Hafen der Träume
Mehr als fünf Millionen Menschen, darunter viele osteuropäische Juden, verließen von Hamburg aus zwischen 1850 und 1934 ihre Heimat, meist mit dem Ziel Amerika. Für sie ließen die Hamburger Stadtväter einst eigene Unterkünfte errichten. Jetzt soll am historischen Ort ein Museum entstehen.
"Das wird alles abgerissen, auch der Schrottplatz da drüben verschwindet in ein paar Wochen."
Clemens Finkbeiner-Dege stapft durch kniehohes Unkraut, vorbei an wilden Brombeersträuchern, einem ausgedienten Schrottplatz und eingefallen Mauerwänden. Hier soll es einmal stehen: Hamburgs Auswanderermuseum – der "Port of Dreams" – "Hafen der Hoffnung".
30 Meter weiter, am Müggenburger Zollhafen stehen schon die Bagger. Die Uferbefestigung wird erneuert. In zwei Jahren, sagt der Pressesprecher der Hamburger Projekt- und Realisierungsgesellschaft, sollen da unten Touristen-Barkassen anlegen.
" Das Schiffchen legt da an: Sie steigen aus, und laufen über den noch nicht vorhandenen Park auf das Museum zu. Kann man sich jetzt noch nicht vorstellen, aber ..."
Vor ein Tagen haben Arbeiter zwischen Schrottplatz und Brombeersträuchern ein Bauschild mit historischem Foto aufgestellt: Ein Mann mit Hut, der einer Frau und einem Kind nachwinkt. Abschiedsszenen, die sich an diesem Ort wohl oft ereignet haben.
Mehr als fünf Millionen Menschen verließen zwischen 1850 und 1934 ihre Heimat über den Hamburger Hafen. Ab 1901 wurden für die Durchreisenden am Müggenburger Zollhafen eigene Unterkünfte, Speisesäle und Schreibstuben errichtet, so entstand nach und nach eine kleine Auswanderstadt, die Ballinstadt, benannt nach ihrem Begründer, Alber Ballin, Generaldirektor der HAPAG, damals die größte Schifffahrtsgesellschaft der Welt.
" Man muss sich vorstellen, dass es eigentlich eine Stadt in der – oder am Rande der – Stadt Hamburg war, mit Platz für ungefähr 5.000 Leute gleichzeitig. Mit etwas über 30 Gebäuden, Schlafsäle, Speisesäle, Küche. Getrennte Küche für jüdische Reisende, koschere Essenszubereitung, eine evangelische Kirche, eine Synagoge, Hotels, kleine Geschäfte, eigentlich alles, was zu einer kleinen Stadt gehört. Es gab sogar einen Musikpavillon, also einen Turm, auf dem dann oben die Musikkapelle stand und zu bestimmten Anlässen gespielt hat. "
Seit vier Jahren beschäftigt sich Ursula Wöst von der Stiftung "Hamburg Maritim" mit der Geschichte des Auswanderer-Hafens. Es war ihre Idee, dass künftige Museum am historischen Ort zu errichten und dazu drei Gebäude der alten Auswandererstadt originalgetreu wiederherstellen zu lassen. Sechs Millionen Euro hat der Senat dafür bewilligt, dazu kommen rund drei Millionen Euro Sponsorengelder. Im Frühjahr 2007 soll alles fertig sein.
Gut anderthalb Jahre liegen die Hamburger Städteplaner damit hinter ihren Kollegen in Bremerhaven zurück, die ihr Museum schon heute eröffnen. Verstecken müsse man sich deswegen aber keineswegs, meint Ursula Wöst. Das Konzept der Hamburger sei schließlich etwas ganz Besonderes:
" In Hamburg haben wir zwei historische Schätze, das ist zum einem der Ort der Auswandererhallen, wo die Menschen um 1900 mehrere Tage oder auch Wochen verbrachten, bis sie auf ihr Schiff gehen konnten, zur Abreise, Und das sind die Hamburger Passagierlisten, die geführt worden sind 1850 bis 1934, mit fast fünf Millionen Namen, von Menschen, die ausgewandert sind und sehr detaillierten Informationen zur Herkunft - und das ist für Historiker ein echter Schatz."
Ein echter Schatz – so sieht es auch Andrea Brinkmann. Seit einem halben Jahr arbeitet die Historikerin für die Hamburger Online-Datenbank "Link to your Roots". Pro Monat beantworten sie und ihre Kollegen mehr als hundert Anfragen von Menschen, die wissen wollen, wo genau ihre Vorfahren eigentlich herkamen.
"Und das ist das Entscheidende: Die Hamburger Passagierlisten verzeichnen neben dem Namen, dem Alter, dem Beruf auch den genauen Herkunftsort der Auswanderer. Und genauer Herkunftsort heißt in der Regel auch winzige Dörfer. Also, das kann irgendein kleiner Ort in Pommern sein oder Schleswig-Holstein oder Süddeutschland sein."
Kein anderer Auswandererhafen in Europa kann vergleichbare Passagierlisten anbieten. Entweder es wurden gar keine angefertigt, sie gingen verloren oder sie wurden alle paar Jahre aus Platzgründen vernichtet. Während die Kollegen in Bremerhaven deshalb heute auf die Verzeichnisse amerikanischer Einwandererbehörden zurückgreifen müssen, verfügen die Hamburger über die sehr viel genaueren und länger zurückreichenden Original-Listen. Dokumente, in denen Museumsbesucher später vor Ort recherchieren können.
