Hartz IV-Tagessatz reicht nicht für gesunde Kinder-Ernährung
Das Forschungsinstitut für Kinderernährung Dortmund hat in einer Studie belegt, dass der Tagessatz in Hartz IV-Haushalten nicht ausreicht, um die Kinder gesund ernähren zu können. Die Autorin der Studie, Mathilde Kersting, sagte im Deutschlandradio Kultur, etwa 40 Prozent fehlen, um die empfohlene optimierte Mischkost einzukaufen. Da die Kosten für die Ernährung mit zunehmenden Alter der Kinder steigen, müsste die Pauschale enger gestaffelt werden, forderte Kersting.
König: Dass Hartz IV nicht ausreicht, um Kinder und Jugendliche richtig ernähren zu können, wissen viele Hartz IV-Empfänger schon länger, jetzt wurde es auch offiziell festgestellt: in einer Studie des Forschungsinstituts für Kinderernährung Dortmund an der Universität Bonn, Kerstin Clausen und Dr. Mathilde Kersting haben die Studie erarbeitet. Frau Kersting ist jetzt am Telefon, guten Morgen!
Mathilde Kersting: Guten Morgen, Herr König.
König: Rechnen Sie uns doch mal vor - inwiefern reicht Hartz IV nicht, um Kinder und Jugendliche richtig ernähren zu können?
Kersting: Ich kann Ihnen das ganz einfach in einigen Zahlen ausdrücken. Es fehlen etwa 40 Prozent der Kosten für eine gesunde Ernährung, wenn man das Geld zur Verfügung hat, was Hartz IV-Haushalte für die Kinderernährung zur Verfügung haben.
König: Können Sie das an einem Beispiel mal vorrechnen?
Kersting: Ja. Also, der Tagessatz für die Kinderernährung in Hartz IV-Haushalten für Kinder bis 13 Jahren ist grob gesagt mit 2,57 Euro zu veranschlagen, und die gesunde Ernährung, die wir empfehlen, die optimierte Mischkost für Kinder in diesem Alter, die kostet zwischen 3 Euro und 5 Euro.
König: Wir reden über eine Studie. Wie sind Sie vorgegangen, um zu Ihren Zahlen zu kommen?
Kersting: Wir sind so vorgegangen, dass wir die Preise der Lebensmittel in der von uns empfohlenen, optimierten Mischkost für Kinder in Lebensmittelgeschäften in Dortmund erhoben haben. Und der Vorteil dieser optimierten Mischkost, einer der Vorteile, ist, dass sie in Lebensmittelmengen ganz konkret ausgedrückt ist, es wird also angegeben, welche Lebensmittel in welchen Mengen Kinder essen sollten. Und insofern konnten wir sehr genau ermitteln, wie teuer die Lebensmittel für die Kinder in verschiedenen Altersgruppen sind, und dabei haben wir dann eben diese Lücke festgestellt.
König: Was kostet denn wo wie viel, können Sie das mal ein bisschen aufsplitten?
Kersting: Also, wir haben die Preise erhoben in Supermärkten und in Bioläden auch, und bei Discountern. Zum Bioladen ist zu sagen, die optimierte Mischkost und deren Gesundheitswert hängt nicht davon ab, ob ich Biolebensmittel oder herkömmliche Lebensmittel kaufe, also, die höheren Preise sind nicht unbedingt notwendig, um Kinder gesund zu ernähren. Es reicht also aus, in herkömmlichen Geschäften zu kaufen und die hauptsächlichen Kosten für die gesunde Ernährung kommen zustande aus Obst und Gemüse, weil das Lebensmittel sind, die nährstoffreich sind, einen großen Vorteil haben, wenig dick machen, weil sie wenig Kalorien enthalten und in reichlichen Mengen verzehrt werden sollen.
König: Wenn ich es richtig erinnere, sagten Sie, 2,57 Euro sieht Hartz IV im Regelsatz vor für Kinder bis 13, ich vermute, für Jugendliche ab 13, oder ab 14 dann, ist es ein bisschen mehr?
