Halleluja, auferstanden

Von Thomas Kroll · 03.04.2010
Nach Aschermittag artikulieren sechs Wochen lang die kirchlichen Lieder der vorösterlichen Zeit Themen wie Schuld und Sünde, Schmerz und Leiden. Mit der Osternacht ändert das. Freude und Jubel stehen auf dem Programm.
"Singt das Lob dem Osterlamme,
bringt es ihm dar, ihr Christen.
Das Lamm erlöst' die Schafe:
Christus, der ohne Schuld war,
versöhnte die Sünder mit dem Vater."

Eine moderne Übertragung der lateinischen Ostersequenz.

Der Begriff "Sequenz" entstammt dem lateinischen Wort "sequi", zu Deutsch: "folgen". In der Liturgie folgt die Sequenz unmittelbar auf den Antwortpsalm nach einer Lesung. Meist ist es ein lyrischer, hymnenartiger Gesang.

Hier noch einmal der Beginn der Ostersequenz – im lateinischen Original.

"Victimae paschali laudes
immolent Christiani.
Agnus redemit oves:
Christus innocens Patri
reconciliavit peccatores."

Wipo von Burgund verfasst die Ostersequenz in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts. "Victimae paschalis laudes" zählt zu den ältesten heute bekannten lateinischen Gesängen für die Osterliturgie.

Am Anfang steht der Aufruf zum Osterlob: Singt das Lob dem Osterlamme. Am Ende lautet das Osterbekenntnis: Wir wissen: Christus ist von den Toten erstanden.

Dazwischen findet man zwei Doppelstrophen. Die erste thematisiert das Erlösungsgeschehen des Osterlammes und den – Zitat – "unbegreiflichen Zweikampf" von Tod und Leben. Die zweite Doppelstrophe beinhaltet einen osterspielähnlichen Dialog der Sänger mit der ersten Zeugin der Auferstehung:

"Maria Magdalena,
sag uns, was du gesehen.
Das Grab des Herrn sah ich offen
und Christus von Gottes Glanz umflossen ..."

Im 14. Jahrhundert kommt ein neuer Brauch auf: An Festtagen wie Ostern verbindet man die lateinische Sequenz mit deutschen Zwischengesängen. Seither singt man im Wechsel mit der Ostersequenz:

"Christ ist erstanden
von der Marter alle;
des solln wir alle froh sein,
Christ will unser Trost sein.
Kyrieleis."

Erwähnt wird dieser Gesang erstmals im Jahre 1160. Es ist vermutlich das älteste Kirchenlied in deutscher Sprache und findet rasch Verbreitung im Volk. Man singt es in der Liturgie und bei Osterspielen ebenso wie in Klöstern und bei Tafelrunden auf Ritterburgen.

Auffällig ist die melodische Nähe zur klassischen Ostersequenz.

"Wär er nicht erstanden,
so wär die Welt vergangen;
Seit dass er erstanden ist,
so lobn wir den Vater Jesu Christ'.
Kyrieleis."

"Alle Lieder singt man sich mit der Zeit müde, aber das 'Christ ist erstanden' muss man alle Jahre wieder singen."

So Martin Luther.

Beinhaltet die älteste Fassung von "Christ ist erstanden" nur eine Strophe, existieren zu Beginn des 16. Jahrhunderts bereits viele verschiedene Strophen. Der Reformator reduziert die Fülle und legt für "Christ ist erstanden" eine dreistrophige Fassung fest. Dabei setzt er folgenden theologischen Akzent:

"Seit dass er erstanden ist, so lobn wir den Vater Jesu Christ'."

So steht es im Evangelischen Gesangbuch. Im katholischen Gotteslob hingegen heißt es an derselben Stelle:

"Seit dass er erstanden ist, so freut sich alles, was da ist."

Das ist die ältere mittelalterliche Textfassung. Sie betont die kosmische Dimension des Ostergeschehens. Luther hingegen stellt das Lob des Vaters heraus, denn der entriss Christus dem Tod.

"Christ lag in Todesbanden,
für unsre Sünd' gegeben,
der ist wieder erstanden
und hat uns bracht das Leben."

Der Beginn von "Christ lag in Todesbanden". Melodie und Text stammen von Martin Luther. Der greift insbesondere zu Beginn die Melodie der lateinischen Ostersequenz auf, und für die sieben Textstrophen übernimmt Luther viele Passagen aus "Christ ist erstanden".

"Des wir sollen fröhlich sein,
Gott loben und dankbar sein
und singen Halleluja.
Halleluja."

"Christ lag in Todesbanden" ist Passions- und Osterlied. Es stellt immer wieder heraus: Kein Ostern ohne Karfreitag. Nur vor dieser Folie ist der österliche Jubel verständlich.