Hafencity wird zur Kulturadresse

Von Werner Nording |
Das Spiegel-Bild-Archiv und die private Sammlung FC Gundlach haben ihre neuen Depots bezogen. In historischen Gebäuden der Hamburger Speicherstadt sind die Fotografien untergebracht. Allein das umfangreiche Spiegel-Archiv gibt einen Einblick in über 50 Jahre bundesrepublikanischer Geschichte.
„Sie stehen vor journalistischen Fotos aus 60 Jahren Spiegel-Geschichte, das sind etwa drei Millionen Bilder, 1200 Regalmeter, es ist eine unüberschaubare Menge, ich hab mich hier gerade noch mal umgeschaut …“

Der Professor für Fotografie, Peter Hendricks, der zehn Jahre in der Spiegel-Redaktion gearbeitet hat, ist immer noch überwältigt von dem Bildarchiv des politischen Magazins. Seit dem Jahr 2000 nutzt der Spiegel nur noch digitale Fotos. Deshalb werden die analogen Papierbilder nicht mehr gebraucht. In Tausenden von Hängeordnern ist hier bis unter die Decke gespeichert mehr als 50 Jahre bundesrepublikanische Nachkriegsgeschichte präsent. Die Dokumentarin Margret Spohn hat das Spiegel-Bild-Archiv nach Sachgebieten erschlossen.

„Die Ordnung ist so, wie auch unser Haus organisiert ist, wir haben hier eine Deutschlandabteilung, eine Auslandsabteilung, Kultur heißt beim Spiegel Zeitgeschichte, Geschichte, Sport. Technik, Wissenschaft und Medien und ein sehr umfangreiches Personenarchiv, das ist allein 600 Regalmeter.“

Das Spiegel-Bild-Archiv und die private Sammlung FC Gundlach haben jetzt ihre neuen Depots bezogen. In historischen Gebäuden der Hamburger Speicherstadt im Hafen, in denen vormals Waren aus aller Welt lagerten, sind nun internationale Fotografien untergebracht. Zwei jeweils 370 qm große Lagerräume wurden klimatisch und sicherheitstechnisch umgebaut. Damit können die Schätze optimal aufbewahrt werden, die dem Haus der Fotographie als Dauerleihgaben zur Verfügung stehen. Dazu Robert Fleck, der Direktor der Deichtorhallen, zu dem das Haus der Photographie gehört.

„Zum Beispiel sind ja hier die berühmten Fotos, wo Günter Guillaume drauf ist als Berater und Spion bei Willy Brandt, diese Fotos sind hier drin, die sind sonst in den ersten Abzügen fast nirgendwo zu sehen und das gilt für ganz viele solche Fotos, mit der Geschichte der RAF sind hier Konvolute, die gibt es sonst absolut nirgendwo.“

Erst ein Bruchteil dieser Schätze konnte die Öffentlichkeit bisher schon sehen.

„Bei der Sammlung Gundlach haben wir zwei große Ausstellungen gemacht und vielleicht fünf Prozent gezeigt, und beim Bildarchiv des Spiegel ist es noch eklatanter, das sind 3,5 Millionen Pressefotos vor allem aus der Zeit von 1947 bis 2000 aber in dieser Zeit völlig flächendeckend und von diesen Fotos haben wir bislang etwa 200 gezeigt.“

Lange hinkte die Fotographie der Bildenden und Zeitgenössischen Kunst hinterher. Erst in den letzten Jahren haben Fotografien in Sammlerkreisen auch eine materielle Wertschätzung erfahren. Bilder des amerikanischen Modefotografen Erving Penn werden für Hunderttausende von Dollar gehandelt, sagt der Sammler FC Gundlach.

„Aber das Materielle ist nicht so wichtig, für mich ist wichtig, dass eine Sammlung ein Konzept hat, mein Konzept ist das Bild des Menschen in der Fotografie von Beginn an von 1843 bis 2006, das letzte Bild in meiner Sammlung ist ein Bild vom Papst.“

Der Fotokünstler und Sammler Gundlach hat 30 Jahre lang Bilder zusammengetragen. Er hat sein Lebenswerk einer Stiftung übergeben und möchte, dass diese Sammlung zusammenbleibt und durch weitere ergänzt wird.

„Ich denke, dass hier ein neues Zentrum entsteht für die Erhaltung der Fotografie und ich würde mir wünschen, wenn sich in diesem Bereich noch mehr Leute niederlassen in diesen Räumen, die ich für sehr geeignet halte, weil sie schon immer Speicher waren mit dicken Wänden und kleinen Fenstern und alle Sturmfluten überlebt haben. Wir müssen uns konzentrieren, denn wir leben am Ende der analogen Fotografie, die endet in diesen Tagen und die analoge Fotografie und das, was als Kulturgut in 150 Jahren mit diesem Medium geschaffen worden ist, das müssen wir sichern.“

Die Hamburger Kultursenatorin Karin von Welck möchte die Hansestadt gerne zum bundesdeutschen Zentrum der Fotografie machen. Die Sammlung Gundlach und vor allem dem Spiegel-Bildarchiv seien ein guter Anfang.

„Also ich glaub, das ist schon ziemlich einmalig, also es ist toll, mit dem Bildarchiv des Spiegel haben wir eine unglaubliches Zeitungs-Bild-Archiv zusammen, das man vielleicht ähnlich bei der Washington Post noch finden würde, was ich besonders faszinierend finde ist, dass es so unglaublich gut geordnet ist, das ist ja auch nicht so oft, der Traum wäre, vielleicht jetzt auch noch das Ullstein-Bild-Archiv dabei zu haben, dann wär es ganz perfekt, aber so haben wir schon einen Schatz, mit dem ganz viel ans Tageslicht geholt werden kann.“

Der Spiegel hat die Einrichtung der Depots großzügig unterstützt. Dem Spiegel-Geschäftsführer Karl Dietrich Seikel liegt daran, das Bildarchiv des Magazins möglichst breit Wissenschaftlern, Künstlern und Publizisten zugänglich zu machen.

„Die Idee dabei war, dass wir dieses Archiv nicht nur erhalten, das hätten wir in unseren eigenen Räumern auch gekonnt, sondern dass wir es zugänglich machen, einer interessierten Öffentlichkeit, also der Wissenschaft sowieso, aber auch anderen Journalisten, Studenten, also Leute, die sich für diese Art Pressearchiv interessieren.“

Die Einrichtung der Foto-Depots ist der erste Schritt, die historische Speicherstadt auch künstlerisch zu nutzen, sagt die Hamburger Kultursenatorin Karin von Welck.

„Die Speicherstadt in der das hier untergebracht ist, ist ja im Moment im Wandel begriffen, wo vor kurzem nur Teppichhändler untergebracht waren, auch unter ziemlich schlichten Bedingungen, können nun solche Archive wie diese untergebracht werden, können aber auch wunderbare Büro- und Veranstaltungsräume gebaut werden. Wir werden auch in Kürze in der Speicherstadt Künstlerateliers zur Verfügung haben, das ist ein hochspannender struktureller Wandel, der hier vonstatten geht, da ist das hier ein wichtiger Meilenstein.“