Kersting: Es ist ein bisschen mehr. Da sind es 3,40 Euro etwa. Also, was zu kritisieren ist, dass es nur eine Pauschale gibt für Kinder im Alter von 2 Jahren bis 13 Jahren, obwohl der Bedarf und damit auch die Kosten der Ernährung natürlich ansteigen, wenn die Kinder älter werden. Man müsste also eigentlich diesen Satz viel enger staffeln.
König: Und was haben Sie ausgerechnet für Ihre, wie Sie es nennen, optimierte Mischkost, was würde das pro Tag kosten?
Kersting: Die kostet zwischen drei Euro und sechs Euro pro Tag, also, drei Euro für die jüngeren Kinder, für die Vorschulkinder, und sechs Euro für die Jugendlichen.
König: Das wäre also eine Steigerung, wenn ich das grob rechne, so zwischen 30 und 40 Prozent müssten draufgelegt werden?
Kersting: Müssten draufgelegt werden, genau, damit praktisch mit dem Hartz IV-Regelsatz die Tagesernährung geleistet werden kann. Etwa 40 Prozent fehlen, oder sind die Differenz zwischen dem Betrag, den die Familien haben, und dem, was die von uns empfohlene Ernährung kosten würde pro Tag.
König: Ich vermute, je älter die Kinder werden, desto größer wird dann auch die Lücke zwischen dem, was nötig, und dem, was an Geld vorhanden ist?
Kersting: Genau, desto größer wird die Lücke. Also, bei den jüngeren Kindern kann es gerade eben noch ausreichen, wenn die Eltern fast ausschließlich beim Discounter kaufen und selbst da ist es ganz knapp.
König: Lassen Sie uns noch mal etwas detaillierter auf die von Ihnen genannte optimierte Mischkost eingehen - das ist ein Konzept, kurz Optimix genannt. Was sieht es genau vor? Also, wenn uns jetzt Menschen zuhören, die davon betroffen sind, was können sie konkret tun, um diese optimierte Mischkost auch in ihre Küche zu bringen?
Kersting: Also, zunächst mal ist es eine ganz einfache Kost, man braucht da keine teuren Fertigprodukte, sondern da reichen herkömmliche Lebensmittel aus. Man braucht keine nährstoffangereicherten Produkte wie Multivitaminsäfte oder wie multivitaminangereicherte Getreideflocken, und es gibt drei ganz einfache Regeln für die Lebensmittelauswahl und die lauten: Reichlich pflanzliche Lebensmittel und Getränke, mäßig tierische Lebensmittel, und sparsam fett- und zuckerreiche Lebensmittel. Wenn man sich an diesen Regeln orientiert, ist man mindestens auf der richtigen Richtung.
König: Und reichlich, wenn ich es noch mal kurz zusammenfassen darf, Getränke, Gemüse, Obst, Brot und Getreide, Kartoffeln, so was meinen Sie, mäßig Milch, Wurst, Eier, Fisch, und sparsam ...
Kersting: ... fett- und zuckerreiche Lebensmittel, das heißt auch, dass Süßigkeiten oder Schokolade, Gebäck, nicht verboten sind, die sollten nur in sparsamen Mengen und selten gegessen werden. Also, auch das ist in dem von uns entwickelten Konzept der optimierten Mischkost mit enthalten. Kinder müssen nicht auf diese Produkte verzichten.
König: Wo kann man das nachlesen?
Kersting: Eltern können das nachlesen in einer Broschüre, die wir geschrieben haben, die ganz praktisch in Form von Lebensmitteln ausgedrückt ist, in der es sogar noch einen beispielhaften Speiseplan gibt, wo man dann sehen kann, wie die einzelnen Mahlzeiten gestaltet werden können. Und wer es ganz praktisch visuell haben möchte, der kann eine sogenannte Mahlzeitenpyramide bei uns erhalten und da sind die Lebensmittel aufgemalt, grafisch dargestellt, in den Proportionen, wie sie in Mahlzeiten enthalten sein sollen. Und wir halten diese Mahlzeiten bezogenen Empfehlungen für sehr praxisnah, weil Kinder ja in Mahlzeiten ihre Ernährung erleben. Kinder erleben die Ernährung nicht als Tagesernährung, das ist viel zu abstrakt für Kinder.
König: Und ich vermute, mehr Mahlzeiten sind besser als alles gehäuft auf zwei oder drei?
