"Halbwertszeit eines Profis ist nun mal endlich"
Pro Saison finden etwa 120 bis 150 professionelle Fußballspieler keinen Verein mehr. Sie sind arbeitslos. Länger als zehn Jahre bleibe ein Profi meist ohnehin nicht im Geschäft, sagt Lars Kindgen, Geschäftsführer der Spielergewerkschaft VDV. Umso wichtiger sei es, dass er sich parallel auf ganz normale Jobs in der Wirtschaft vorbereite.
Marcus Pindur: Arbeitslosigkeit im Profifußball ist übrigens bei weitem nicht nur ein Problem von eher unbekannten Spielern, auch Ex-Nationalkicker wie Timo Hildebrand, Gerald Asamoah oder Thomas Hitzlsperger suchen zurzeit einen neuen Verein.
Wir sprechen jetzt mit dem Geschäftsführer der Spielergewerkschaft Vereinigung der Vertragsfußballer Lars Kindgen, guten Morgen, Herr Kindgen!
Lars Kindgen: Guten Morgen, Herr Pindur, hallo!
Pindur: Können Sie das schon ungefähr abschätzen, wie viele Spieler sind augenblicklich zum Saisonstart im deutschen Profifußball ohne Job?
Kindgen: Unsere Erfahrung ist, dass pro Saison so etwa 120 bis 150 Spieler keinen Verein mehr finden oder keine Arbeitsstelle finden, und die Tendenz ist von Jahr zu Jahr steigend.
Pindur: Die Bundesliga, so haben wir eben in dem Beitrag gehört von Tommy Wheeler, setzt verstärkt auf junge Spieler. Warum ist das so?
Kindgen: Also, da macht sich natürlich auch die gute Nachwuchsarbeit der Vereine bemerkbar, aber eins ist auch klar: Die Vereine müssen Geld sparen, und da ein junger Spieler natürlich weniger am Anfang verdient als ein gestandener Spieler mit Erfahrung, werden die Vereine in Zukunft auch dort eher auf junge Spieler setzen.
Pindur: Was raten Sie denn dann einem Profi, der zu Ihnen kommt, zwischen 25 und 30 Jahren alt ist, so wie zum Beispiel Roland Benschneider, was soll der denn tun?
Kindgen: Also, er sollte zumindest auch zweigleisig fahren. Wir bieten von der Gewerkschaft aus auch ein Laufbahn-Coaching an, dass man neben den Fußballspielen sich auch auf die Karriere nach der Karriere vorbereiten kann, sich orientiert, dass man zumindest nicht nur auf Fußball setzt, weil so eine Halbwertszeit eines Profis ist nun mal endlich, zehn Jahre vielleicht, Maximum, sodass man auf jeden Fall auch neben dem Fußball sich orientieren sollte.
Pindur: Sie bieten seit acht Jahren jeden Sommer ein Trainingscamp für vereinslose Spieler an. Wie sind Sie überhaupt auf diese Idee gekommen?
Kindgen: Ja, also, ich war ja selber auch mal Profi, und in dieser Zeit hat man auch die Erfahrung gemacht, dass man in der Sommerpause, wenn man keinen Job hatte, nur durch den Wald gelaufen ist, sich selbst vorbereitet hat. Und wir haben an der Stelle in der Vergangenheit über die Landesgrenzen hinaus geguckt, in Frankreich gab es so was schon, dass sich die Spieler dort ja unter professionellen Bedingungen auch fit gemacht haben im Mannschaftstraining. Und das haben wir dann vor acht Jahren einfach mal angefangen, übernommen, und das hat sich bis heute sehr gut entwickelt und wird immer mehr angenommen, auch von den Vereinen. Und so kamen wir darauf.
Pindur: Wie viele von den Spielern werden denn weitervermittelt, die an Ihrem Trainingscamp dann teilnehmen?
Kindgen: Also, im letzten Jahr haben wir …, 80 Prozent etwa der Spieler sind wieder in einen neuen Job gekommen, haben einen neuen Verein gefunden. Dazu muss man sagen, dass man in der Regel nicht in der Liga einsteigt, in der man aufgehört hat, sondern eventuell eine Klasse tiefer einsteigen muss, aber im letzten Jahr war auch der Delron Buckley da, der ja auch dann in der zweiten Liga gelandet ist, sodass man sieht, dass wir da auch eine ganz gute Arbeit machen.
