Harry Kupfer inszeniert "Ein Leben für den Zaren"

Nationalistische Mogelpackung

Krakowiak-Tänzer sowie Chor, Extrachor und die Statisterie der Oper Frankfurt in der Glinka Inszenierung "Iwan Sussanin" von Harry Kupfer
Szenenbild aus "Iwan Sussanin" © Oper Frankfurt / Barbara Aumüller
Von Franziska Stürz · 25.10.2015
"Ein Leben für den Zaren" - die 1836 uraufgeführte Oper von Michail Glinka gilt als erste russische Nationaloper. Geprägt von folkloristischen Elementen, hatte sie damals viel Erfolg. Harry Kupfer allerdings scheitert daran, das historische Stück für die Jetztzeit zu adaptieren.
Patriotismus, Vaterlandsliebe und Opferbereitschaft für das russische Volk - diesen Ideen widmete Michail Glinka seine Oper "Ein Leben für den Zaren". Die von folkloristischen Elementen und romantischem Pathos durchdrungene vielschichtige Musik hatte großen Erfolg beim Zaren.
Harry Kupfer und Norbert Abels versprachen in ihrer Bearbeitung des Werkes eine entschlackte, neu getextete, von unzeitgemäßem Ballast befreite Version, die sich auf das zeitlos gültige Menschliche in der Geschichte konzentrieren sollte. Darum auch der Titel "Iwan Sussanin", denn so heißt der alte Bauer, der sich für sein Volk opfert, indem er die Feinde in die Irre führt. Dessen Geschichte bleibt auch in der Frankfurter Version unverändert, und das Erneuerungskonzept erweist sich somit als hohl.
Die Oper strotzt auch bei Kupfer nur so vor Nationalstolz
Die Feinde des russischen Volkes sind bei Kupfer nun die deutschen Nazis, denn er verlegt die Handlung in die Zeit des Zweiten Weltkriegs. Im zweiten Akt wird ein riesiger Panzer auf Hans Schavernochs weiter und kalter russischer Steppenbühne mit dekorativer Ruine enthüllt. Berlin- Warschau – Moskau steht darauf, und der Chor tanzt als Festgesellschaft zu "Sieg Heil!"-Rufen. Erste Buhrufe im Publikum folgen. Das soll jetzt die zeitlos gültige Neudeutung des Stoffes sein?
Streckenweise wird auf Deutsch gesungen, ansonsten muss die neue Textfassung in Übersetzung auf der Übertitelanlage mitgelesen werden. Dieser Text führt das ganze aufwändig umgesetzte Opern-Unternehmen von Kupfer und Abels ad absurdum. Er strotzt nach wie vor von Nationalstolz und Aufrufen zum Kampf für das russische Vaterland. Der junge Möchtegern-Held Wanja, von Katharina Magiera beachtlich volltönend gesungen, "schreitet voran wie der Bote Gottes", der riesige Chor singt das Preislied Russlands in allen Varianten und Passagen wie "Wir nehmen uns das Unsere mit russischer Beharrlichkeit". Diese Inhalte werden von der Regie nicht kommentiert, sondern dem Publikum, verpackt in die romantisch einlullende Schönheit von Glinkas Musik, serviert.
Manche Zuschauer verweigern den Applaus
Manche Zuschauer reagieren auf diese Mogelpackung mit Protest, oder verweigern den Applaus, denn es ist unangenehm, so schön dargebotene Musik kombiniert mit propagandistischem Gedankengut erleben zu müssen.
Sebastian Weigle zaubert mit dem Museumsorchester Frankfurt bereits in der Ouvertüre herrlich warme Streicherklänge und packende Spannungsbögen, besonders die jungen Solisten klingen hervorragend, und auch John Tomlinson mit seinem orgelnden nicht mehr wirklich klangschönen Bass gestaltet die Hauptfigur Iwan Sussanin eindringlich.
Aber was soll das Ganze, fragt man sich, wenn am Ende die Soldateska der Sowjetrepublik auf dem Kremlplatz erscheint und das arme Volk seine Toten als Helden feiert und das gesungene Wort trotz aller Klangschönheit übel aufstößt? Oper besteht nun mal aus Text und Musik. Wenn das alles zynisch zu deuten sein sollte, hätte die Regie weniger naiv sein müssen.
Informationen der Oper Frankfurt zu der Inszenierung von "Ein Leben für den Zaren"
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