Kersting: Also, aus gesundheitlichen Gründen, auch aus Gründen der Vorbeugung von Übergewicht, ist es sinnvoll, in mehreren Portionen zu essen, und wir empfehlen fünf Mahlzeiten am Tag. Eine davon ist eine warme Mahlzeit, die jetzt in Ganztagsschulen zum Beispiel als Mittagessen angeboten wird, zwei kalte Hauptmahlzeiten, Frühstück und Abendessen, das sind die sogenannten Brotmahlzeiten, zu denen man in Deutschland üblicherweise Brot isst oder ein Müsli verzehrt, und zwei Zwischenmahlzeiten. Eine davon wäre das Pausenbrot zum Beispiel, in der Schule.
König: Frau Kersting, lassen Sie uns über die Schlussfolgerungen sprechen, die aus Ihrer Studie gezogen werden können oder müssen. Sie haben schon gesagt, 30 bis 40 Prozent müssten die Regelsätze für Hartz IV angehoben werden. Sie schreiben in Ihrer Studie: "Wenn politische Willenserklärungen ernst gemeint sind, wonach Kinder unsere Zukunft sind und Kampagnen mit dem Slogan 'Besser essen, mehr bewegen' allen Kindern und Jugendlichen zugute kommen sollen, dann müssten die derzeitigen Ansätze des Arbeitslosengeldes II für Kinder und Jugendliche hinsichtlich der Ernährung neu durchdacht werden." Glauben Sie, dass das geschehen wird? Es sind ja im Moment viele Dinge im Schwange, die darauf letztlich hinauslaufen, den armen Familien mehr Geld zukommen zu lassen.
Kersting: Wir haben uns ja nun auch noch sehr vorsichtig ausgedrückt und haben gesagt, dass es neu durchdacht werden müsse. Davon sind wir auch überzeugt. Wir haben eine ganze Reihe an Resonanz bekommen auf unsere Studie, unter anderem auch von Ministerien, interessanterweise eher aus den ostdeutschen Ländern als aus den westdeutschen Ländern. Ich habe aber noch keine direkte Reaktion gehört und gesehen, ich verfolge aber mit Interesse die Diskussion, in denen ja auch immer wieder jetzt im Rahmen dieser Gesamtdiskussion Hartz IV und Familien die Frage der Ernährung aufgeworfen wird.
König: Es hat ja auch Vorschläge gegeben oder Anfragen gegeben, ob es nicht besser wäre, kein Geld auszuzahlen, sondern Hartz IV zumindest teilweise in Sachwerten auszugeben, oder in Gutscheinen, damit das Geld eben nicht zweckentfremdet werden kann. Was halten Sie davon?
Kersting: Das sind Dinge, die man ansprechen kann, aber selbst wenn man Gutscheine verteilen würde, müsste man die Familien auch noch anhalten, das haben wir auch in unserer Publikation empfohlen, die Familien besser informieren, wie sie mit Lebensmitteln umgehen. Man muss nicht teuer einkaufen, man kann preiswert einkaufen, man muss aber trotzdem auch wissen, wie man Lebensmittel zubereitet und da fehlt es - nicht nur in Familien von Hartz IV-Haushalten, sondern generell in der deutschen Bevölkerung - an Kenntnissen über die Lebensmittelzubereitung. Und insofern empfehlen wir, dass Ernährungsinformationen praktischer als bisher ausgedrückt werden.
König: Wenn man bedenkt, wie wichtig das Essen ist und gesundes Essen, und wenn man vielleicht gerade jetzt Ende des Sommers auch mit Erfahrungen aus anderen Ländern wieder hier nach Deutschland kommt, ist doch eigentlich erstaunlich, wie gering die Aufmerksamkeit hier ist für das, was auf den Tisch kommt.
Kersting: Das ist leider in Deutschland so, und das ist leider in Deutschland anders als in anderen Ländern. In Deutschland spielt die Ernährung nicht so eine Rolle, die ist auch gesellschaftlich nicht so angesehen. Das Essen ist mehr ein Mittel zum Sattwerden, während in anderen Ländern das Essen auch zum alltäglichen Leben mit dazugehört und auch mehr als Genuss wahrgenommen wird, und da guckt man auch nicht auf den Cent und auf den Euro so wie in Deutschland. In Deutschland geht es immer drum, möglichst billig satt zu werden, und das ist leider auch ein kulturelles Problem in Deutschland, was wir nicht auf Dauer und auf die Schnelle lösen können.
