Hamburg feiert die Goldenen Zwanziger
In der Hansestadt hat das Festival "Himmel auf Zeit" begonnen. Mit einer Ausstellung in der Kunsthalle, mit Stadtführungen und einer Reihe von musikalischen und literarischen Veranstaltungen will es an die Aufbruchstimmung der 20er-Jahre erinnern.
"Ich will sie küssen, wenn Sie es verlangen ..."
Dieses Lied von Robert Nelson gehört zu den in Vergessenheit geratenen Paradenummern von Hans Albers. Und es ist zugleich Ausdruck der Frauenemanzipation, die in der Weimarer Republik für völlig neue Rollenbilder sorgte, männliche wie weibliche. Passend wirbt das Festival "Himmel auf Zeit" mit der Fotografie einer mondän rauchenden Frau.
Die Kabaretteinlagen waren die Höhepunkte des heutigen Eröffnungsabends. Denn wie der spätere DDR-Schriftsteller Willy Bredel den Hamburger Arbeiteraufstand von 1923 beschrieb oder Hans Leip seine erste Unterkunft in Hamburg
Das war eher historisch interessant als literarisch überragend.
"Interessant ist Hamburg gerade wegen dieses Mittelmaßes ... und sie gleichzeitig abbildet."
Dirk Hempel hat im Rahmen des einjährigen Forschungsprojektes zu den 20er-Jahren die Hamburger Literaturszene erforscht. Ihr widmet sich ab Mittwoch eine Ausstellung in der Staatsbibliothek. Wie eng die Literaten vernetzt waren mit den Bildenden Künstlern, das zeigt beispielsweise der Porträtkopf von Hans Henny Jahnn in einer weiteren Ausstellung in der Hamburger Kunsthalle. Sie stammt angeblich von einem gewissen Fritz Buse. Über den ist sonst weiter nichts bekannt.
Doch die umfangreiche Forschung von 17 Wissenschaftlern in allen Bereichen, Fotografie, Tanz oder Landschaftsgärtnerei, hat andere Künstler dem Vergessen entrissen. Kurator Ulrich Luckhardt präsentiert Werke von verblüffender Qualität, die jahrzehntelang relativ wenig beachtet in den Archiven der Kunsthalle lagerten.
"Es sind ganz sicher Künstler wiederentdeckt worden oder neu bewertet worden. Künstler, die man nicht wirklich beachten konnte, weil ihre künstlerischen Werke im Zweiten Weltkrieg zerstört worden sind, und daher die Kenntnis über diese Künstler für uns heute relativ gering ist. Also dazu gehört beispielsweise der jüdische Künstler Willy Davidsohn oder der neusachliche Maler Eduard Hopf."
Hopf überlebte den Krieg und arbeitete danach weiter. Willy Davidsohn hingegen starb 1933 eines natürlichen Todes. So musste er nicht miterleben, wie seine gesamte Familie ermordet wurde. Es gibt daher niemanden mehr, der über Davidsohns Leben und künstlerische Entwicklung Auskunft geben könnte.
In der Ausstellung hängt ein beeindruckendes Landschaftsbild: Wald und Felder sind wie bei Cezanne in abstrakte Flächen aufgelöst, in Grau- und Brauntönen gehalten wie ein kubistisches Stillleben. Die Kunsthistorikerin Friederike Weimar, Mitherausgeberin des Bildbandes "Himmel auf Zeit", kann im Übrigen lediglich berichten, dass Willy Davidsohn Plakate entwarf für Opernaufführungen in Hamburg.
"Also auch da ist die interdisziplinäre Vernetzung in Hamburg besonders deutlich zu sehen. Hamburgs Kulturszene war einfach klein. Man kannte sich eben fächerübergreifend und auch zum Beispiel das Stadttheater, also die Oper, hat auf die Avantgarde gesetzt und hat solch einen avantgardistischen Künstler wie Willy Davidsohn engagiert, für sich die Plakate zu machen und auch teilweise Bühnenbilder zu entwerfen."
Ob Malerei oder Theater: Es ging den jungen Wilden beispielsweise um die Aufhebung von Hierarchien. Dabei inspirierte sie die Synästhesieforschung am Psychologischen Institut in Hamburg, die sich mit der gleichzeitigen Reiz-Wahrnehmung durch verschiedene Sinnesorgane beschäftigte.
Auf der Bühne sollten Wort und Bild, Bewegung und Musik gleichberechtigt zusammenwirken. In der Malerei versuchten Richard Haizmann, Alfred Ehrhardt oder Willy Nass mit ihren abstrakten Bildern, Fläche, Linie und Farbe gleichermaßen zur Geltung zu bringen.
