György Konrad: "Sonnenfinsternis auf dem Berg"
Auf dem St. Georgs-Berg inmitten einer vulkanischen Landschaft am Rande des Plattensees erlebt der Schriftsteller eine Sonnenfinsternis. Man schreibt das Jahr 1999. Der Schriftsteller, selbst nicht mehr jung, verbringt die Sommertage im Kreise seiner noch jungen Familie, schreibt, trinkt und denkt über das Leben nach. Dies und jenes könne er noch tun, sinniert er, etwas für die Benachteiligten, Inhaftierten, Obdachlosen, Geisteskranken, Alten, Einsamen, für die Heimat, für Europa, für die große Welt. Er könne, faßt der Schriftsteller schließlich in ironischer Konsequenz zusammen, "ausreiten von der Burg und die Windmühlen niedermetzeln".
Der Schriftsteller, der an der Schwelle zur Jahrtausendwende kein zeitgenössischer Don Quichotte sein will, heißt György Konrad. Konrad ist nicht nur ein seit langem auch international renommierter ungarischer Autor. Er ist auch bekannt für sein vielfältiges öffentliches Engagement - darunter als Vorsitzender des internationalen PEN oder als Präsident der Berliner Akademie der Künste.
Konrad, 1933 als Kind jüdischer Eltern geboren, entkam der Ermordung in Auschwitz durch eine Verkettung von dem, was man glückliche Umstände nennt. Dem kommunistischen Regime, das dem Faschismus in Ungarn auf dem Fuß folgte, begegnet er mit tiefer Abneigung - von Beginn an bis zu dessen Auflösung 1989.
Der Roman "Sonnenfinsternis auf dem Berg", der jetzt in deutscher Übersetzung bei Suhrkamp vorliegt, knüpft in mancher Hinsicht an Konrads vor zwei Jahren auf deutsch erschienenen, autobiographischen Kindheitsroman "Glück" an, in dem Konrad von der Verfolgung seiner Familie in der Heimatstadt während des zweiten Weltkriegs erzählt.
"Sonnenfinsternis auf dem Berg" ist ein persönlicher Bericht von 1945 bis zur Jahrtausendwende. In dem ihm eigenen lakonischen Grundton erzählt Konrad von den ersten Zusammenkünften der Überlebenden seiner Familie bei Kriegsende, von der Hoffnung auf eine neue Zukunft und ihrer Enttäuschung. Der Autor lässt seine eigene Bildungs- und Entwicklungsgeschichte der frühen Nachkriegsjahre Revue passieren, eine Geschichte, geprägt von der Lebenswirklichkeit des Bohemiens, von urbaner Geselligkeit, von mitunter dramatischen erotischen Abenteuern, aber auch durchdrungen von klassischen bürgerlichen Werten, die ihn früh in Konflikt mit den offiziellen Stellen des kommunistischen Ungarn bringen.
Im Ungarn-Aufstand von 1956 präsentiert sich der angehende Schriftsteller und Übersetzer als Revolutionär mit Maschinengewehr. Doch er bedient die Waffe nicht, sondern kehrt schockiert über den Haß und den Sadismus der Aufständischen in sein Haus zurück. Vor allem seine Lebensberichte aus den sechziger und siebziger Jahren verbindet Konrad, der zeitweise als Sozialarbeiter für die Budapester Vormundschaftsbehörde und später als Stadtsoziologe tätig ist, mit detailgenauen Milieustudien aus der ungarischen Nachkriegsgesellschaft.
Diese Berichte münden nicht selten ins Groteske - ebenso wie die Schilderungen der siebziger Jahre, in denen der Schriftsteller dank Arbeitslosigkeit und Veröffentlichungsverbot erst sein innerlich freies Schriftstellerdasein unter den Bedingungen von Untergrundkonspiration und Geheimdienstverfolgung entfalten kann.