Aber wir sollten uns zumindestens bemühen, dem Essen einen größeren Stellenwert einzuräumen, was auch mit gesundheitlichen Vorteilen auf Dauer verbunden wäre, weil gesundes Essen in der frühen Kindheit ist eine wichtige Präventionsmaßnahme hinsichtlich späterer Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Krankheiten und natürlich auch Übergewicht.
Mathilde Kersting: Guten Morgen, Herr König.
König: Rechnen Sie uns doch mal vor - inwiefern reicht Hartz IV nicht, um Kinder und Jugendliche richtig ernähren zu können?
Kersting: Ich kann Ihnen das ganz einfach in einigen Zahlen ausdrücken. Es fehlen etwa 40 Prozent der Kosten für eine gesunde Ernährung, wenn man das Geld zur Verfügung hat, was Hartz IV-Haushalte für die Kinderernährung zur Verfügung haben.
König: Können Sie das an einem Beispiel mal vorrechnen?
Kersting: Ja. Also, der Tagessatz für die Kinderernährung in Hartz IV-Haushalten für Kinder bis 13 Jahren ist grob gesagt mit 2,57 Euro zu veranschlagen, und die gesunde Ernährung, die wir empfehlen, die optimierte Mischkost für Kinder in diesem Alter, die kostet zwischen 3 Euro und 5 Euro.
König: Wir reden über eine Studie. Wie sind Sie vorgegangen, um zu Ihren Zahlen zu kommen?
Kersting: Wir sind so vorgegangen, dass wir die Preise der Lebensmittel in der von uns empfohlenen, optimierten Mischkost für Kinder in Lebensmittelgeschäften in Dortmund erhoben haben. Und der Vorteil dieser optimierten Mischkost, einer der Vorteile, ist, dass sie in Lebensmittelmengen ganz konkret ausgedrückt ist, es wird also angegeben, welche Lebensmittel in welchen Mengen Kinder essen sollten. Und insofern konnten wir sehr genau ermitteln, wie teuer die Lebensmittel für die Kinder in verschiedenen Altersgruppen sind, und dabei haben wir dann eben diese Lücke festgestellt.
König: Was kostet denn wo wie viel, können Sie das mal ein bisschen aufsplitten?
Kersting: Also, wir haben die Preise erhoben in Supermärkten und in Bioläden auch, und bei Discountern. Zum Bioladen ist zu sagen, die optimierte Mischkost und deren Gesundheitswert hängt nicht davon ab, ob ich Biolebensmittel oder herkömmliche Lebensmittel kaufe, also, die höheren Preise sind nicht unbedingt notwendig, um Kinder gesund zu ernähren. Es reicht also aus, in herkömmlichen Geschäften zu kaufen und die hauptsächlichen Kosten für die gesunde Ernährung kommen zustande aus Obst und Gemüse, weil das Lebensmittel sind, die nährstoffreich sind, einen großen Vorteil haben, wenig dick machen, weil sie wenig Kalorien enthalten und in reichlichen Mengen verzehrt werden sollen.
König: Wenn ich es richtig erinnere, sagten Sie, 2,57 Euro sieht Hartz IV im Regelsatz vor für Kinder bis 13, ich vermute, für Jugendliche ab 13, oder ab 14 dann, ist es ein bisschen mehr?
Kersting: Es ist ein bisschen mehr. Da sind es 3,40 Euro etwa. Also, was zu kritisieren ist, dass es nur eine Pauschale gibt für Kinder im Alter von 2 Jahren bis 13 Jahren, obwohl der Bedarf und damit auch die Kosten der Ernährung natürlich ansteigen, wenn die Kinder älter werden. Man müsste also eigentlich diesen Satz viel enger staffeln.
König: Und was haben Sie ausgerechnet für Ihre, wie Sie es nennen, optimierte Mischkost, was würde das pro Tag kosten?
Kersting: Die kostet zwischen drei Euro und sechs Euro pro Tag, also, drei Euro für die jüngeren Kinder, für die Vorschulkinder, und sechs Euro für die Jugendlichen.
