"Handbuch Popkultur"

Die Wissenschaft wird populär

Die Andy Warhol Kunstwerke (l-r) "Triple Elvis" (1963) und "Four Marlon" (1966). Die Westdeutschen Spielbanken wollen in New York zwei ihrer wichtigsten Bilder versteigern lassen und erhoffen sich dafür 100 Millionen Euro.
Populären geht es nichts: Andy Warhols "Triple Elvis" und "Four Marlon". © dpa / Christie's/The Andy Warhol Found
Thomas Hecken im Gespräch mit Matthias Wegner · 15.08.2017
Pop ist überall und ist aus unserer Kultur nicht wegzudenken. Das hat nun auch die Wissenschaft verstanden. Ein neues Handbuch sammelt den Stand der Forschung zu Pop und Popmusik - als "Bilanz auf internationaler Basis".
Pop ist überall. Nicht nur bei den Musikfans in allen möglichen stilistischen Formen, sondern auch im Dialog mit Mode, bildender Kunst, Politik und anderem. Popmusik ist aber auch ein Thema in der Wissenschaft. Thomas Hecken ist Germanistik-Professor und lehrt "Neuere deutsche Literaturwissenschaft" an der Universtät Siegen. Er forscht seit vielen Jahren in Sachen Pop und Popkultur und hat gemeinsam mit dem Medien- und Kulturwissenschaftler Marcus S. Kleiner das "Handbuch Popkultur" herausgegeben, das gerade erschienen ist. Im Gespräch mit Tonartmoderator Matthias Wegner spricht er über Sinn und Zweck einer vertiefenden Erforschung des Phänomens Popkultur, insbesondere seiner musikalischen Erscheinungsformen.
Ausgangspunkt ihrer Forschungsarbeit, so Thomas Hecken, war der kommerzielle Status von Popmusik. Deshalb habe Popmusik von den Plattenfirmen und digitalen Unternehmen in erster Linie auch jene "kommerzielle Anerkennung bekommen, die sie verdient". In der Wissenschaft habe eine entsprechende Beschäftigung mit der Popmusik hingegen gedauert, sei aber vor allem in den letzten zehn Jahren auch in der Germanistik und in der Musikwissenschaft weit fortgeschritten. Zumindest in Deutschland - in England oder in den USA sei man da natürlich viel weiter.

Popmusik als Teil der Gesellschaft

Pop und Popmusik, aber auch vieles aus den Bereichen Mode, Literatur oder Lifestyle würden nicht nur unsere Kultur, sondern auch unsere Gesellschaft betreffen. "Es wäre geradezu wahnsinnig, wenn man als Wissenschaftler diesen Bereich nicht untersuchen würde." Wissenschaft sei keine "Kanonwissenschaft", sondern habe den Auftrag, das gesamte Feld des Kulturellen im Auge zu behalten.
In dem Handbuch sei der heutige Stand der Wissenschaften und des "avancierten Feuilletonismus" zu Pop und Popmusik zu finden - als "Bilanz auf internationaler Basis". Dabei gehe es auch darum, das, was die Musikwissenschaft bislang aufgearbeitet habe, als Kulturwissenschaftler die Popmusik in ihren politischen, gegenkulturellen, modischen, kommerziellen und soziologischen Kontexten zu untersuchen. Das sei bisher vorrangig von Zeitzeugen und Journalisten geleistet worden, die sich allerdings sehr am eigenen Geschmack, Interviews und Musikeräußerungen orientierten.
Als Germanist ist Thomas Hecken zudem auch an dem Begriff "Pop" interessiert, an den "Bedeutungskämpfen rund um Pop und Rock". Zwei Begriffe, die wegen ihrer Unschärfe immer wieder in der Debatte seien. So sei Pop lange Zeit ein Schimpfwort gewesen, auch in Abgrenzung zum Rock, was sich in den letzten zwei Jahrzehnten verändert habe. So geht es letzlich in dem Handbuch nicht nur um bestimmte Stile von Popmusik, sondern um einen übergreifenden Ansatz, wenn sich Begriffe wie Oberflächlichkeit, Konsum oder Stilverbund wie ein roter Faden durch das Handbuch zögen. "Popmusik hat immer die Tendenz, sich einzubetten in sehr genaue Überlegungen, welche Ideologie passt dazu, welche Frisur, welches Auto, welcher Gestus."
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