Halten Sie Ihr Hirn fit!
Gedächtnisfreaks, die sich alles merken können, arbeiten fast immer mit einem jahrhundertealten Trick: Sie verpacken all die langweiligen Zahlen und Daten in derart aufregende Geschichten, dass sie sie einfach nicht mehr vergessen können. Der Autor macht vor, wie's geht.
2005 berichtet der Wissenschaftsjournalist Joshua Foer über die US-amerikanischen Gedächtnismeisterschaften. Er begegnet Menschen, die sich Hunderte Binärziffern einprägen können, und ist fasziniert. So sehr, dass er selbst Unterricht nimmt bei einem Gedächtnismeister.
Ein Jahr später, 2006, nimmt Joshua Foer selbst an den Meisterschaften teil und gewinnt: Er musste in fünf Minuten möglichst viele Ziffern einer Zahl lernen, sich in möglichst kurzer Zeit einen Stapel Spielkarten einprägen und die Karten in richtiger Reihenfolge wiedergeben und sich 99 Porträtfotos nebst zugehörigen Namen und Vornamen 15 Minuten lang einprägen, um anschließend zu den neu sortierten Bildern die Namen korrekt zu benennen.
Über sein Selbstexperiment hat er jetzt ein kluges Buch geschrieben: "Moonwalk mit Einstein" ist brillant, denn es entführt unterhaltsam in die Welt der Gedächtnis-Freaks, berichtet Neues aus Psychologie und Neurobiologie und schafft es außerdem noch, eine kurze Geschichte der Gedächtniskunst der Antike und des Mittelalters, der ars memorativa zu erzählen.
Ein Werk - die "Rhetorica ad Herennium" - aus dem ersten Jahrhundert vor Christus beschreibt bereits die Technik des Gedächtnispalastes, mit der heute noch gearbeitet wird: In einem Haus, das einem vertraut ist, legt man Bilder und Geschichten ab. Karo König ist Bill Clinton, Herz Vier ein Basketball und Kreuz Sieben ein Geschlechtsakt. Kommen die drei Karten hintereinander heißt das Bild: Bill Clinton kopuliert mit einem Basketball. Sind sie die ersten im Stapel, liegt das Bild in der Einfahrt zum Haus. Dann wartet vielleicht Pamela Anderson als Pik Dame an der Haustüre oder Lucky Luke hängt als Herz Bube tropfnass in der Dusche hinter dem Eingang. Um die Karten in der richtigen Reihenfolge wiederzugeben, muss man den Weg zum Haus und durch seine Zimmer hindurch gehen und sich anschauen, welchen Bildern man dabei begegnet.
So wird genutzt, was im Gedächtnis am besten funktioniert - die bildliche Erinnerung. Kommt man in ein fremdes Haus, weiß man nach einem Rundgang durch die Räume (das soll ein Argument dafür sein, dass man bildlich sehr schnell lernt), was wo ist. Und weil es leichter ist, sich an Sachen zu erinnern, die mit stärkeren Gefühlen verbunden sind, erfinden Gedächtniskünstler skurrile und auffallende Bilder. "Bei den meisten Gedächtnistechniken”, schreibt Foer, geht es darum, "aus allem möglichen langweiligen Gedächtnisinput etwas zu machen, was so bunt, aufregend und anders als alles bisher Dagewesene ist, dass wir es unmöglich wieder vergessen”.
Heute wird das Gedächtnis immer mehr externalisiert, so dass Menschen schon in ihr Handy schauen müssen, um die eigene Telefonnummer sagen zu können. Foer diagnostiziert einen Verfall des Gedächtnisses in Zeiten der nahezu beliebig wachsenden externen Speicher. Er selbst hat diesen Verfall mit eigenem Training beantwortet. Denn die Gedächtnisforschung weiß: Je mehr man im Kopf hat, desto besser kann man weitere Informationen verarbeiten. Auch davon erzählt dieses kluge Buch.
