Gute Chancen, dass die Telekom wettbewerbsfähiger wird

Von Michael Braun |
Es gibt offenbar doch eine Streitkultur, die zu konstruktiven Ergebnissen führt. Die harten Forderungen der Arbeitgeberseite nach mehr Arbeit für weniger Geld wurden ebenso hart mit einem mehrwöchigen Streik der Gewerkschaft ver.di beantwortet. Und dennoch hatte man in den Wochen des Streiks nie den Eindruck, der Gesprächsfaden sei gerissen.
Sicher, es hat üble Beschimpfungen für den Telekom-Vorstandsvorsitzenden René Obermann gegeben, so üble, dass die Polizei ihm nach Diskussionen gelegentlich riet, den Saal durch einen Hinterausgang zu verlassen, weil sie anders für seine Unversehrtheit nicht garantieren könne.

Doch gab es auch Gerüchte, die Gewerkschaft zweifle am Geschick ihres Verhandlungsführers, der den Bogen zu überspannen drohte.

Denn die Sache war allen Beteiligten klar: Die Telekom ist nicht mehr allein auf dem Markt. Der Markt, in dem der ehemalige Monopolist sich bewegt, wurde ja liberalisiert, um Wettbewerb zu ermöglichen, um Kosten zu senken und die Angebotsvielfalt zu erhöhen. Es gibt ja kaum noch Menschen, die sich daran erinnern, dass die Bundespost ihren Kunden allenfalls einen schwarzen oder einen weißen Telefonapparat mit Wählscheibe zur Auswahl anbot.

Da hat sich viel getan, auch bei den Preisen. Hinzu kommt ein Technologiewechsel, weg von den alten analogen Geräten hin zu den schnellen digitalen DSL-Netzen. Dass da die Telekom alte Kunden in Massen verliert, kann nicht verwundern. Verwundern kann nur, wenn sie in den neuen Märkten nicht an führender Stelle präsent ist.

Das kann sie nur, wenn ihre Produkte und ihre Kosten wettbewerbsfähig sind. Die Personalkosten spielen dabei eine wichtige Rolle. Die Gewerkschaft ver.di hat das auch anerkannt, als sie bei Mitbewerbern der Telekom Tarifverträge unterschrieb, nach der sich die Telekom die Finger lecken würde.

Freilich sind die Personalkosten nicht alles: Die Telekom braucht auch ein Management, das sich dem Markt stellt, Ideen für attraktive Telefontarife entwickelt. Das hat lange gefehlt. Und wenn ein Unternehmen seinen Beschäftigten nicht die notwendige Software an die Hand gibt, die man in einem modernen Callcenter braucht, dann ist das auch ein Managementproblem.

Der heute Nacht nach sieben Verhandlungstagen gefundene Kompromiss spiegelt die Notwenigkeit, dass beide Seiten Zugeständnisse machen mussten: Die Arbeitzeit wird länger, die Löhne sinken, es gibt einen Ausgleich für befristete Zeit. Das wird auf die Telekom-Gewinne drücken. Aber das macht nichts, wenn der Ausgleich zwischen Kapital und Arbeit nur dazu führt, dass die Telekom wettbewerbsfähiger wird. Dafür gibt es gute Chancen.