Gute Unternehmensführung muss von oben gesteuert werden

Von Klemens Kindermann |
Eigentlich ist es in der nüchtern-kalten Welt des Top-Managements undenkbar, dass ein Vorstandschef die Führungsqualität im eigenen Konzern kritisiert. Doch genau dies hat der neue ThyssenKrupp-Chef getan.
Das war heute ein Paukenschlag in der deutschen Unternehmensgeschichte. Dass sich ein Vorstandschef bei der Bilanzvorlage hinstellt, die Führungsqualität im eigenen Konzern kritisiert, Missmanagement, Seilschaften und blinde Loyalität anprangert, das kommt vielleicht im Film vor. In der nüchtern-kalten Welt des Top-Managements: undenkbar. Und doch hat Heinrich Hiesinger, der neue Chef von ThyssenKrupp, genau dies heute getan. Dafür ist ihm Anerkennung zu zollen.

Denn ein solcher Auftritt, garniert mit dem Rauswurf des halben Konzernvorstands, könnte die Unternehmen in Deutschland und darüber hinaus wachrütteln. Noch immer werden Initiativen für gute Unternehmensführung, Compliance genannt, belächelt oder als Feigenblatt vor dem eigentlichen Geschäftemachen angesehen.

Doch gerade der Fall ThyssenKrupp zeigt: Eine schlechte Führungskultur kann zu unternehmerischen Fehlentscheidungen, kann zu Freiräumen für Korruption und Preisabsprachen führen. Und das wiederum kann dann sehr teuer für ein Unternehmen werden. Die roten Zahlen, die ThyssenKrupp heute vorlegte, waren schwindelerregend.

Schlechte Unternehmensführung, sie kostet richtig Geld. Wirkt sich aus auf Bilanzen, Dividenden, Löhne und Arbeitsplätze. Sie ist nicht irrelevant. Heute wurde bekannt, dass die britische Großbank HSBC wegen eines Geldwäsche-Skandals in den USA eine Rekordstrafe von knapp zwei Milliarden Dollar zahlt. Das, was der Chef dieser global agierenden Bank dazu sagte, hörte sich an wie Hiesinger im Ruhrgebiet: Von Fehlern der Vergangenheit war da die Rede, von Verantwortung und vor allem von Systemen, die solche Fehlentwicklungen innerhalb des Unternehmens verhindern sollen.

Diese Systeme, sie sollten nicht irgendwo im Unterbau der Firmen als nettes Zugeständnis an die herrschende Moral ihr Dasein fristen. Nein, Compliance muss - wie es gerade der mit alten Korruptionsfällen konfrontierte neue Bilfinger-Vorstandschef Roland Koch im Interview der Woche des Deutschlandfunks gefordert hat – "selbstverständliche Aufgabe eines Konzernchefs" sein.

Das heißt: Gute Unternehmensführung muss von ganz oben gesteuert und vor allem durchgesetzt werden. Nur so können Schmiergeldskandale, Kartellabsprachen und Managementfehler vermieden werden. Ex-Siemens-Manager Hiesinger hat heute nicht nur ThyssenKrupp eine Lektion erteilt, sondern allen deutschen Unternehmen.