Diesen sogenannten Sezessionsstil und den Austausch darüber förderte auch, dass die Künstler seit der Weltwirtschaftskrise 1929 unter einem Dach arbeiteten: Die Stadt Hamburg stellte ihnen Atelierräume in ungenutzten Gebäuden zur Verfügung. Zudem unterstützte sie die Szene mit einem speziellen Nothilfeprogramm. Die Bildhauer profitierten von den zahlreichen Aufträgen, die Oberbaudirektor Fritz Schumacher vergab. Ein bisschen ums Geld ging es auch bei dem alljährlichen Treffen der Avantgardisten: auf dem Künstlerfest im Curiohaus.
Friederike Weimar: "Es gab auch Künstlerfeste in anderen Städten, aber in dieser Ausprägung, fünf Tage lang ein ganzes Haus komplett zu dekorieren, Revues aufzuführen, Kostüme dafür zu nähen, Musik zu komponieren, also in dieser starken Ausprägung war das was Besonderes in Hamburg.
Es waren wirklich alle Räume komplett verkleidet je nach dem Motto. Das war mit ganz billigen Materialien gemacht, mit Pappe und Farbe, aber so toll ausgestattet, dass sie tatsächlich Eintrittsgelder nehmen konnten, dass man tagsüber sich diese Räume angucken konnte gegen Eintrittsgeld."
Nachts gab es natürlich mehr zu sehen: Aufführungen auf drei Bühnen und in drei Tanzsälen, in den dunklen Fluren dazwischen jene Dinge, die den Hausfrauenverband zu einer Klage veranlassten, die Künstlerfeste würden junge Mädchen moralisch verderben. Frivolität und Dada will das Festival "Himmel auf Zeit" wieder aufleben lassen. So wird es erstmals eine nie gespielte Tanzpantomime von Klaus Mann zeigen.
Doch vor allem werden und wurden, auch am heutigen Eröffnungsabend, jene voids, jene Leerstellen deutlich, aus denen der Architekt Daniel Libeskind seine Architektur formt. Die Satire der Gebrüder Wolf auf den Reichstag konnten Gerhard Garbers und Peter Franke immerhin noch nachspielen.
Viele ihrer Sketche und Lieder haben auf Schellack-Platten überlebt. Die Skulpturen von Friedrich Wield hingegen sind aus Hamburgs öffentlichem Raum verschwunden, von den Nationalsozialisten zerstört. Die Biografie des Malers Willy Davidsohn ist nicht mehr zu rekonstruieren.
Dieses Lied von Robert Nelson gehört zu den in Vergessenheit geratenen Paradenummern von Hans Albers. Und es ist zugleich Ausdruck der Frauenemanzipation, die in der Weimarer Republik für völlig neue Rollenbilder sorgte, männliche wie weibliche. Passend wirbt das Festival "Himmel auf Zeit" mit der Fotografie einer mondän rauchenden Frau.
Die Kabaretteinlagen waren die Höhepunkte des heutigen Eröffnungsabends. Denn wie der spätere DDR-Schriftsteller Willy Bredel den Hamburger Arbeiteraufstand von 1923 beschrieb oder Hans Leip seine erste Unterkunft in Hamburg
Das war eher historisch interessant als literarisch überragend.
"Interessant ist Hamburg gerade wegen dieses Mittelmaßes ... und sie gleichzeitig abbildet."
Dirk Hempel hat im Rahmen des einjährigen Forschungsprojektes zu den 20er-Jahren die Hamburger Literaturszene erforscht. Ihr widmet sich ab Mittwoch eine Ausstellung in der Staatsbibliothek. Wie eng die Literaten vernetzt waren mit den Bildenden Künstlern, das zeigt beispielsweise der Porträtkopf von Hans Henny Jahnn in einer weiteren Ausstellung in der Hamburger Kunsthalle. Sie stammt angeblich von einem gewissen Fritz Buse. Über den ist sonst weiter nichts bekannt.
Doch die umfangreiche Forschung von 17 Wissenschaftlern in allen Bereichen, Fotografie, Tanz oder Landschaftsgärtnerei, hat andere Künstler dem Vergessen entrissen. Kurator Ulrich Luckhardt präsentiert Werke von verblüffender Qualität, die jahrzehntelang relativ wenig beachtet in den Archiven der Kunsthalle lagerten.
"Es sind ganz sicher Künstler wiederentdeckt worden oder neu bewertet worden. Künstler, die man nicht wirklich beachten konnte, weil ihre künstlerischen Werke im Zweiten Weltkrieg zerstört worden sind, und daher die Kenntnis über diese Künstler für uns heute relativ gering ist. Also dazu gehört beispielsweise der jüdische Künstler Willy Davidsohn oder der neusachliche Maler Eduard Hopf."
