Haruki Murakami: „Gesammelte T-Shirts“

Ein buntes Stück Stoff, literarisch betrachtet

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Das Foto zeigt das Buchcover von "Gesammelte T-Shirts" von Haruki Murakami. Das Cover zeigt eine Jeanshose, auf der im Stil eines Kleidungslogos ein großes "M" aufgenäht ist sowie der Buchtitel und der Autorenname.
© DuMont Buchverlag

Haruki Murakami

übersetzt von Ursula Gräfe

Gesammelte T-ShirtsDumont, Köln 2021

187 Seiten

24,00 Euro

Von Carsten Hueck  · 24.12.2021
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Haruki Murakami ist ein leidenschaftlicher Sammler von Büchern, Schallplatten und T-Shirts. Letztere stellt er jetzt vor, mit Bildern und kleinen Geschichten versehen.
Haruki Murakami ist wohl der einflussreichste japanische Autor seiner Generation und einer der ewigen Anwärter auf den Literaturnobelpreis – und geht bislang immer wieder leer aus. Der bekennende Kafka-Fan und Sohn eines buddhistischen Priesters schreibt dennoch fleißig weiter, selbst wenn es, wie in diesem Fall, mal keine Weltliteratur ist.
“Gesammelte T-Shirts“ ist ein kleines, im Plauderton gehaltenes Büchlein, in dem Murakami, ein manischer Schallplatten- und Büchersammler, von seiner Leidenschaft für T-Shirts berichtet.

Gut sortierter Kleiderschrank

Dafür öffnet er seinen gut sortierten Kleiderschrank: 108 T-Shirts sind im Buch abgebildet, 73 davon mit kleinen Geschichten versehen - und die passen meist auf etwas weniger als eine Seite.
Die T-Shirts sind meist farbig, oft mit Logos, Symbolen, Werbesprüchen oder auf den ersten Blick rätselhaften Sätzen versehen.
Grob unterscheiden lassen sich dabei acht verschiedene Kategorien, und zwar aus den Bereichen: Surfen und Marathonlauf, Whisky, Bier, Buchläden, Universitäten, Musik und Tiere. Bei den Tieren finden sich besonders viele Motive von Echsen, Vögeln und Bären. Aber auch Fuchs und Affe tauchen auf.
Mal bekennt Murakami, dass er ein Tier einfach „niedlich“ fand und das Kleidungsstück deshalb erwarb. Oder er erzählt weitläufige Geschichten. Eins hat er von einem Leser bekommen, der sich von Murakamis Roman „Die Chroniken des Aufziehvogels“ inspiriert fühlte und eigens ein Vogelmotiv dazu entwarf.

Wer ist Tony Takitani?

Der Autor selbst hat sich aber auch von einem T-Shirt inspirieren lassen: Gelb ist es, mit blauem Schriftzug “Tony Takitani“. Murakami kaufte es für einen Dollar in einem Secondhand-Shop auf der hawaiianischen Insel Maui. Er stellte sich vor, wer dieser Tony Takitani wohl sei? Und machte ihn prompt zum Helden einer seiner Erzählungen. Später wurde diese Erzählung sogar verfilmt.
„Von allen Investitionen, die ich je in meinem Leben getätigt habe, war dies eindeutig die lohnendste“, bekennt der Autor jetzt. Und erzählt weiter, dass sich nach Erscheinen des Buches tatsächlich ein Tony Takitani bei ihm meldete und damit das Rätsel seiner Identität löste.
In der Geschichte zum roten T-Shirt mit Schrifttyp von Heinz-Ketchup, „I put Ketchup on my Ketchup“, erzählt Murakami, dass, wann immer er in die USA einreist, er als erstes einen Hamburger verspeise. „Das Beste überhaupt ist, sich ein Coors-Light vom Fass und einen Cheeseburger zu bestellen.“
Dabei lausche er dem Klirren von Tellern und Gläsern. Und erst dann habe er das Gefühl, angekommen zu sein. Der Ketchup-Schriftzug drücke für ihn die „Unbekümmertheit des American Spirit“ aus: zu leben wie man will, indem man sogar Ketchup aufs Ketchup mache.

Auf Du und Du mit Murakamis T-Shirts

Man kann solche Geschichten zu den T-Shirts erheiternd finden, ist man doch auf Du und Du mit Murakamis T-Shirts, tiefschürfend sind sie in den seltensten Fällen. Anders als etwa Nick Hornby, der mit „High Fidelity“ der Sammelwut von Männern, in Hornbys Fall waren es Schallplatten, ein Denkmal gesetzt hat, geht es bei Murakami vor allem um sich selbst. Auch wenn es ja immer wieder heißt, Murakami spreche nicht so gern über sich selbst. Hier tut er es.
Folgerichtig erfährt man so allerlei Persönliches über den Träger. Wo er gelebt hat (Hawaii), in welchen Städten er am Liebsten Schallplatten kauft (New York und Stockholm) oder dass es in einer Whisky-Bar in seiner Nachbarschaft 30 Prozent Preisnachlass zur Happy Hour gibt. Und so taugt dieses kleine Buch selbst wiederum als Sammelobjekt – und zwar für echte Murakami-Fans.
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