Handgeschriebene Dokumente berühmter Menschen
Pedro Corrêa do Lago sammelt seit über 35 Jahren Briefe, Handschriften und Notizen berühmter Menschen. 30.000 Objekte hat der Diplomatensohn im Laufe seines Lebens zusammengetragen. 359 Schriftstücke – von den Königen des Mittelalters bis zu den Beatles kann man nun in einem opulent aufgemachten Prachtband studieren.
„Geben Sie die ‚Autographen‘ auf, liebe junge Dame; das ist eine ungesunde Beschäftigung, die Sie zu nichts Bedeutendem führen kann.“
Mit dieser scherzhaften Ermahnung verewigte sich der englische Schriftsteller Thomas Carlyle in dem Gästebuch einer seiner vielen Verehrerinnen. Der brasilianische Autographensammler Pedro Corrêa Do Lago kann sich über diese Widmung nur amüsieren, bereitet ihm seit mehr als 35 Jahren gerade das Sammeln von Briefen und anderen handgeschriebenen Dokumenten einen ganz besonderen Genuss. 30.000 Objekte hat der Diplomatensohn im Laufe seines Lebens zusammengetragen. 359 Schriftstücke – von den Königen des Mittelalters bis zu den Beatles kann man nun in einem opulent aufgemachten Prachtband studieren.
Wir haben es mit einer alten Liebhaberei zu tun. Handschriften wurden schon in der Antike gesammelt. Große Autoren wie Plinius oder Cicero besaßen bemerkenswerte Kollektionen. Der römische Historiker Sueton begannen heftig zu zittern, „als er die handschriftlichen Gedichte des blutrünstigen Kaiser Neros erstmals in den Händen hielt“. Auch Michel de Montaigne, der große Renaissancehumanist, hob die Briefe seiner geschätzten Kollegen auf. Ebenso machten es Johann Wolfgang von Goethe oder 2 Jahrhunderte später Microsoftgründer Bill Gates, der 1994 für 47 Millionen Dollar den Codex Leicester von Leonardo Da Vinci ersteigerte. Für Gates wie auch für Goethe sind solche Zeugnisse von „unsterblichem Wert“.
„Da mir die sinnliche Anschauung durchaus unentbehrlich ist, so werden mir vorzügliche Menschen durch ihre Handschrift auf eine magische Weise gegenwärtig. Solche Dokumente ihres Daseins sind mir, wo nicht ebenso lieb wie ein Porträt, so doch gewiss ein wünschenswertes Supplement und Surrogat desselben,“
heißt es bei dem Weimarer Klassiker. In den „flüchtigen Strichen“ großer Künstler sah der Schriftsteller Stefan Zweig „die geistige Essenz“ der Persönlichkeit. Obwohl, „ärmer an äußerer Schönheit“, hätten die Autographen dem gedruckten Buch und dem reproduzierten Bilde doch eine entscheidende Tugend voraus: sie seien wahr. „Der Mensch kann lügen, er kann sich verstellen“, aber
„die Handschrift verrät ihn, ob er will oder nicht, sie ist einmalig wie er selbst und spricht manchmal aus, was er verschweigt.“
Do Lago sieht es nicht viel anders. Doch besitzt die eigene Handschrift ihre Tücken. Lord Nelsons Handschrift veränderte ihr Aussehen über Nacht als er den rechten Arm in der Schlacht verlor und nun mit dem linken zu schreiben anfing. Aufrührerische Gestalten wie der Marquis de Sade oder der Anarchist Michael Bakunin hatten eine ordentliche Handschrift, ordentlicher als die Klaue von Victor Hugo oder Sigmund Freud zum Beispiel. Aus solchen Ungereimtheiten ziehen Graphologen manchmal haarsträubende Schlüsse während sich die Sammler lieber an der ästhetischen Vielfalt, am Erscheinungsbild erfreuen.
