Harry Potter wird 40

Vom Zauberlehrling zum Spießer

04:02 Minuten
Eine Zeichnung von Harry Potter aus dem Jahr 2002.
Eine Kindheit voller Entbehrung, Demütigung und Isolation: Trotzdem ist aus Harry Potter ein ganz anständiger Zauberer geworden. © Getty Images / Gamma-Rapho / Xavier Rossi
Von Laf Überland · 31.07.2020
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Das erste Harry-Potter-Buch kam erst vor 23 Jahren heraus, aber seine Schöpferin J.K. Rowling gibt seinen Geburtstag mit 31. Juli 1980 an. Unser Autor hat sich gefragt, wie es dem Jungen mit 40 Jahren geht und was wir über ihn wissen.
Die markantesten Merkmale von Harry Potter waren stets seine schwarzen Haare, die grünen Augen, die runde Nickelbrille und seine Blitznarbe auf der Stirn, aber vor allem war er besonders klein für sein Alter: Die Neurowissenschaftlerin Jordan Gaines Lewis von der Pennsylvania State University vermutete deshalb vor ein paar Jahren, dass Harry an einer Wachstumsstörung namens 'psycho social short stature' - also psychosozialem Kleinwuchs (PSS) litt - einer durch Entbehrung, Verlust oder andauernde Isolation während der Kindheit bedingten Störung.
Was durchaus sein könnte angesichts des tiefen Traumas durch das Miterleben des Todes seiner Eltern – und durch die anhaltende Demütigung bei den monströsen Dursleys im Ligusterweg, die ihn in der Abstellkammer unter der Treppe wohnen ließen. Und auch in Hogwarts kam der junge Harry ja keineswegs zur Ruhe: mit Voldemort und Todessern als Gegnern, Basilisken, Dementoren, gruseligen Zauberturnieren und zahllosem Dahinscheiden naher Freunde. Aber im Zauberinternat erfuhr er zum ersten Mal Vertrauen und Familiengefühle, Bestätigung im Quidditch-Sport – und auch wenn er nicht emotional völlig gesundete, so wuchs er doch zu normaler Größe heran.
Im Grunde war Harry Potter immer schon ein Spießer – aber ein ganz lieber!
Nicht umsonst sah er ja stets, wenn er in den Spiegel der Wünsche schaute, sich selbst umgeben von einer glücklichen, liebenden Familie. Sein Herzenswunsch war es, geliebt zu werden und nicht allein zu sein. Und heute lebt er diesen Traum: mit seiner Frau Ginny (geborene Weasley) und den drei Kindern James Sirius, Albus Severus und Lily Luna.

Als Held heillos überfordert

Und er lebt zurückgezogen. Natürlich ist er als Held, der bis heute von seinen Anhänger*innen frenetisch als Vorbild gefeiert wird, heillos überfordert.
Ich meine: Wie muss sich der Chef der Aurorenabteilung im Zaubereiministerium Potter gefühlt haben, als am Tage nach Donald Trumps Amtseinführung 2017, beim Women’s March in Washington und anderswo, unzählige Plakate mit Harry-Potter-Verweisen hochgehalten wurden! Doch inzwischen ist Harry - Expecto Klischeeum! – ja ganz entspannt auch Teilzeithausmann. Gelegentlich kriegen die Potters Besuch von Gryffindor-Mitschülern.
Aber Ron und Hermine sehen sie nur selten, weil SIE in dem von ihr selbst gegründeten Bund für Elfenrechte genug damit zu schaffen hat, die verbesserte rechtliche Situation von magischen Wesen wie den Hauselfen in aller Welt durchzusetzen.

Merkwürdige Verzerrungen in der Muggelwelt

Allerdings gab es mit der engagierten Freundin neulich beinahe Streit: In der Muggelwelt verzerren nämlich derzeit merkwürdige Verwerfungen die Freude an den Harry-Potter-Geschichten – und zwar darum, ob eine Frau sich als Frau bezeichnen darf, ohne Transmenschen zu diskriminieren – oder ob sie sich zu den "People who menstruate" zählen muss. Harrys Biografin J.K. Rowling hatte für ersteres plädiert und damit weltweit Missmut und Anklage aufgewirbelt. Harry, Hermine und Ron haben sich daraufhin von ihr distanziert. Oder waren es die Darsteller der Verfilmungen?
Man kommt ganz durcheinander bei Harry Potter. Aber ihm selbst hat ja letzten Endes auch erst das allerletzte und alle Selbstzweifel beseitigende Wort seines Lehrers und Therapeuten Albus Dumbledore geholfen.
"Professor, ist das hier wirklich? Oder findet es bloß in meinem Kopf statt?" - "Es findet in deinem Kopf statt, ganz eindeutig, Harry. Aber muss das bedeuten, dass es nicht wirklich ist?"
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