Handel mit dem Iran

Europa blamiert sich

09:02 Minuten
Ein Hafenarbeiter im Containerhafen von Bandar Abbas im Iran.
Die USA stellen europäische Unternehmen vor die Wahl: Geschäfte mit den USA oder Geschäfte mit dem Iran. © AFP / Behrouz Mehri
Von Nora Bauer · 22.10.2019
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Um die US-Sanktionen gegen den Iran zu umgehen, haben England, Frankreich und Deutschland ein Instrument geschaffen, das wie klassischer Tauschhandel funktioniert. Man liefert Maschinen und bekommt zum Beispiel Rohstoffe. Bei der konkreten Umsetzung klemmt es aber gewaltig.
"Das sind schon fünf, sechs Jahre, da hat man schon lange Geschäftsbeziehungen mit denen."
Peter Huber ist Prokurist der mittelständischen Firma Chi-Teck mit Sitz im süddeutschen Nördlingen. Chi-Teck ist ein Automobil-Zulieferer für Elektronik.
"Im Iran werden alte Peugeot-Modelle gebaut, die dann nicht nur im Iran gefahren werden, die werden dann auch exportiert in Länder wie Tadschikistan oder Turkmenistan, die Leute wollen ja auch günstige Autos haben, und die werden sich sicher kein Auto kaufen wollen, was hier irgendwo in Sindelfingen oder in München gebaut worden ist. Und wir haben schon früher nach Frankreich geliefert diese Bauteile, und der 205er wird dort noch gebaut im Iran und dort sind dann unsere Teile drin."
Peter Huber heißt nicht Peter Huber, die Firma, für die er tätig ist, heißt nicht Chi-Teck und ist auch nicht in Nördlingen beheimatet. Huber möchte anonym bleiben, damit die amerikanischen Geschäftspartner nicht erfahren, dass sein Unternehmen noch in den Iran verkauft. Die Produktion wird in Kambodscha gefertigt. In Süddeutschland sitzt nur die Buchhaltung. Vier bis fünf Millionen Euro Umsatz bringt das Iran-Geschäft jährlich. Doch die USA stellen nun Banken und Firmen weltweit vor die Wahl: entweder Geschäfte mit dem Iran oder Geschäfte mit den USA. Auch ein Konto bei einer Iranischen Bank hilft nicht weiter.
"Dadurch, dass das ne iranische Bank ist, weigert sich dann eine Kreissparkasse, eine Volksbank, eine Deutsche Bank, mit dieser Bank Geschäfte zu machen. Ich hab dann zwar mein Geld bei der iranischen Bank sitzen, komm da aber nicht ran. Krieg das nicht auf mein Konto."

Folgen der amerikanischen Sanktionspolitik

Deshalb haben sich viele aus dem Iran-Geschäft zurückgezogen. Im ersten Quartal 2019 seien die deutschen Exporte in das Land im Vorjahresvergleich um 50 Prozent gesunken, die iranischen Ausfuhren nach Deutschland um fast 42 Prozent. Eine Folge des unterbrochenen Geldflusses, bestätigt der Deutsche Industrie- und Handelskammertag.
"Liefern können wir die Teile, nur die Frage ist, wenn der Kunde dann bezahlen will, wenn er eine Dollar-Überweisung macht, kommt das Geld gar nicht an, weil die Banken das Geld gar nicht annehmen, weil die Angst haben, weil jede US-Dollar-Überweisung läuft über die USA und dann bekommt natürlich die US-Regierung mit, hier macht irgendjemand Geschäfte mit dem Iran."
Die Amerikaner sind sehr erfolgreich darin, deutsche Firmen und Banken einzuschüchtern.
"Wir beobachten sehr genau, was unsere amerikanischen Freunde hier in Deutschland tun, und sie sind durchaus aktiv. Das heißt, Generalkonsulate, die amerikanische Botschaft spricht Firmen direkt an."

Subtile Botschaften der amerikanischen Vertretung

Michael Tockuss ist der Geschäftsführer der Deutsch-Iranischen Handelskammer, ein eingetragener Verein mit Sitz in Hamburg. Der Verein hat es sich zur Aufgabe gemacht, seinen Mitgliedern auf deutscher und iranischer Seite einen Handelspartner oder auch eine Bank zu vermitteln.
"Insbesondere dann, wenn da eventuell etwas massiver angetreten wird. Ich kann Ihnen hier ein Beispiel von einer Bank aus Norddeutschland nennen. Da rief das Generalkonsulat der Amerikaner hier in Hamburg an, machte einen Termin für den General-Konsul, der ging dorthin, nahm Bezug auf Presseartikel, aus denen hervorging, dass diese Bank… im Iran-Handel eine Rolle spielt. Die Subbotschaft von so einem Besuch ist natürlich, wir haben euch auf dem Schirm, und das zeigt dann durchaus Wirkung."
England, Frankreich und Deutschland haben das "Instrument in Support of Trade Exchanges", das "Instrument zur Unterstützung von Handelsaktivitäten", kurz Instex im Januar 2019 mit Sitz in Paris gegründet, um die Sanktionen zu umgehen.
"Die Idee von Instex ist, wie früher mit dem Ostblock in einem Art Barter-Berechnungshandel: Also man liefert Maschinen und bekommt Öl, Gas, Rohstoffe, Textilien, aus dem Iran in gleicher Höhe. Eine Institution, die dann die Aufteilung hierüber übernimmt."
Volker Treier ist Außenwirtschaftschef in der Hauptgeschäftsführung des Deutschen Industrie und Handelskammertags in Berlin. Barter-Geschäfte von dem englischen Begriff Barter, zu Deutsch Tausch, sind Geschäfte, die ohne Bargeldfluss getätigt werden. Der europäische Importeur bezahlt seine Rechnung nicht beim iranischen Exporteur, sondern bei einem europäischen Handelspartner, der Waren in den Iran liefert. Iranische Exporteure wiederum bekommen ihr Geld von iranischen Importeuren. Dafür wurde in Teheran als Pendant zu Instex das "Special Trade and Finance Institute" (STFI), das für die Funktionsfähigkeit des Tauschsystems notwendig ist, eingerichtet. Mit diesem Instrument könnten die US-Sanktionen umgangen werden.
"Gleichwohl, bei den Unternehmen, die solche Geschäfte über Instex laufen, müssen am Ende auch Finanztransaktionen laufen, weil, es müssen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen entgolten werden, und dann kann es sein, dass die Bank mit diesem Unternehmen, was Maschinen geliefert hat in den Iran, dass diese Bank, die internen Verrechnungen über das Konto des Unternehmen laufen lässt, dass diese Bank in den USA dann hohe Strafen zahlen muss. Das wissen wir nicht, das ist eine gewisse Form von rechtlicher Unsicherheit."