Pindur: Profifußball ist ein hartes Geschäft und dementsprechend hart zeigt man sich dann wahrscheinlich auch nach außen. Wie erleben Sie denn diese Spieler, die dort bei Ihnen ankommen? Sind da auch welche bei, wo Sie den Eindruck haben, die brauchen einfach mal psychologische Unterstützung?
Kindgen: Ganz klar. Also, das ist natürlich auch eine Extremsituation, dass man keinen Job hat, das geht ja auch vielen anderen in Deutschland so, dass man erst mal Selbstzweifel hat, bin ich überhaupt noch gut genug für den Job, warum fragt jetzt keiner an, wie sieht die Zukunft aus, ich hab' Familie, wie erziele ich in Zukunft mein Einkommen? Das sind schon Dinge, die dann auf uns zukommen, wo wir dann auch in Gesprächen die Dinge aufzeigen, wie man sich jetzt orientieren soll beziehungsweise wie man mit der Situation umgeht.
Dafür ist das Trainingscamp auch eine sehr gute Maßnahme, weil man da unter Gleichgesinnten ist. Jeder hat dieses Problem und man kann diese Probleme austauschen und sitzt halt nicht zu Hause alleine und grübelt nach, sondern kann auch mit Kollegen mal Erfahrung austauschen.
Pindur: Sie haben eben angesprochen, dass auch Empfehlungen ausgesprochen werden, wie es weitergehen kann beruflich. Was machen denn Profifußballer, wenn sie nicht gerade in der ersten Liga spielen und Millionen verdient haben? Was machen die denn nach dem Ende ihrer Karriere als Profifußballer?
Kindgen: Ja gut, die meisten haben natürlich das Ziel oder den Wunsch, irgendwo im Fußball weiter tätig zu bleiben, was natürlich auch sehr, sehr schwierig ist, weil dort die Jobs auch nicht so in der Menge da sind. Viele, die – das ist Gott sei Dank ein Trend der letzten Jahre – machen auch Studiengänge, BWL-Studiengänge, bereiten sich dort vor. Wir haben die Möglichkeit, über große Firmen dort auch Praktika zu besorgen, um sich da in andere Bereiche zu orientieren. Und wie gesagt, die meisten versuchen, im Fußball zu bleiben, doch das Gros wird einen ganz normalen Job in der normalen Wirtschaft annehmen müssen.
Pindur: Herr Kindgen, vielen Dank für das Gespräch!
Kindgen: Wunderbar, danke sehr, Herr Pindur!
Pindur: Lars Kindgen von der Spielergewerkschaft Vereinigung der Vertragsfußballer im Deutschlandradio Kultur.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Wir sprechen jetzt mit dem Geschäftsführer der Spielergewerkschaft Vereinigung der Vertragsfußballer Lars Kindgen, guten Morgen, Herr Kindgen!
Lars Kindgen: Guten Morgen, Herr Pindur, hallo!
Pindur: Können Sie das schon ungefähr abschätzen, wie viele Spieler sind augenblicklich zum Saisonstart im deutschen Profifußball ohne Job?
Kindgen: Unsere Erfahrung ist, dass pro Saison so etwa 120 bis 150 Spieler keinen Verein mehr finden oder keine Arbeitsstelle finden, und die Tendenz ist von Jahr zu Jahr steigend.
Pindur: Die Bundesliga, so haben wir eben in dem Beitrag gehört von Tommy Wheeler, setzt verstärkt auf junge Spieler. Warum ist das so?
Kindgen: Also, da macht sich natürlich auch die gute Nachwuchsarbeit der Vereine bemerkbar, aber eins ist auch klar: Die Vereine müssen Geld sparen, und da ein junger Spieler natürlich weniger am Anfang verdient als ein gestandener Spieler mit Erfahrung, werden die Vereine in Zukunft auch dort eher auf junge Spieler setzen.
Pindur: Was raten Sie denn dann einem Profi, der zu Ihnen kommt, zwischen 25 und 30 Jahren alt ist, so wie zum Beispiel Roland Benschneider, was soll der denn tun?
Kindgen: Also, er sollte zumindest auch zweigleisig fahren. Wir bieten von der Gewerkschaft aus auch ein Laufbahn-Coaching an, dass man neben den Fußballspielen sich auch auf die Karriere nach der Karriere vorbereiten kann, sich orientiert, dass man zumindest nicht nur auf Fußball setzt, weil so eine Halbwertszeit eines Profis ist nun mal endlich, zehn Jahre vielleicht, Maximum, sodass man auf jeden Fall auch neben dem Fußball sich orientieren sollte.
