Gute Arbeit für alle?
Die Verantwortlichen begründen den Einsatz von Leiharbeitern in kirchlichen Betrieben mit dem Kostendruck. Die Beschäftigten hingegen sehen sich benachteiligt und sprechen von Missbrauch. Mitarbeiter der Bremer Stiftung "Friedehorst" haben nun eine Petition an den Bundestag gerichtet.
Elsen: "Die Arbeit ist dieselbe. Man weiß, dass man weniger verdient. Aber was soll man machen, von Arbeitslosengeld kann man auch nicht leben. Da bleibt einem heutzutage gar nichts anderes übrig, bei einer Leihfirma anzufangen – außer man will bei Hartz IV landen. Ist so."
Astrid Elsen, 32 Jahre alt, ledig, gelernte Altenpflegehelferin. Im November 2005 trat sie in Friedehorst ihre Arbeit an.
Elsen: "Ich hatte aber auch kein Vorstellungsgespräch. Ich hatte meine alten Kollegen besucht, bin zur Pflegedienstleitung, hab gesagt, ich will einen Job und denn habe ich zwei Wochen später angefangen, dort zu arbeiten. Dass es über Leihfirma geht, wusste ich, weil Friedehorst selber stellt ja nicht mehr ein, ich wusste es schon. Ja."
Astrid Elsen ist eine von 1400 Beschäftigten in der Stiftung Friedehorst, einer Einrichtung des Diakonischen Werkes Bremen, die in der Behinderten- und Altenpflege sowie in der Berufsförderung tätig ist und ein neurologisches Reha-Zentrum betreibt. 350 Mitarbeiter sind Leiharbeiter, schätzt Bernd Rautenberg, der Vorsitzende der Mitarbeitervertretung. Für die gleiche Arbeit erhielten sie bis zu 30 Prozent weniger Lohn. Der Einstellung einer Pflegehelferin im Behindertenbereich widersprach die Mitarbeitervertretung. Ein Präzedenzfall, der vor Gericht landete, vor dem Kirchengericht.
Rautenberg: "In der ersten Instanz wurde das zunächst von dem Bremer Kirchengericht anders gesehen. Die haben gesagt, wir hätten keine ausreichenden Gründe, um dieser Einstellung zu widersprechen. Daraufhin sind wir vor das oberste Kirchengericht in Hannover gezogen und die hat das Urteil kassiert, weil dies dem Sinn der Dienstgemeinschaft widersprechen würde."
Allein um kurzfristigen Beschäftigungsbedarf zu überbrücken, dürften Leiharbeiter eingestellt werden – so das Gericht. Die auf Dauer angelegte Tätigkeit von Leiharbeitern unterband der Kirchengerichtshof mit dem Verweis auf den kirchlichen Grundsatz, wonach in der Diakonie jeder mit den gleichen Rechten und Pflichten am gemeinsamen Werk beteiligt sei. Doch den Richterspruch habe die Geschäftsleitung schlichtweg ignoriert, beklagt Bernd Rautenberg:
"In der Folgezeit hat die Leitung in Friedehorst ihre Taktik geändert. Sie haben Tochtergesellschaften gegründet, die nicht mehr Leiharbeitsfirmen heißen, sondern Service-Agenten, über die stellen sie jetzt Mitarbeiter ein zu den gleichen Bedingungen wie bei den Leiharbeitsfirma und ordnen sie dann den Stammbetrieben zu. Im Grunde genommen hat sich in der Praxis nichts geändert, aber es heißt jetzt nicht mehr Leiharbeitsfirma."
Die Geschäftsleitung in Friedehorst gründete eine neue Tochtergesellschaft, "Diakonischer Dienst Friedehorst" heißt sie, ist Mitglied im Diakonischen Werk Bremen, wie Michael Schmidt, Landesdiakoniepfarrer und Geschäftsführer des Diakonischen Werkes in Bremen, bestätigt:
"Man muss sagen, dass es andere Wege gibt, die auch deutschlandweit bestritten werden. Da wird man nicht mehr mit Leiharbeitern arbeiten, sondern ganze Unternehmensteile ausgliedern, auch das ist in der bundesdeutschen Diakonie auch bei der Caritas nicht unüblich, ein Weg, den ich mit Sorge betrachte, den man aber auch in Bremen inzwischen erkannt und der mit dem Kirchengerichtshofsurteil aus Hannover in Einklang steht, aber nicht im Sinne der Diakonie sein kann."
Haben ursprünglich Leiharbeiter einzelne Teams ergänzt, werden stattdessen heute komplette Betriebsteile ausgelagert. Das Einspruchsrecht der Arbeitnehmervertretung bei Einstellung einzelner Mitarbeiter, das der Kirchengerichtshof bekräftigt hat, wird so umgangen. Formaljuristisch fehlen den Kirchengerichten ohnehin die Sanktionsmöglichkeiten - im Gegensatz zu weltlichen Gerichten. Die Mitarbeitervertretung in Friedehorst wandte sich mit einer Petition an den Deutschen Bundestag.
Rautenberg: "In der wir fordern, dass der Paragrafen, aus dem dir Kirchen ihren Sonderweg im Arbeitsrecht ableiten, dass der so ergänzt wird, dass nur noch Einrichtungen, die den sogenannten dritten Weg, also den kirchlichen Sonderweg, strikt einhalten, dass nur die diesen Weg benutzen dürfen. Wir wollen außerdem Zugang zu den Arbeitsgerichten haben, um überprüfen zu können, ob kirchliche Einrichtungen diesen dritten Weg einhalten."
