Hartmann Schedel

Kostbare "Weltchronik" in sieben Zeitaltern

Der Leiter der Abteilung Handschriften und Sondersammlungen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek in Jena, Joachim Ott, zeigt die "Weltchronik" von Hartmann Schedel aus dem Jahr 1493.
Diese "Weltchronik" von Hartmann Schedel aus dem Jahr 1493 ist im Besitz der Universitätsbibliothek Jena © dpa / picture alliance / Jan-Peter Kasper
Von Jürgen Bräunlein · 28.11.2014
Die "Schedelsche Weltchronik" ist eines der imposantesten Buchprojekte des 15. Jahrhunderts. Zusammengestellt und herausgegeben hat sie ein Nürnberger Universalgelehrter, Hartmann Schedel, der heute vor 500 Jahren starb.
"Sammelt das Verstreute, damit es nicht verloren geht."
Das schrieb der Arzt, Humanist und Weltenbummler Hartmann Schedel in einem seiner Bücher. Es war das Lebensmotto eines Mannes, dem seine Karriere als offiziell bestallter Arzt der Reichsstadt Nürnberg nicht genügte. Wie ein Schwamm saugte er neuzeitliches Wissen in sich auf und trug es für die Nachwelt zusammen. Gebildet, vermögend und selbstbewusst repräsentierte Schedel eine neue Zeit, die vor allem durch zwei Dinge geprägt war: eine blühende Stadtkultur und die kurz zuvor entdeckte Kunst des Buchdrucks.
Am 13. Februar 1440 wurde Hartmann Schedel als Sohn eines wohlhabenden Kaufmanns in Nürnberg geboren − mit elf Jahren war er Vollwaise. Das Erbe des Vaters und die Unterstützung eines einflussreichen Vetters ermöglichten es Schedel, im Alter von erst 16 Jahren Rechtswissenschaften und Freie Künste in Leipzig zu studieren. Dort hörte er auch die Aufsehen erregenden frühhumanistischen Vorlesungen des Mediziners Peter Luder.
Freude am Abschreiben
Davon angeregt ging Schedel nach Padua, um ein Medizinstudium zu beginnen, und lernte als einer der ersten Deutschen überhaupt Griechisch am dort neu gegründeten Lehrstuhl für Altphilologie. Mit 26 kehrte er ins Fränkische zurück und arbeitete viele Jahre lang als Stadtarzt, bis er sich endgültig in Nürnberg niederließ. Doch das, was Hartmann Schedel wirklich begeisterte, war etwas anderes: das Sammeln von Handschriften, Grafiken, gedruckten Büchern, die Freude am Kopieren durch Abschreiben.
Jürgen Geiß, Experte für Handschriften und frühe Drucke an der Staatsbibliothek in Berlin:
"Seine Bücher sind förmlich verziert mit grafischen Blättern, Sinnsprüchen, wunderschönen Einbänden, er hatte eine Bibliothek von 700, 800, 900 Büchern besessen, wahrscheinlich, am Ende seines Lebens, eine der größten Privatbibliotheken nördlich der Alpen."
Doch nicht der Aufbau einer eigenen Sammlung war Hartmann Schedels größte Leistung, sondern die "Weltchronik", die er in jahrelanger Quellenarbeit zusammengestellt und um eigene Textpassagen erweitert hat. Die "Schedelsche Weltchronik", die im Juli 1493 auf Latein erschien, war neben den großen Bibelausgaben das aufwändigste und kostspieligste Verlagsprodukt seiner Zeit: 326 Blätter, illustriert mit 1800 Holzschnitten, darunter vermutlich auch Entwürfe von Albrecht Dürer, und gedruckt von Anton Koberger, der in Nürnberg das damals leistungsfähigste Druckhaus Europas besaß.
Am Ende kommt das Jüngste Gericht
Schedel verzahnte historische Ereignisse mit Naturkatastrophen, Kriege mit Berichten über Stadtgründungen und streute zeitgenössische Fakten aus Wirtschaft, Handel und Kultur ein. Entfaltet wurde eine Weltgeschichte in sieben Zeitaltern, die sich an der Schöpfungsgeschichte orientierte und mit dem Jüngsten Gericht endet.
Jürgen Geiß: "Ich glaube, das Buch ist im Wesentlichen ein Werk der Repräsentativität. Bekannt sind die Städteansichten, man zeigt im Fernhandelskontext, man ist ein Mann von Welt, will auch denjenigen, die in Nürnberg sind, zeigen, da und dort und dort habe ich meine Geschäftsverbindungen. Und die Nürnberger Kaufleute hatten europaweit extrem weit gespannte Geschäftsbeziehungen."
In einer Werbeanzeige, die erhalten geblieben ist, erläuterte Schedel, worin er das Besondere seiner Weltchronik sah: die lebendige Verbindung von Text und Bild:
"So vermag der Leser die Abfolge der Zeiten nicht nur zu lesen, sondern leibhaftig zu schauen."
Ein Erfolg wurde die "Weltchronik" dennoch nicht. Die beiden Kaufleute, die alles finanzierten, gingen leer aus. Schedel kümmerte das wenig, in einem humanistisch ambitionierten Gelehrtenkreis stillte er auch weiterhin seinen enormen Bildungshunger.
Als Hartmann Schedel am 28. November 1514 mit 74 Jahren in Nürnberg starb, war er ein wohlhabender Bürger, der zu den 92 "ehrbaren Familien" der Stadt gehörte. Seine Arztpraxis betrieb er bis zu seinem Tod, doch Nachruhm bescherte ihm allein die "Weltchronik". Die wenigen heute noch erhaltenen Exemplare erzielen, selbst wenn sie beschädigt sind, auf Versteigerungen Preise bis zu 500.000 Euro.
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