Pindur: Sie bieten seit acht Jahren jeden Sommer ein Trainingscamp für vereinslose Spieler an. Wie sind Sie überhaupt auf diese Idee gekommen?
Kindgen: Ja, also, ich war ja selber auch mal Profi, und in dieser Zeit hat man auch die Erfahrung gemacht, dass man in der Sommerpause, wenn man keinen Job hatte, nur durch den Wald gelaufen ist, sich selbst vorbereitet hat. Und wir haben an der Stelle in der Vergangenheit über die Landesgrenzen hinaus geguckt, in Frankreich gab es so was schon, dass sich die Spieler dort ja unter professionellen Bedingungen auch fit gemacht haben im Mannschaftstraining. Und das haben wir dann vor acht Jahren einfach mal angefangen, übernommen, und das hat sich bis heute sehr gut entwickelt und wird immer mehr angenommen, auch von den Vereinen. Und so kamen wir darauf.
Pindur: Wie viele von den Spielern werden denn weitervermittelt, die an Ihrem Trainingscamp dann teilnehmen?
Kindgen: Also, im letzten Jahr haben wir …, 80 Prozent etwa der Spieler sind wieder in einen neuen Job gekommen, haben einen neuen Verein gefunden. Dazu muss man sagen, dass man in der Regel nicht in der Liga einsteigt, in der man aufgehört hat, sondern eventuell eine Klasse tiefer einsteigen muss, aber im letzten Jahr war auch der Delron Buckley da, der ja auch dann in der zweiten Liga gelandet ist, sodass man sieht, dass wir da auch eine ganz gute Arbeit machen.
Pindur: Profifußball ist ein hartes Geschäft und dementsprechend hart zeigt man sich dann wahrscheinlich auch nach außen. Wie erleben Sie denn diese Spieler, die dort bei Ihnen ankommen? Sind da auch welche bei, wo Sie den Eindruck haben, die brauchen einfach mal psychologische Unterstützung?
Kindgen: Ganz klar. Also, das ist natürlich auch eine Extremsituation, dass man keinen Job hat, das geht ja auch vielen anderen in Deutschland so, dass man erst mal Selbstzweifel hat, bin ich überhaupt noch gut genug für den Job, warum fragt jetzt keiner an, wie sieht die Zukunft aus, ich hab' Familie, wie erziele ich in Zukunft mein Einkommen? Das sind schon Dinge, die dann auf uns zukommen, wo wir dann auch in Gesprächen die Dinge aufzeigen, wie man sich jetzt orientieren soll beziehungsweise wie man mit der Situation umgeht.
Dafür ist das Trainingscamp auch eine sehr gute Maßnahme, weil man da unter Gleichgesinnten ist. Jeder hat dieses Problem und man kann diese Probleme austauschen und sitzt halt nicht zu Hause alleine und grübelt nach, sondern kann auch mit Kollegen mal Erfahrung austauschen.
Pindur: Sie haben eben angesprochen, dass auch Empfehlungen ausgesprochen werden, wie es weitergehen kann beruflich. Was machen denn Profifußballer, wenn sie nicht gerade in der ersten Liga spielen und Millionen verdient haben? Was machen die denn nach dem Ende ihrer Karriere als Profifußballer?
Kindgen: Ja gut, die meisten haben natürlich das Ziel oder den Wunsch, irgendwo im Fußball weiter tätig zu bleiben, was natürlich auch sehr, sehr schwierig ist, weil dort die Jobs auch nicht so in der Menge da sind. Viele, die – das ist Gott sei Dank ein Trend der letzten Jahre – machen auch Studiengänge, BWL-Studiengänge, bereiten sich dort vor. Wir haben die Möglichkeit, über große Firmen dort auch Praktika zu besorgen, um sich da in andere Bereiche zu orientieren. Und wie gesagt, die meisten versuchen, im Fußball zu bleiben, doch das Gros wird einen ganz normalen Job in der normalen Wirtschaft annehmen müssen.
Pindur: Herr Kindgen, vielen Dank für das Gespräch!
Kindgen: Wunderbar, danke sehr, Herr Pindur!
Pindur: Lars Kindgen von der Spielergewerkschaft Vereinigung der Vertragsfußballer im Deutschlandradio Kultur.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.