Harry Belafonte zum 90. Geburtstag

Ein scharfer Geist, der alterslos ist

Sänger Schauspieler Harry Belafonte
Der US-Schauspieler und Sänger Harry Belafonte © dpa / picture alliance / Jörg Carstensen
Von Kai Clement · 28.02.2017
Mit dem Singen hat Harry Belafonte vor über zehn Jahren aufgehört: Seine Hauptkarriere als Aktivist geht aber weiter, wenn er zum Beispiel beim Jubiläum der Bürgerrechtsbewegung "Democracy now!" spricht. Jetzt wird der US-amerikanische Schauspieler und Sänger 90.
Dieser Mann ist der Meister des Ohrwurms. Millionenfach verkauft, der Traum vom Karibik-Glück, der Flucht in den Urlaub. Ja. Und nein. Dieser Mann ist absolut im Hier und Jetzt.
Mit fast 90 habe er geglaubt, eigentlich schon alles gesehen zu haben: Harry Belafonte. Im Dezember kommt er in New Yorks Riverside Church - um den 20. Geburtstag der Bürgerrechtsbewegung "Democracy now!" zu feiern. Einen Monat nach dem Wahlsieg von Donald Trump. Der fast 90-Jährige verlangt mehr Abenteuergeist, mehr Rebellion.
Stehende Ovationen für ihn, der sich gestützt auf einen Stock die drei Stufen in den Altarraum hoch müht. Schwarzer Rolli, graues Sakko. Dazu das praktisch faltenlose Gesicht eines Mannes, der halb so alt sein könnte. Und ein scharfer Geist, der alterslos ist.

Aktivist im Hauptberuf

Eine Karriere ist schon seit über zehn Jahren zu Ende: die des Sängers. Die Stimmbänder wollten nicht mehr. Seine Hauptkarriere geht weiter, die des Aktivisten. Mühelos schlägt Belafonte den Bogen von der Zeit in der US-Marine während des Zweiten Weltkriegs hin in die Gegenwart:
"Wir kamen zurück - wissend: Ja, wir mögen ja gekämpft haben, um Hitler zu besiegen, aber wir haben auch für unser Wahlrecht in Amerika gekämpft. Bei dem Kampf und diese Rechte bildete sich die Bürgerrechtsbewegung. Und das kann ja wieder passieren. Wir müssen nur unsere alten Mäntel rausholen und abstauben. Aufhören, herumzugammeln und guten Zeiten nachzuhängen. Wir müssen wieder zur Sache kommen. Müssen ein paar Tritte in den Arsch verpassen!"
Harry Belafonte stand an der Seite von Martin Luther King, von Nelson Mandela und Fidel Castro. Er nennt sich selbst einen Schauspieler, der singt. Vor allem aber einen Aktivisten. Und zwar seit seinem fünften Lebensjahr, als er die Welt zum ersten Mal mit wachen Augen ansah. 1932 war das, inmitten der Großen Depression. Als der Ku-Klux-Klan noch munter marschierte und Rassentrennung kein Wort war, sondern amerikanische Alltagspraxis.
Harry Belafonte auf einer Friedensdemonstration am 10.10.1981 in Bonn
Harry Belafonte auf einer Friedensdemonstration am 10.10.1981 in Bonn© dpa / picture alliance / Klaus Rose

Auf der Suche nach dem letzten Akt

Fast ein Jahrhundert im Blick glaubt Harry Belafonte, alles schon erlebt zu haben. Aber nein, weit gefehlt - tatsächlich wisse er nichts. Er sei nun schon länger am Leben, als er selbst verstehen könne, sagt Belafonte der "New York Times". Es scheine noch einen letzten Akt für ihn zu geben - er wisse nur noch nicht genau, was das sein könne. Ein letzter Akt, der jedenfalls an den Anfang erinnert: Rassismus. Er habe das Land noch nie so rassistisch erlebt, erklärt er der Zeitung.
Harry Belafonte in New Yorks Riverside Church. Knapp 50 Jahre nach der Rede von Martin Luther King gegen den Vietnam Krieg hier - in derselben Kirche. Noch spricht er die Worte im Konjunktiv. Aber, so verkündet er aus dem Altarraum, diese Worte könnten die Eröffnung einer seiner nächsten Ansprachen sein: "Willkommen im 4. Reich!"
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