König: Das wäre also eine Steigerung, wenn ich das grob rechne, so zwischen 30 und 40 Prozent müssten draufgelegt werden?
Kersting: Müssten draufgelegt werden, genau, damit praktisch mit dem Hartz IV-Regelsatz die Tagesernährung geleistet werden kann. Etwa 40 Prozent fehlen, oder sind die Differenz zwischen dem Betrag, den die Familien haben, und dem, was die von uns empfohlene Ernährung kosten würde pro Tag.
König: Ich vermute, je älter die Kinder werden, desto größer wird dann auch die Lücke zwischen dem, was nötig, und dem, was an Geld vorhanden ist?
Kersting: Genau, desto größer wird die Lücke. Also, bei den jüngeren Kindern kann es gerade eben noch ausreichen, wenn die Eltern fast ausschließlich beim Discounter kaufen und selbst da ist es ganz knapp.
König: Lassen Sie uns noch mal etwas detaillierter auf die von Ihnen genannte optimierte Mischkost eingehen - das ist ein Konzept, kurz Optimix genannt. Was sieht es genau vor? Also, wenn uns jetzt Menschen zuhören, die davon betroffen sind, was können sie konkret tun, um diese optimierte Mischkost auch in ihre Küche zu bringen?
Kersting: Also, zunächst mal ist es eine ganz einfache Kost, man braucht da keine teuren Fertigprodukte, sondern da reichen herkömmliche Lebensmittel aus. Man braucht keine nährstoffangereicherten Produkte wie Multivitaminsäfte oder wie multivitaminangereicherte Getreideflocken, und es gibt drei ganz einfache Regeln für die Lebensmittelauswahl und die lauten: Reichlich pflanzliche Lebensmittel und Getränke, mäßig tierische Lebensmittel, und sparsam fett- und zuckerreiche Lebensmittel. Wenn man sich an diesen Regeln orientiert, ist man mindestens auf der richtigen Richtung.
König: Und reichlich, wenn ich es noch mal kurz zusammenfassen darf, Getränke, Gemüse, Obst, Brot und Getreide, Kartoffeln, so was meinen Sie, mäßig Milch, Wurst, Eier, Fisch, und sparsam ...
Kersting: ... fett- und zuckerreiche Lebensmittel, das heißt auch, dass Süßigkeiten oder Schokolade, Gebäck, nicht verboten sind, die sollten nur in sparsamen Mengen und selten gegessen werden. Also, auch das ist in dem von uns entwickelten Konzept der optimierten Mischkost mit enthalten. Kinder müssen nicht auf diese Produkte verzichten.
König: Wo kann man das nachlesen?
Kersting: Eltern können das nachlesen in einer Broschüre, die wir geschrieben haben, die ganz praktisch in Form von Lebensmitteln ausgedrückt ist, in der es sogar noch einen beispielhaften Speiseplan gibt, wo man dann sehen kann, wie die einzelnen Mahlzeiten gestaltet werden können. Und wer es ganz praktisch visuell haben möchte, der kann eine sogenannte Mahlzeitenpyramide bei uns erhalten und da sind die Lebensmittel aufgemalt, grafisch dargestellt, in den Proportionen, wie sie in Mahlzeiten enthalten sein sollen. Und wir halten diese Mahlzeiten bezogenen Empfehlungen für sehr praxisnah, weil Kinder ja in Mahlzeiten ihre Ernährung erleben. Kinder erleben die Ernährung nicht als Tagesernährung, das ist viel zu abstrakt für Kinder.
König: Und ich vermute, mehr Mahlzeiten sind besser als alles gehäuft auf zwei oder drei?
Kersting: Also, aus gesundheitlichen Gründen, auch aus Gründen der Vorbeugung von Übergewicht, ist es sinnvoll, in mehreren Portionen zu essen, und wir empfehlen fünf Mahlzeiten am Tag. Eine davon ist eine warme Mahlzeit, die jetzt in Ganztagsschulen zum Beispiel als Mittagessen angeboten wird, zwei kalte Hauptmahlzeiten, Frühstück und Abendessen, das sind die sogenannten Brotmahlzeiten, zu denen man in Deutschland üblicherweise Brot isst oder ein Müsli verzehrt, und zwei Zwischenmahlzeiten. Eine davon wäre das Pausenbrot zum Beispiel, in der Schule.