Es gibt ganz verschiedene Sammelschwerpunkte, historische – ästhetische – regionale. Briefe, signierte Bücher und Fotos mit Widmungen berühmter Leute sind am beliebtesten. Sind sie noch mit Zeichnungen versehen oder kurzen Notenbeispielen, was bei Musikern nicht selten vorkommt, steigert das noch ihren Wert. Aber auch alte Schecks, Verträge, Ausweise, Visitenkarten werden gesammelt. Es gibt Liebhaber, die sich auf Könige und Prinzessinnen spezialisiert haben, oder andere, die große Schriftsteller, Sänger und Filmschauspieler favorisieren.
Eine gewisse erotische Nähe, meint Da Lago, verbinde die weltweit verstreuten Autographensammler. Sammeln heißt auch erobern, in Besitz nehmen. Die persönlichen Schriftzüge von Berühmtheiten führen uns auch in eine private, intime Welt, die dem Außenstehenden gewöhnlich verborgen bleiben. Hier hinein zu riechen, bereitet offensichtlich vielen Sammlern ein gewisses Vergnügen. Penibel unterscheidet Da Logo zwischen Autographensammlern und Autogrammjägern.
„So ein Papier, das ein Schlager oder Filmstar in aller Eile signiert hat, ist nicht mit den Handzügen eines Albert Einstein oder Thomas Mann zu vergleichen.“
Und immer gilt es aufzupassen. Gerade unter den Fan-Postkarten der großen Stars finden sich regelmäßig getürkte Unterschriften, die den Wert dieser leichtverkäuflichen Ware aufwerten sollen. Und dann gibt es noch die technischen Feinde des Originals. Faksimilierte Karten, die täuschend echt aussehen. Oder die Unterschriften jener „teuflischen Präzisionsmaschine“, die mit Feder und dokumentenechter Tinte gestressten Politikern die Arbeit abnimmt und mechanisch die Fan-Post unterzeichnet. Doch wir nehmen es da nicht so genau und freuen uns an den vielen Fundstücken, die in diesem prächtigen Bildband abgedruckt sind.
Pedro Corrêa Do Lago: Schriftstücke. Autographen aus sieben Jahrhunderten.
Mit einem Vorwort von Carlo Ginzburg,
287 Seiten,
Gerstenberg Verlag,
59 Euro.
Mit dieser scherzhaften Ermahnung verewigte sich der englische Schriftsteller Thomas Carlyle in dem Gästebuch einer seiner vielen Verehrerinnen. Der brasilianische Autographensammler Pedro Corrêa Do Lago kann sich über diese Widmung nur amüsieren, bereitet ihm seit mehr als 35 Jahren gerade das Sammeln von Briefen und anderen handgeschriebenen Dokumenten einen ganz besonderen Genuss. 30.000 Objekte hat der Diplomatensohn im Laufe seines Lebens zusammengetragen. 359 Schriftstücke – von den Königen des Mittelalters bis zu den Beatles kann man nun in einem opulent aufgemachten Prachtband studieren.
Wir haben es mit einer alten Liebhaberei zu tun. Handschriften wurden schon in der Antike gesammelt. Große Autoren wie Plinius oder Cicero besaßen bemerkenswerte Kollektionen. Der römische Historiker Sueton begannen heftig zu zittern, „als er die handschriftlichen Gedichte des blutrünstigen Kaiser Neros erstmals in den Händen hielt“. Auch Michel de Montaigne, der große Renaissancehumanist, hob die Briefe seiner geschätzten Kollegen auf. Ebenso machten es Johann Wolfgang von Goethe oder 2 Jahrhunderte später Microsoftgründer Bill Gates, der 1994 für 47 Millionen Dollar den Codex Leicester von Leonardo Da Vinci ersteigerte. Für Gates wie auch für Goethe sind solche Zeugnisse von „unsterblichem Wert“.
