"Hass hilft nicht"

"Am Leben zu bleiben war ein Spiel geworden, das ich gegen Hitler, die SS und die ganze Tötungsmaschinerie der Nazis spielte", erinnert sich Thomas Buergenthal, geboren 1934. Und an eine Kindheit und Jugend, die beeindruckender kaum sein könnte: Als Zehnjähriger hat der jüdische Junge bereits zwei Ghettos überlebt, als eines von wenigen Kindern übersteht er einen der "Todesmärsche" im eiskalten Winter 1944.
Nach der Befreiung wird er Maskottchen der polnischen Armee und zieht auf einem Panzer 1945 in das besiegte Berlin ein. Nahezu seine gesamte Familie wird im Holocaust ermordet, nur die Mutter überlebt. 1946 wird er sie durch einen großen Zufall wieder treffen. 1951 geht er in die USA, wo er ein neues Leben beginnt und einer der anerkanntesten amerikanischen Juristen und Völkerrechtler wird.

"Ein Glückskind" hat Thomas Buergenthal diese unglaublichen Erinnerungen betitelt, so wie es eine Wahrsagerin seiner Mutter im Sommer 1939 vorhergesagt hat: Sie und ihr Kind würden schwere Zeiten überleben.

Frühling 2007: Thomas Buergenthal, heute Richter am Internationalen Gerichtshof in Den Haag, stellt sein Buch auf einer Lesereise vor. "Ein Glückskind" ist auch ein Geschenk an seine drei Söhne und die Enkelkinder, "Sie sollen nachlesen können, was ich als Kind erlebt habe." Seine eigenen Erlebnisse sind ihm Verpflichtung, daran erinnert ihn auch die Nummer, die für immer in sein Handgelenk eintätowiert ist. "Es ist die Aufgabe, dies nie zu vergessen. Und das heißt, nicht zu hassen, sondern die Hoffnung zu haben, dass so etwas Schreckliches nie wieder passiert."

Deshalb setzt sich der Jurist auch mit 73 Jahren noch für die Durchsetzung der Menschenrechte ein, auch, wenn es eher der Erfolg der kleinen Schritte ist. "Wenn man sich mit Menschenrechten beschäftigt, muss man sich auch mit wenig zufrieden geben – leider. Das dauert lange, man hat oft keinen Erfolg, aber man darf nicht aufgeben. Die Welt würde trotzdem anders aussehen, wenn wir nicht die Menschenrechtsdeklaration gehabt hätten. Andererseits ist wahr, dass wir Darfur haben, all diese schrecklichen Morde. Aber ich glaube, die Welt ist anders geworden. Nehmen Sie Südafrika, die Diktaturen in Lateinamerika sind weniger geworden, die Sowjetunion existiert nicht mehr. Das Recht hat doch etwas geholfen."

Ein beeindruckendes Leben und ein ebenso beeindruckender Mann. Dies zeigt sich auch in dem Gespräch, das Gisela Steinhauer mit Thomas Buergenthal geführt hat und das wir heute von 9:07 Uhr bis 11 Uhr senden.

Literaturhinweis:
Thomas Buergenthal, "Ein Glückskind – Wie ein kleiner Junge zwei Ghettos, Auschwitz und den Todesmarsch überlebte und ein neues Leben fand". Verlag S. Fischer, 2007