König: Frau Kersting, lassen Sie uns über die Schlussfolgerungen sprechen, die aus Ihrer Studie gezogen werden können oder müssen. Sie haben schon gesagt, 30 bis 40 Prozent müssten die Regelsätze für Hartz IV angehoben werden. Sie schreiben in Ihrer Studie: "Wenn politische Willenserklärungen ernst gemeint sind, wonach Kinder unsere Zukunft sind und Kampagnen mit dem Slogan 'Besser essen, mehr bewegen' allen Kindern und Jugendlichen zugute kommen sollen, dann müssten die derzeitigen Ansätze des Arbeitslosengeldes II für Kinder und Jugendliche hinsichtlich der Ernährung neu durchdacht werden." Glauben Sie, dass das geschehen wird? Es sind ja im Moment viele Dinge im Schwange, die darauf letztlich hinauslaufen, den armen Familien mehr Geld zukommen zu lassen.
Kersting: Wir haben uns ja nun auch noch sehr vorsichtig ausgedrückt und haben gesagt, dass es neu durchdacht werden müsse. Davon sind wir auch überzeugt. Wir haben eine ganze Reihe an Resonanz bekommen auf unsere Studie, unter anderem auch von Ministerien, interessanterweise eher aus den ostdeutschen Ländern als aus den westdeutschen Ländern. Ich habe aber noch keine direkte Reaktion gehört und gesehen, ich verfolge aber mit Interesse die Diskussion, in denen ja auch immer wieder jetzt im Rahmen dieser Gesamtdiskussion Hartz IV und Familien die Frage der Ernährung aufgeworfen wird.
König: Es hat ja auch Vorschläge gegeben oder Anfragen gegeben, ob es nicht besser wäre, kein Geld auszuzahlen, sondern Hartz IV zumindest teilweise in Sachwerten auszugeben, oder in Gutscheinen, damit das Geld eben nicht zweckentfremdet werden kann. Was halten Sie davon?
Kersting: Das sind Dinge, die man ansprechen kann, aber selbst wenn man Gutscheine verteilen würde, müsste man die Familien auch noch anhalten, das haben wir auch in unserer Publikation empfohlen, die Familien besser informieren, wie sie mit Lebensmitteln umgehen. Man muss nicht teuer einkaufen, man kann preiswert einkaufen, man muss aber trotzdem auch wissen, wie man Lebensmittel zubereitet und da fehlt es - nicht nur in Familien von Hartz IV-Haushalten, sondern generell in der deutschen Bevölkerung - an Kenntnissen über die Lebensmittelzubereitung. Und insofern empfehlen wir, dass Ernährungsinformationen praktischer als bisher ausgedrückt werden.
König: Wenn man bedenkt, wie wichtig das Essen ist und gesundes Essen, und wenn man vielleicht gerade jetzt Ende des Sommers auch mit Erfahrungen aus anderen Ländern wieder hier nach Deutschland kommt, ist doch eigentlich erstaunlich, wie gering die Aufmerksamkeit hier ist für das, was auf den Tisch kommt.
Kersting: Das ist leider in Deutschland so, und das ist leider in Deutschland anders als in anderen Ländern. In Deutschland spielt die Ernährung nicht so eine Rolle, die ist auch gesellschaftlich nicht so angesehen. Das Essen ist mehr ein Mittel zum Sattwerden, während in anderen Ländern das Essen auch zum alltäglichen Leben mit dazugehört und auch mehr als Genuss wahrgenommen wird, und da guckt man auch nicht auf den Cent und auf den Euro so wie in Deutschland. In Deutschland geht es immer drum, möglichst billig satt zu werden, und das ist leider auch ein kulturelles Problem in Deutschland, was wir nicht auf Dauer und auf die Schnelle lösen können.
Aber wir sollten uns zumindestens bemühen, dem Essen einen größeren Stellenwert einzuräumen, was auch mit gesundheitlichen Vorteilen auf Dauer verbunden wäre, weil gesundes Essen in der frühen Kindheit ist eine wichtige Präventionsmaßnahme hinsichtlich späterer Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Krankheiten und natürlich auch Übergewicht.