Hans Gáls Oper "Das Lied der Nacht"

Aus der Zeit gefallen

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Rhys Jenkins als Tankred, Elzbieta Schiffer als Galwine © Foto: Jörg Landsberg
06.05.2017
Hans Gál war in seinen späten Jahren gleich doppelt vergessen: als einer der vielen jüdischen Künstler, die von den Faschisten ins Exil getrieben wurden – und als konservativer Spätest-Romantiker auf den Spuren von Brahms und Richard Strauss.
1987, als der gebürtige Österreicher mit satten 97 Jahren in seiner zweiten Heimat Edinburgh starb, kannte man ihn eher als Lehrer und musikwissenschaftlichen Autor denn als selbst schöpferischen Komponist. Wie so vielen Vertriebenen gelang es auch Hans Gál nach 1945 nicht mehr, an seine gewaltsam abgeschnittene Vorkriegs-Karriere anzuknüpfen. Ein Großteil seines umfangreichen Werkes ist heute vergessen, zumal er auch als Komponist, der sich konsequent den avantgardistischen Nachkriegs-Moden verweigerte, eine schwierige Stellung hatte. Die Osnabrücker Aufführung seiner in ein mythisch-mittelalterliches Sizilien versetzten "dramatischen Ballade" mit dem Titel "Das Lied der Nacht" kann ihm vielleicht ein Stück historische Gerechtigkeit zurückbringen.
Mit dem Dichter Karl Michael von Levetzow schuf Gál eine poetische und musikalisch farbenprächtige Erzählung, die, gemäß der gärend-turbulenten Zeit um ihre Uraufführung 1926, in Wort und Musik psychologische Tiefen ergründet und auslotet. Die tragische Geschichte der Königstochter Lianora, die sich in den Nächten, bevor sie um der Staatsraison willen in eine Zweckehe gezwungen werden soll, in einen unbekannten Sänger verliebt, dann aber, als dieser sich als ihr eigener Bootsmann outet, doch nicht die Kraft hat, sich auch öffentlich zu ihm zu bekennen, ist einerseits ahistorisch-zeitlos. Doch ihre Sehnsucht nach ungebrochenen, nicht von Konventionen eingeengten Gefühlen, gestützt von Gáls großen melodischen Bögen und der reichen Polyphonie seiner Orchestersprache, weist gleichnishaft auch auf die Defizite der "Goldenen Zwanziger", in der nicht nur gesellschaftliche und wirtschaftliche, sondern auch emotionale Strukturen immer wieder ins Wanken gerieten.
Theater Osnabrück
Aufzeichnung vom 29. April 2017
Hans Gál
"Das Lied der Nacht "
Dramatische Ballade in drei Bildern
Libretto: Karl Michael von Levetzow

Gritt Gnauck, Alt - Fürstin-Äbtissin
Lina Liu, Sopran - Lianora, Erbprinzessin von Sizilien
Susann Vent-Wunderlich, Sopran - Hämone, jüngere Folgedame
Rhys Jenkins, Bariton - Tancred, Vetter Lianoras
José Gallisa, Bass - Kanzler-Reichsverweser
Ferdinand von Bothmer, Tenor - Bootsmann, Namenlose Sänger
Opernchor und Extrachor des Theaters Osnabrück
Osnabrücker Symphonieorchester
Leitung: Andreas Hotz