Auf rund 150.000 Besucher pro Jahr hofft der private Betreiber und setzt nicht zuletzt auf zahlungskräftige Touristen aus den USA. Die Zeichen dafür stehen günstig: Schließlich gibt es seit acht Wochen wieder täglich einen Direktflug: Hamburg-New York.
Kompass: Familiengeschichten *
Clemens Finkbeiner-Dege stapft durch kniehohes Unkraut, vorbei an wilden Brombeersträuchern, einem ausgedienten Schrottplatz und eingefallen Mauerwänden. Hier soll es einmal stehen: Hamburgs Auswanderermuseum – der "Port of Dreams" – "Hafen der Hoffnung".
30 Meter weiter, am Müggenburger Zollhafen stehen schon die Bagger. Die Uferbefestigung wird erneuert. In zwei Jahren, sagt der Pressesprecher der Hamburger Projekt- und Realisierungsgesellschaft, sollen da unten Touristen-Barkassen anlegen.
" Das Schiffchen legt da an: Sie steigen aus, und laufen über den noch nicht vorhandenen Park auf das Museum zu. Kann man sich jetzt noch nicht vorstellen, aber ..."
Vor ein Tagen haben Arbeiter zwischen Schrottplatz und Brombeersträuchern ein Bauschild mit historischem Foto aufgestellt: Ein Mann mit Hut, der einer Frau und einem Kind nachwinkt. Abschiedsszenen, die sich an diesem Ort wohl oft ereignet haben.
Mehr als fünf Millionen Menschen verließen zwischen 1850 und 1934 ihre Heimat über den Hamburger Hafen. Ab 1901 wurden für die Durchreisenden am Müggenburger Zollhafen eigene Unterkünfte, Speisesäle und Schreibstuben errichtet, so entstand nach und nach eine kleine Auswanderstadt, die Ballinstadt, benannt nach ihrem Begründer, Alber Ballin, Generaldirektor der HAPAG, damals die größte Schifffahrtsgesellschaft der Welt.
" Man muss sich vorstellen, dass es eigentlich eine Stadt in der – oder am Rande der – Stadt Hamburg war, mit Platz für ungefähr 5.000 Leute gleichzeitig. Mit etwas über 30 Gebäuden, Schlafsäle, Speisesäle, Küche. Getrennte Küche für jüdische Reisende, koschere Essenszubereitung, eine evangelische Kirche, eine Synagoge, Hotels, kleine Geschäfte, eigentlich alles, was zu einer kleinen Stadt gehört. Es gab sogar einen Musikpavillon, also einen Turm, auf dem dann oben die Musikkapelle stand und zu bestimmten Anlässen gespielt hat. "
Seit vier Jahren beschäftigt sich Ursula Wöst von der Stiftung "Hamburg Maritim" mit der Geschichte des Auswanderer-Hafens. Es war ihre Idee, dass künftige Museum am historischen Ort zu errichten und dazu drei Gebäude der alten Auswandererstadt originalgetreu wiederherstellen zu lassen. Sechs Millionen Euro hat der Senat dafür bewilligt, dazu kommen rund drei Millionen Euro Sponsorengelder. Im Frühjahr 2007 soll alles fertig sein.
Gut anderthalb Jahre liegen die Hamburger Städteplaner damit hinter ihren Kollegen in Bremerhaven zurück, die ihr Museum schon heute eröffnen. Verstecken müsse man sich deswegen aber keineswegs, meint Ursula Wöst. Das Konzept der Hamburger sei schließlich etwas ganz Besonderes:
" In Hamburg haben wir zwei historische Schätze, das ist zum einem der Ort der Auswandererhallen, wo die Menschen um 1900 mehrere Tage oder auch Wochen verbrachten, bis sie auf ihr Schiff gehen konnten, zur Abreise, Und das sind die Hamburger Passagierlisten, die geführt worden sind 1850 bis 1934, mit fast fünf Millionen Namen, von Menschen, die ausgewandert sind und sehr detaillierten Informationen zur Herkunft - und das ist für Historiker ein echter Schatz."
Ein echter Schatz – so sieht es auch Andrea Brinkmann. Seit einem halben Jahr arbeitet die Historikerin für die Hamburger Online-Datenbank "Link to your Roots". Pro Monat beantworten sie und ihre Kollegen mehr als hundert Anfragen von Menschen, die wissen wollen, wo genau ihre Vorfahren eigentlich herkamen.
"Und das ist das Entscheidende: Die Hamburger Passagierlisten verzeichnen neben dem Namen, dem Alter, dem Beruf auch den genauen Herkunftsort der Auswanderer. Und genauer Herkunftsort heißt in der Regel auch winzige Dörfer. Also, das kann irgendein kleiner Ort in Pommern sein oder Schleswig-Holstein oder Süddeutschland sein."
Kein anderer Auswandererhafen in Europa kann vergleichbare Passagierlisten anbieten. Entweder es wurden gar keine angefertigt, sie gingen verloren oder sie wurden alle paar Jahre aus Platzgründen vernichtet. Während die Kollegen in Bremerhaven deshalb heute auf die Verzeichnisse amerikanischer Einwandererbehörden zurückgreifen müssen, verfügen die Hamburger über die sehr viel genaueren und länger zurückreichenden Original-Listen. Dokumente, in denen Museumsbesucher später vor Ort recherchieren können.
Auf rund 150.000 Besucher pro Jahr hofft der private Betreiber und setzt nicht zuletzt auf zahlungskräftige Touristen aus den USA. Die Zeichen dafür stehen günstig: Schließlich gibt es seit acht Wochen wieder täglich einen Direktflug: Hamburg-New York.
Kompass: Familiengeschichten *

Sehnsuchtsziel vieler Auswanderer: New York© dradio.de