Rezensiert von Ulfried Geuter
Joshua Foer: "Moonwalk mit Einstein - Wie aus einem vergesslichen Mann ein Gedächtnis-Champion wurde"
Übersetzt aus dem Englischen von Ursula Rahn-Huber
Riemann-Verlag, München 2011
352 Seiten, 19,95 Euro
Ein Jahr später, 2006, nimmt Joshua Foer selbst an den Meisterschaften teil und gewinnt: Er musste in fünf Minuten möglichst viele Ziffern einer Zahl lernen, sich in möglichst kurzer Zeit einen Stapel Spielkarten einprägen und die Karten in richtiger Reihenfolge wiedergeben und sich 99 Porträtfotos nebst zugehörigen Namen und Vornamen 15 Minuten lang einprägen, um anschließend zu den neu sortierten Bildern die Namen korrekt zu benennen.
Über sein Selbstexperiment hat er jetzt ein kluges Buch geschrieben: "Moonwalk mit Einstein" ist brillant, denn es entführt unterhaltsam in die Welt der Gedächtnis-Freaks, berichtet Neues aus Psychologie und Neurobiologie und schafft es außerdem noch, eine kurze Geschichte der Gedächtniskunst der Antike und des Mittelalters, der ars memorativa zu erzählen.
Ein Werk - die "Rhetorica ad Herennium" - aus dem ersten Jahrhundert vor Christus beschreibt bereits die Technik des Gedächtnispalastes, mit der heute noch gearbeitet wird: In einem Haus, das einem vertraut ist, legt man Bilder und Geschichten ab. Karo König ist Bill Clinton, Herz Vier ein Basketball und Kreuz Sieben ein Geschlechtsakt. Kommen die drei Karten hintereinander heißt das Bild: Bill Clinton kopuliert mit einem Basketball. Sind sie die ersten im Stapel, liegt das Bild in der Einfahrt zum Haus. Dann wartet vielleicht Pamela Anderson als Pik Dame an der Haustüre oder Lucky Luke hängt als Herz Bube tropfnass in der Dusche hinter dem Eingang. Um die Karten in der richtigen Reihenfolge wiederzugeben, muss man den Weg zum Haus und durch seine Zimmer hindurch gehen und sich anschauen, welchen Bildern man dabei begegnet.
So wird genutzt, was im Gedächtnis am besten funktioniert - die bildliche Erinnerung. Kommt man in ein fremdes Haus, weiß man nach einem Rundgang durch die Räume (das soll ein Argument dafür sein, dass man bildlich sehr schnell lernt), was wo ist. Und weil es leichter ist, sich an Sachen zu erinnern, die mit stärkeren Gefühlen verbunden sind, erfinden Gedächtniskünstler skurrile und auffallende Bilder. "Bei den meisten Gedächtnistechniken”, schreibt Foer, geht es darum, "aus allem möglichen langweiligen Gedächtnisinput etwas zu machen, was so bunt, aufregend und anders als alles bisher Dagewesene ist, dass wir es unmöglich wieder vergessen”.
Heute wird das Gedächtnis immer mehr externalisiert, so dass Menschen schon in ihr Handy schauen müssen, um die eigene Telefonnummer sagen zu können. Foer diagnostiziert einen Verfall des Gedächtnisses in Zeiten der nahezu beliebig wachsenden externen Speicher. Er selbst hat diesen Verfall mit eigenem Training beantwortet. Denn die Gedächtnisforschung weiß: Je mehr man im Kopf hat, desto besser kann man weitere Informationen verarbeiten. Auch davon erzählt dieses kluge Buch.
Rezensiert von Ulfried Geuter
Joshua Foer: "Moonwalk mit Einstein - Wie aus einem vergesslichen Mann ein Gedächtnis-Champion wurde"
Übersetzt aus dem Englischen von Ursula Rahn-Huber
Riemann-Verlag, München 2011
352 Seiten, 19,95 Euro