„Da mir die sinnliche Anschauung durchaus unentbehrlich ist, so werden mir vorzügliche Menschen durch ihre Handschrift auf eine magische Weise gegenwärtig. Solche Dokumente ihres Daseins sind mir, wo nicht ebenso lieb wie ein Porträt, so doch gewiss ein wünschenswertes Supplement und Surrogat desselben,“
heißt es bei dem Weimarer Klassiker. In den „flüchtigen Strichen“ großer Künstler sah der Schriftsteller Stefan Zweig „die geistige Essenz“ der Persönlichkeit. Obwohl, „ärmer an äußerer Schönheit“, hätten die Autographen dem gedruckten Buch und dem reproduzierten Bilde doch eine entscheidende Tugend voraus: sie seien wahr. „Der Mensch kann lügen, er kann sich verstellen“, aber
„die Handschrift verrät ihn, ob er will oder nicht, sie ist einmalig wie er selbst und spricht manchmal aus, was er verschweigt.“
Do Lago sieht es nicht viel anders. Doch besitzt die eigene Handschrift ihre Tücken. Lord Nelsons Handschrift veränderte ihr Aussehen über Nacht als er den rechten Arm in der Schlacht verlor und nun mit dem linken zu schreiben anfing. Aufrührerische Gestalten wie der Marquis de Sade oder der Anarchist Michael Bakunin hatten eine ordentliche Handschrift, ordentlicher als die Klaue von Victor Hugo oder Sigmund Freud zum Beispiel. Aus solchen Ungereimtheiten ziehen Graphologen manchmal haarsträubende Schlüsse während sich die Sammler lieber an der ästhetischen Vielfalt, am Erscheinungsbild erfreuen.
Es gibt ganz verschiedene Sammelschwerpunkte, historische – ästhetische – regionale. Briefe, signierte Bücher und Fotos mit Widmungen berühmter Leute sind am beliebtesten. Sind sie noch mit Zeichnungen versehen oder kurzen Notenbeispielen, was bei Musikern nicht selten vorkommt, steigert das noch ihren Wert. Aber auch alte Schecks, Verträge, Ausweise, Visitenkarten werden gesammelt. Es gibt Liebhaber, die sich auf Könige und Prinzessinnen spezialisiert haben, oder andere, die große Schriftsteller, Sänger und Filmschauspieler favorisieren.
Eine gewisse erotische Nähe, meint Da Lago, verbinde die weltweit verstreuten Autographensammler. Sammeln heißt auch erobern, in Besitz nehmen. Die persönlichen Schriftzüge von Berühmtheiten führen uns auch in eine private, intime Welt, die dem Außenstehenden gewöhnlich verborgen bleiben. Hier hinein zu riechen, bereitet offensichtlich vielen Sammlern ein gewisses Vergnügen. Penibel unterscheidet Da Logo zwischen Autographensammlern und Autogrammjägern.
„So ein Papier, das ein Schlager oder Filmstar in aller Eile signiert hat, ist nicht mit den Handzügen eines Albert Einstein oder Thomas Mann zu vergleichen.“
Und immer gilt es aufzupassen. Gerade unter den Fan-Postkarten der großen Stars finden sich regelmäßig getürkte Unterschriften, die den Wert dieser leichtverkäuflichen Ware aufwerten sollen. Und dann gibt es noch die technischen Feinde des Originals. Faksimilierte Karten, die täuschend echt aussehen. Oder die Unterschriften jener „teuflischen Präzisionsmaschine“, die mit Feder und dokumentenechter Tinte gestressten Politikern die Arbeit abnimmt und mechanisch die Fan-Post unterzeichnet. Doch wir nehmen es da nicht so genau und freuen uns an den vielen Fundstücken, die in diesem prächtigen Bildband abgedruckt sind.
Pedro Corrêa Do Lago: Schriftstücke. Autographen aus sieben Jahrhunderten.
Mit einem Vorwort von Carlo Ginzburg,
287 Seiten,
Gerstenberg Verlag,
59 Euro.