Ein Fehler im System

Durch staatliche Kompensationen könnten diese Geschäfte gesichert werden. Michael Tockuss, der Geschäftsführer des Vereins Deutsch-Iranische Handelskammer in Hamburg bedauert, dass das Auswärtige Amt als zuständiges Ministerium für Instex, keine Garantien gewährt. Das sei der Fehler im System von Instex.
"Wir bräuchten eine ernsthafte Unterstützung der Banken, die heute noch in diesem Irangeschäft sind. Alle Gespräche, die vom Außenministerium und vom Bundeswirtschaftsministerium mit den Banken geführt werden, die scheiterten daran, dass Banken keine staatlichen Garantien bekommen haben. Ich möchte das für eine Bank haben, die offen für andere Unternehmen diese Finanztransaktionen wahrnimmt, und die abgesichert sein muss gegen einen möglichen finanziellen Verlust, der aus Maßnahmen der Amerikaner kommt."
Überhaupt macht man es den deutschen Firmen nicht leicht, mit Instex in Kontakt zu treten. Es gibt keine Website, keine Telefonnummer, und auch auf den Internetseiten des Bundesministeriums für Wirtschaft sucht man die neue Gesellschaft vergeblich.
"Versuchen Sie doch mal von Herrn Minister Altmaier eine Äußerung zum Iran zu finden. Gibt's nicht, weil Altmaier für sich entschieden hat, er ist dafür zuständig, es mit den Amerikanern, was deutsche KfZ angeht, nicht zum Äußersten kommen zu lassen. Deshalb macht Maas das über die Außenpolitik und nicht der Wirtschaftsminister."

Abschreckung durch Angst und komplizierte Verfahren

Auch der Außenhandelschef des Deutschen Industrie und Handelskammertags Volker Treier ist mit dem Prozedere unzufrieden.
"Betroffene Unternehmen sollten sich an das Auswärtige Amt melden im Moment. Das ist sicherlich keine befriedigende Lösung, weil man sich noch nicht an die eigentliche Institution wendet, sie ist noch nicht zugänglich, weder über eine frei verfügbare Telefonnummer noch eine Email-Adresse, das ist bis zum heutigen Zeitpunkt enttäuschend, dass das so ist. Als Deutscher Industrie- und Handelskammertag nehmen wir auch solche Anfragen entgegen, leiten sie weiter, an das Auswärtige Amt."
Die Presseabteilung des Auswärtigen Amtes antwortet auf die Anfrage nach der Erreichbarkeit von Instex per mail:
"Der Start erster Transaktionen setzt genaue Absprachen sowohl mit den interessierten Firmen und den beteiligten Banken als auch mit der iranischen Spiegelstruktur STFI voraus. In Kürze wird eine INSTEX Delegation weitere Gespräche in Teheran führen. Transaktionen über INSTEX werden höchsten Compliance Standards genügen. Für INSTEX wurde ein eigenes Compliance Manual erarbeitet. Sobald die Aufbauarbeiten abgeschlossen sind, wird es einfacher möglich sein, mit INSTEX in Kontakt zu treten."
Wann das sein wird, konnte dem Unternehmer Huber niemand genau sagen.
"Da gabs so Überlegungen, aber ich habs dann gar nicht mehr weiter verfolgt, weil, das ist uns jetzt zu kompliziert über Europa und dann fangen wir da wieder irgendwas an, und dann wird’s wieder gestrichen. Also, da war die Abneigung, die Geschäfte über Europa laufen zu lassen, schon so groß, dass ich da gar nicht irgendwie gesagt hätte, wir könnten da irgendwie schauen, ob das ein Weg ist, der da gangbar ist oder nicht."
"Diese Angst bei den Mittelständlern, davon leben die Amerikaner."
Sagt Michael Tockuss. Das Auswärtige Amt bestätigt, dass es mit circa 80 Firmen in Kontakt sei, die Interesse an der Zusammenarbeit mit Instex angemeldet hätten. Aber bis heute wurde nicht ein einziges Geschäft über diesen bargeldlosen Kanal abgewickelt.
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