Anfeindungen gegen Forschende

Die Treiber des Hasses konkret benennen

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Illustration: Schwarzes Strichmännchen auf rotem Hintergrund, das von einem wütenden Hasser mit der Faust geschlagen wird, die aus einem Computerbildschirm herausfliegt.
Eine neue Qualität des Hasses sieht auch der Kulturjournalist Tobi Müller. Politische und strafrechtliche Mittel seien hilfreicher dagegen als ein Aufruf zu mehr Zivilisiertheit. © Getty Images / iStockphoto / leremy
Tobi Müller im Gespräch mit Jana Münkel · 20.12.2021
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Hass, Hetze und Häme: Davon berichten 31 Forschende, die ihr Wissen regelmäßig mit der Öffentlichkeit teilen. Sie sehen eine Gefährdung der Demokratie. Zu hochgegriffen findet das der Kulturjournalist Tobi Müller. Und nicht konkret genug.
Die Virologin Sandra Ciesek, der Arzt Christian Karagiannidis, die Chemikerin und Wissenschaftsjournalistin Mai Thi Nguyen-Kim: Sie gehören zu den 31 Forscherinnen und Forschern, die auf Zeit Online von immer mehr Hass und Hetze gegen sich selbst berichten. Sie stehen besonders in der Öffentlichkeit, weil sie ihr Wissen teilen.
"Wenn Besserwisserei in Hass gegen Wissenschaft und populistische Polemik umschlägt, ist die Demokratie in Gefahr", warnt zum Beispiel der Klimaforscher Wolfgang Lucht in diesem Zusammenhang.
"Ich bin da sehr gespalten", bekennt der Kulturjournalist Tobi Müller. Er habe zum einen "großen Respekt" vor diesen Stimmen. Es sei "furchtbar", wenn man mit Hass überschüttet werde oder plötzlich Schutz brauche: "Das nimmt alles neue Qualitäten an."

"Clash der Systeme"

Andererseits kritisiert er das "leicht Hochfahrende", wie er es nennt: "dass es sofort demokratiezersetzend sei, wenn quasi die eigenen Daten oder Forschungen nicht eins zu eins oder vielleicht auch anders interpretiert werden." Der Journalist sieht darin einen "Clash der Systeme", also der Wissenschaft mit der Öffentlichkeit und damit den Medien und der Politik.
"Da hätte ich mir gewünscht, dass die einzelnen Statements konkreter sind. Man kann es nämlich auch genauer sagen", so Müller. Die "Treiber des Hasses" aufseiten der Medien sieht er vor allem im Axel-Springer-Verlag, bei BILD und teilweise auch WELT.

Aufruf zu mehr Zivilisiertheit hilft nicht gegen Hass im Netz

Gegen Hass im Netz bis hin zu Morddrohungen kann man nach Überzeugung des Journalisten nicht vorgehen, indem man zu "mehr Zivilisiertheit" aufruft. Dafür gebe es politische Mittel wie das Netzwerkdurchsetzungsgesetz oder eine stärkere Regulierung von Plattformen, aber auch die strafrechtliche Verfolgung.
(bth)

Tobi Müller ist Kulturjournalist, Moderator und Autor („Play Pause Repeat“, erschienen im Carl Hanser Verlag Berlin). Seine Themen sind Pop, Theater und Digitalisierung. Untere anderem ist er auch als Rezensent für Deutschlandfunk Kultur tätig.

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