Hans Arp - sauber seziert

Von Ludger Fittkau · 19.11.2010
Er war Bildhauer, aber auch Maler und Schrift-steller. Die Ausstellung "Traumanatomie" im Bahnhof Rolandseck bei Bonn stellt das Gesamtwerk des Künstlers Hans Arp vor.
"Ich trieb auch Traumanatomie". Diesen Satz von Hans Arp stellt Kuratorin Astrid von Asten ihrer rundum überzeugenden Ausstellung voran. "Traumanatomie" – so versuchte Arp einmal, seine künstlerische Arbeit auf den Begriff zu bringen.

"''Ich trieb auch Traumanatomie, Ich gab mich dem Naturstudium hin. Lagerte während unsagbar langen Zeiten unbeweglich auf einem Tisch und versuchte, wie ein Berg langsam, unendlich langsam zu träumen.""

Was Astrid von Asten nun im Arp-Museum bietet, ist die Arbeit einer Ärztin mit Skalpell, die, fern aller Träume, sehr realistische Schnitte in den Künstlerkörper des Hans Arp macht:

"Anatomie, da geht es ja um die Lehre des Aufbaus von Organismen, also von Mensch und Tier und Pflanzen. Aber es geht ja nicht um den oberflächlichen Aufbau, um das, was wir hier sehen können, sondern es geht um die Schnitte zwischen, also durch den Menschen."

Hans Arp wird in Remagen sauber seziert. Es geht nicht nur um seine späten Skulpturen, an denen sich der Streit um unautorisierte Bronzegüsse vor der Eröffnung des Arp-Museums entzündet hatte. Es geht um Hans Arp als Schriftsteller, Maler, Schöpfer von Papiercollagen. Es geht um Arp im Kontext der Dada-Bewegung, des Cabaret Voltaire, der 1916 eröffneten Züricher Künstlerkneipe, sowie Arps Freundschaft zu ihrem Gründer, Hugo Ball, dessen Text "Karawane" aus den Ausstellungslautsprechern tönt.

Nicht nur durch die Präsenz des Textrebellen Hugo Ball in der Ausstellung erweist sich, dass das Werk Hans Arps längst nicht so homogen ist, wie es beim Blick vor allem auf die Skultpuren oft wahrgenommen werde. Für Kuratorin Astrid von Asten zeigt sich dies vor allem am Menschenbild Arps:

"Dass Interessante am Menschenbild Arps für mich ist, dass es für mich eine ungeheure Diskrepanz zwischen seinem schriftstellerischen und seinem bildnerischen Werk gibt. Das heißt, in seinem schriftstellerischen Werk, in vielen seiner Texte geht er sehr, sehr hart mit dem Menschen ins Gericht. Er ist sehr kritisch und klagt ihn ständig an wegen seiner Selbstüberschätzung, wegen seiner Machtgier und seinen Eitelkeiten. Und in seinem bildnerischen Werk haben wir viel mehr einen poetischen Aspekt und einen humorvollen Aspekt, der die Menschen noch einmal von einer ganz anderen Seite zeigt."

Ein Höhepunkt der neuen Arp-Ausstellung in Remagen ist die Ausstellungsarchitektur. Damit auch die kleineren Papierarbeiten und Reliefs Arps angemessen zur Geltung kommen, hat man begehbare Kuben in die Ausstellungsräume gestellt, die an vielen Stellen durch Fenster Blickbeziehungen zu Skulpturen außerhalb zulassen. Diese bungalow-artigen Kuben passen sich harmonisch in die Museumsarchitektur Richard Meiers ein. Dr. Oliver Kornhoff, Direktor des Arp Museums Bahnhof Rolandseck:

"Wir haben damit eine Vermählung des architektonischen Hauspatrons Reichard Meier (…) die Durchblicke, das ist das Prinzip dieses Hauses des gesamten Hauses. Und wir haben, wenn sie die Grundformen der Kuben anschauen, diese trapezoiden, die haben wir aus einer Collage von Hans Arp entlehnt und daraus entwickelt und dann eben hier beide Patrone auf dieser Arp-Etage vereint und beide bilden, wenn man so will, das Gehäuse für die Papierarbeiten, für die Skulpturen, aber eben auch für die Dichtung."

Aus diesen Gehäusen blickt man auch auf einige der umstrittenen "posthumen Güsse" von Skulpturen Arps, die sich reichlich in der Sammlung des Landes Rheinland-Pfalz befinden. Sie werden ausgestellt - und gekennzeichnet. Kornhoff:

"Wir für uns haben eben den Anspruch an die Redlichkeit darauf gezogen, das wir das aus unseren Objektbeschriftungen ausweisen und darauf nicht nur den Werktitel und das Jahr des Schaffens des Gipses haben, sondern eben auch, wann es gegossen wurde und welche Gusszahl es hat. Wir geben an, bei welcher Gießerei, wir haben also auch sogar den Gießereinahmen auf den Titelschildern und in welchem Jahr gegossen wurde. Und da Hans Arp 1966 gestorben ist, wann er den Gips und die Vorlage geschaffen hat und wann daraus ein bronzenes Original wurde."

Die Entscheidung, die umstrittenen "postumen Güsse" mit klarer Kennzeichnung auszustellen, basiert auf einem vielbeachteten Symposium, das im Arp-Museum wurde. Das Problem nicht autorisierter später Güsse existiert beileibe nicht nur bei den Arp-Skulpturen. Doch in Remagen-Rolandseck am Rhein hat man nach kontroverser Vorgeschichte nun einen gangbaren Weg gefunden, das Thema abzuarbeiten. Dies rundet das Bild eines öffentlichen Seziervorgangs ab, an dessen Ende der Betrachter um einiges klüger ist als vorher. Die Operation ist gelungen, und der Patient Arp ist nicht tot, sondern lebt facettenreicher als je zuvor.

Mehr zum Thema: Website des Arp Museums in Rolandseck