1985 entsteht der international Aufsehen erregende Essayband "Antipolitik. Mitteleuropäische Meditationen", ein Manifest für die Wendezeit und zugleich gegen jene nationalistische Engstirnigkeit des Nachwende-Europa, die der Autor später immer wieder öffentlich beklagt hat. Am Ende erleben wir György Konrad als scheidenden Akademie-Präsidenten in Berlin und dann wieder - wie zu Beginn des Romans - im Garten jenes Sommerhauses am Plattensee, wo der politisch engagierte Autor die Grenzen des Engagements erwägt und sich auf die vielfach gestellte Frage nach der eigenen Heimat die Antwort gibt: Heimat ist dort, wo ich nicht totgeschlagen werde.
György Konrad: Sonnenfinsternis auf dem Berg
Autobiographischer Roman
Aus dem Ungarischen von Hans-Henning Paetzke
Suhrkamp Verlag 2005
380 S., 24,80 Euro
Konrad, 1933 als Kind jüdischer Eltern geboren, entkam der Ermordung in Auschwitz durch eine Verkettung von dem, was man glückliche Umstände nennt. Dem kommunistischen Regime, das dem Faschismus in Ungarn auf dem Fuß folgte, begegnet er mit tiefer Abneigung - von Beginn an bis zu dessen Auflösung 1989.
Der Roman "Sonnenfinsternis auf dem Berg", der jetzt in deutscher Übersetzung bei Suhrkamp vorliegt, knüpft in mancher Hinsicht an Konrads vor zwei Jahren auf deutsch erschienenen, autobiographischen Kindheitsroman "Glück" an, in dem Konrad von der Verfolgung seiner Familie in der Heimatstadt während des zweiten Weltkriegs erzählt.
"Sonnenfinsternis auf dem Berg" ist ein persönlicher Bericht von 1945 bis zur Jahrtausendwende. In dem ihm eigenen lakonischen Grundton erzählt Konrad von den ersten Zusammenkünften der Überlebenden seiner Familie bei Kriegsende, von der Hoffnung auf eine neue Zukunft und ihrer Enttäuschung. Der Autor lässt seine eigene Bildungs- und Entwicklungsgeschichte der frühen Nachkriegsjahre Revue passieren, eine Geschichte, geprägt von der Lebenswirklichkeit des Bohemiens, von urbaner Geselligkeit, von mitunter dramatischen erotischen Abenteuern, aber auch durchdrungen von klassischen bürgerlichen Werten, die ihn früh in Konflikt mit den offiziellen Stellen des kommunistischen Ungarn bringen.
Im Ungarn-Aufstand von 1956 präsentiert sich der angehende Schriftsteller und Übersetzer als Revolutionär mit Maschinengewehr. Doch er bedient die Waffe nicht, sondern kehrt schockiert über den Haß und den Sadismus der Aufständischen in sein Haus zurück. Vor allem seine Lebensberichte aus den sechziger und siebziger Jahren verbindet Konrad, der zeitweise als Sozialarbeiter für die Budapester Vormundschaftsbehörde und später als Stadtsoziologe tätig ist, mit detailgenauen Milieustudien aus der ungarischen Nachkriegsgesellschaft.
Diese Berichte münden nicht selten ins Groteske - ebenso wie die Schilderungen der siebziger Jahre, in denen der Schriftsteller dank Arbeitslosigkeit und Veröffentlichungsverbot erst sein innerlich freies Schriftstellerdasein unter den Bedingungen von Untergrundkonspiration und Geheimdienstverfolgung entfalten kann.
1985 entsteht der international Aufsehen erregende Essayband "Antipolitik. Mitteleuropäische Meditationen", ein Manifest für die Wendezeit und zugleich gegen jene nationalistische Engstirnigkeit des Nachwende-Europa, die der Autor später immer wieder öffentlich beklagt hat. Am Ende erleben wir György Konrad als scheidenden Akademie-Präsidenten in Berlin und dann wieder - wie zu Beginn des Romans - im Garten jenes Sommerhauses am Plattensee, wo der politisch engagierte Autor die Grenzen des Engagements erwägt und sich auf die vielfach gestellte Frage nach der eigenen Heimat die Antwort gibt: Heimat ist dort, wo ich nicht totgeschlagen werde.
György Konrad: Sonnenfinsternis auf dem Berg
Autobiographischer Roman
Aus dem Ungarischen von Hans-Henning Paetzke
Suhrkamp Verlag 2005
380 S., 24,80 Euro