Hopf überlebte den Krieg und arbeitete danach weiter. Willy Davidsohn hingegen starb 1933 eines natürlichen Todes. So musste er nicht miterleben, wie seine gesamte Familie ermordet wurde. Es gibt daher niemanden mehr, der über Davidsohns Leben und künstlerische Entwicklung Auskunft geben könnte.
In der Ausstellung hängt ein beeindruckendes Landschaftsbild: Wald und Felder sind wie bei Cezanne in abstrakte Flächen aufgelöst, in Grau- und Brauntönen gehalten wie ein kubistisches Stillleben. Die Kunsthistorikerin Friederike Weimar, Mitherausgeberin des Bildbandes "Himmel auf Zeit", kann im Übrigen lediglich berichten, dass Willy Davidsohn Plakate entwarf für Opernaufführungen in Hamburg.
"Also auch da ist die interdisziplinäre Vernetzung in Hamburg besonders deutlich zu sehen. Hamburgs Kulturszene war einfach klein. Man kannte sich eben fächerübergreifend und auch zum Beispiel das Stadttheater, also die Oper, hat auf die Avantgarde gesetzt und hat solch einen avantgardistischen Künstler wie Willy Davidsohn engagiert, für sich die Plakate zu machen und auch teilweise Bühnenbilder zu entwerfen."
Ob Malerei oder Theater: Es ging den jungen Wilden beispielsweise um die Aufhebung von Hierarchien. Dabei inspirierte sie die Synästhesieforschung am Psychologischen Institut in Hamburg, die sich mit der gleichzeitigen Reiz-Wahrnehmung durch verschiedene Sinnesorgane beschäftigte.
Auf der Bühne sollten Wort und Bild, Bewegung und Musik gleichberechtigt zusammenwirken. In der Malerei versuchten Richard Haizmann, Alfred Ehrhardt oder Willy Nass mit ihren abstrakten Bildern, Fläche, Linie und Farbe gleichermaßen zur Geltung zu bringen.
Diesen sogenannten Sezessionsstil und den Austausch darüber förderte auch, dass die Künstler seit der Weltwirtschaftskrise 1929 unter einem Dach arbeiteten: Die Stadt Hamburg stellte ihnen Atelierräume in ungenutzten Gebäuden zur Verfügung. Zudem unterstützte sie die Szene mit einem speziellen Nothilfeprogramm. Die Bildhauer profitierten von den zahlreichen Aufträgen, die Oberbaudirektor Fritz Schumacher vergab. Ein bisschen ums Geld ging es auch bei dem alljährlichen Treffen der Avantgardisten: auf dem Künstlerfest im Curiohaus.
Friederike Weimar: "Es gab auch Künstlerfeste in anderen Städten, aber in dieser Ausprägung, fünf Tage lang ein ganzes Haus komplett zu dekorieren, Revues aufzuführen, Kostüme dafür zu nähen, Musik zu komponieren, also in dieser starken Ausprägung war das was Besonderes in Hamburg.
Es waren wirklich alle Räume komplett verkleidet je nach dem Motto. Das war mit ganz billigen Materialien gemacht, mit Pappe und Farbe, aber so toll ausgestattet, dass sie tatsächlich Eintrittsgelder nehmen konnten, dass man tagsüber sich diese Räume angucken konnte gegen Eintrittsgeld."
Nachts gab es natürlich mehr zu sehen: Aufführungen auf drei Bühnen und in drei Tanzsälen, in den dunklen Fluren dazwischen jene Dinge, die den Hausfrauenverband zu einer Klage veranlassten, die Künstlerfeste würden junge Mädchen moralisch verderben. Frivolität und Dada will das Festival "Himmel auf Zeit" wieder aufleben lassen. So wird es erstmals eine nie gespielte Tanzpantomime von Klaus Mann zeigen.
Doch vor allem werden und wurden, auch am heutigen Eröffnungsabend, jene voids, jene Leerstellen deutlich, aus denen der Architekt Daniel Libeskind seine Architektur formt. Die Satire der Gebrüder Wolf auf den Reichstag konnten Gerhard Garbers und Peter Franke immerhin noch nachspielen.
Viele ihrer Sketche und Lieder haben auf Schellack-Platten überlebt. Die Skulpturen von Friedrich Wield hingegen sind aus Hamburgs öffentlichem Raum verschwunden, von den Nationalsozialisten zerstört. Die Biografie des Malers Willy Davidsohn ist nicht mehr zu rekonstruieren.