jetzt nicht so freundlich aufgenommen worden sind."

Das hat sich inzwischen geändert, aber gerade der anfängliche Misserfolg habe die Truppe zusammengeschweißt, erklärt Mark Waschke nachdenklich. Es waren auch Lehrjahre für den Schauspieler.

"Auf der Schauspielschule wird sehr viel angetippt und gesagt, so kann man das machen und so kann man das machen, und dann komm ich von der Schule hierhin und merke erst einmal, das nützt mir kaum was, vielleicht die Sprechtechnik in Saal A, dass man mich auch wirklich hört, aber den Rest, den kann man erst mal so mit dem Rucksack in den Schrank stellen und vielleicht nach ein paar Jahren noch einmal rausholen und darüber schmunzeln."

Für große Filmprojekte hatte Mark Waschke als festes Ensemblemitglied kaum Zeit. Erst in den letzten beiden Jahren hat der Schauspieler begonnen, auch vor der Kamera zu arbeiten.

Eine so große Herausforderung wie die Rolle des Thomas Buddenbrook in Thomas Manns Geschichte um den Aufstieg und Niedergang der wohlhabenden Patrizierfamilie Mitte des 19. Jahrhunderts in Lübeck war bisher allerdings nicht dabei.

"Insofern ist das für mich mit so einer Rolle jetzt einem so großen Publikum begegnen zu können ein ganz, ganz tolles Geschenk, wirklich, es ist eine wunderschöne Aufgabe gewesen, eine solch reichhaltige Figur über so einen langen Zeitraum spielen zu dürfen, das ist ein Traum."

Thomas Buddenbrook übernimmt nach dem Tod seines Vaters den Getreidehandel und muss in Zeiten des wirtschaftlichen Wandels, Verantwortung für das Wohl der Familie übernehmen. Er wird zwar zum Senator gewählt, baut ein neues Haus für Frau und Sohn, und doch hat er schon dunkle Vorahnungen.

Filmausschnitt "Buddenbrooks":
Thomas: "Der Rückgang, der Abstieg. Weißt du noch, bei Hannos Taufe da sagtest du, jetzt beginnt noch einmal eine ganz neue Zeit."
Tony: "Aber du stehst doch glänzend da."
Thomas: "Strahlend, Tony, wie dieser Stern da oben am Himmel, und du weißt nicht, ob er nicht gerade am erlöschen ist, wenn er am hellsten leuchtet."

Mark Waschke schafft es, die ganze innere Zerrissenheit des Thomas Buddenbrook darzustellen, das Zweifelnde, Sensible, fast Selbstzerstörerische hinter der Fassade des kontrollierten Geschäftsmanns. Er überzeugt mit seinem minimalistischen Spiel, mit den kleinen Nuancen, die so viel sagen.

"Und da gibt es natürlich eine riesige Erwartungshaltung, sowohl an das ganze Projekt als auch an mich als Schauspieler, so wer ist denn das? Und der Thomas Buddenbrook, der wird ja in dem Roman nun ja auch fast 30 Jahre älter, wie will er das denn spielen? Und das kann man ja nicht alles mit Maske machen. Also die Latte liegt so hoch, dass man eigentlich nur lustig drunter durchtanzen kann."

Mark Waschke wächst mit seinen beiden Brüdern in Wattenscheid auf. Als er neun Jahre alt ist, zieht die Familie ins Saarland, wo sein Vater als Arzt im Krankenhaus arbeitet. Die Mutter ist gelernte Krankenschwester. Als er merkt, dass er fürs Fußballspielen kein Talent hat, beginnt er Theater zu spielen, um sich zu behaupten und anerkannt zu werden. Seine erste Rolle ist die des Bauern Mecke bei Max und Moritz.

"Und dann hatte ich in Saarbrücken später so kurz vor der Abi-Zeit in einer freien Theatergruppe mitgemacht, da haben wir auch so Straßentheater und so Sachen gemacht. Das hat mich eigentlich immer interessiert, also jetzt nicht Straßentheater mit Feuerspucken und Jonglieren, sondern so der Grenzbereich zwischen unsichtbarem Theater, eher so Aktionen im öffentlichen Raum, wo die Frage war, ist das noch Theater oder was ist das?"

Nach dem Abitur studiert er ein paar Wochen vergleichende Literaturwissenschaft und Philosophie, geht auf eine private Schauspielschule in Ulm und wird schließlich an der renommierten Ernst-Busch-Schauspielschule in Berlin angenommen. Auf die Frage, was ihn damals wie heute antreibt, muss er lange überlegen, seufzt dann und ringt sich doch noch zu einem Erklärungsversuch durch.

"Es ist halt das, was ich kann und das, wie ich mich ausdrücken kann und wie ich die Fragen, die ich stellen möchte, am besten stellen kann, wie ich mich am besten mit der Welt konfrontiere und mich am glücklichsten auch an der Welt abarbeiten kann, mit all dem was mich aufregt, verzweifelt macht und auch glücklich macht."

Wenn in Deutschland heute sein Film in den Kinos startet, wird Mark Waschke mit seiner Frau und seiner dreijährigen Tochter im Norden Portugals sitzen. Er feiert Weihnachten bei der Familie seiner Frau, der Künstlerin Filipa César.

"Ich werde ganz ruhig auf dem Land sitzen und auf einen Berg gucken, wie der Nebel vorbeizieht und ein Regenschauer sich ergießt."