Artikel 140 des Grundgesetzes garantiert das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen – auch in arbeitsrechtlichen Belangen. Tarife werden in paritätisch besetzten arbeitsrechtlichen Kommissionen ausgehandelt. Auf Streiks und Aussperrungen wird verzichtet. Notfalls kann ein Kirchengericht angerufen werden. Ebenso in strittigen Mitbestimmungsfragen, wie dies in Friedehorst der Fall war. Das kirchliche Arbeitsrecht firmiert unter dem Begriff des dritten Weges – im Gegensatz zum zweiten Weg, den Gewerkschaften und Arbeitgeber gehen, und dem ersten, wo Löhne und Gehälter staatlicherseits festgelegt werden.
Schmidt: "Auf der einen Seite wird von uns eine immer größere Qualität erwartet und gefordert, auf der anderen Seite werden uns immer niedrigere Entgelte, Zuschüsse angeboten. Das heißt, wir müssen mit weniger Personalkosten eine bessere Arbeit leisten. Das ist unter den Bedingungen nicht ganz einfach, wenn man weiß, dass zwischen 70 und 75 Prozent der Kosten in der sozialen Arbeit Personalkosten sind. Das heißt, diesen Druck, den wir von der öffentlichen Hand bekommen über Pflegekassen, Sozialministerium, wie auch immer, müssen wir irgendwie auffangen und ausgleichen. Das geht nicht immer, ohne mit den Mitarbeitern in Gespräch zu kommen.""
Die Atmosphäre in Friedehorst zwischen Geschäftsleitung und Mitarbeitervertretung ist seit langer Zeit vergiftet. Die eine Seite verweist auf das Urteil des Kirchengerichtshofs. Die andere Seite, die Geschäftsleitung, sieht sich den wirtschaftlichen Zwängen ausgesetzt, hält sich aber zugute, die Leiharbeiter in der diakonischen Einrichtung deutlich besser zu bezahlen, als dies vergleichsweise üblich sei.
Elsen: "Ich habe über Leihfirma ganz anderen Stundenlohn gehabt wie die Festangestellten. 20 Stundenvertrag, 9,14 Euro war der Stundenlohn brutto."
Die Altenpflegerin Astrid Elsen hat drei Jahre in Friedehorst gearbeitet. Sie ging im Streit. Überstunden und Zuschläge für Sonn- und Feiertagsarbeit sind ihr nicht ausgezahlt worden.
"Ich war die einzige auf Station von der Leiharbeitsfirma. … Dann kam noch eine Kollegin aus der Leiharbeiterfirma. Danach ging es los. Ich war mit die erste auf der Station."
Astrid Elsen, 32 Jahre alt, ledig, gelernte Altenpflegehelferin. Im November 2005 trat sie in Friedehorst ihre Arbeit an.
Elsen: "Ich hatte aber auch kein Vorstellungsgespräch. Ich hatte meine alten Kollegen besucht, bin zur Pflegedienstleitung, hab gesagt, ich will einen Job und denn habe ich zwei Wochen später angefangen, dort zu arbeiten. Dass es über Leihfirma geht, wusste ich, weil Friedehorst selber stellt ja nicht mehr ein, ich wusste es schon. Ja."
Astrid Elsen ist eine von 1400 Beschäftigten in der Stiftung Friedehorst, einer Einrichtung des Diakonischen Werkes Bremen, die in der Behinderten- und Altenpflege sowie in der Berufsförderung tätig ist und ein neurologisches Reha-Zentrum betreibt. 350 Mitarbeiter sind Leiharbeiter, schätzt Bernd Rautenberg, der Vorsitzende der Mitarbeitervertretung. Für die gleiche Arbeit erhielten sie bis zu 30 Prozent weniger Lohn. Der Einstellung einer Pflegehelferin im Behindertenbereich widersprach die Mitarbeitervertretung. Ein Präzedenzfall, der vor Gericht landete, vor dem Kirchengericht.
Rautenberg: "In der ersten Instanz wurde das zunächst von dem Bremer Kirchengericht anders gesehen. Die haben gesagt, wir hätten keine ausreichenden Gründe, um dieser Einstellung zu widersprechen. Daraufhin sind wir vor das oberste Kirchengericht in Hannover gezogen und die hat das Urteil kassiert, weil dies dem Sinn der Dienstgemeinschaft widersprechen würde."
Allein um kurzfristigen Beschäftigungsbedarf zu überbrücken, dürften Leiharbeiter eingestellt werden – so das Gericht. Die auf Dauer angelegte Tätigkeit von Leiharbeitern unterband der Kirchengerichtshof mit dem Verweis auf den kirchlichen Grundsatz, wonach in der Diakonie jeder mit den gleichen Rechten und Pflichten am gemeinsamen Werk beteiligt sei. Doch den Richterspruch habe die Geschäftsleitung schlichtweg ignoriert, beklagt Bernd Rautenberg:
"In der Folgezeit hat die Leitung in Friedehorst ihre Taktik geändert. Sie haben Tochtergesellschaften gegründet, die nicht mehr Leiharbeitsfirmen heißen, sondern Service-Agenten, über die stellen sie jetzt Mitarbeiter ein zu den gleichen Bedingungen wie bei den Leiharbeitsfirma und ordnen sie dann den Stammbetrieben zu. Im Grunde genommen hat sich in der Praxis nichts geändert, aber es heißt jetzt nicht mehr Leiharbeitsfirma."
Die Geschäftsleitung in Friedehorst gründete eine neue Tochtergesellschaft, "Diakonischer Dienst Friedehorst" heißt sie, ist Mitglied im Diakonischen Werk Bremen, wie Michael Schmidt, Landesdiakoniepfarrer und Geschäftsführer des Diakonischen Werkes in Bremen, bestätigt:
"Man muss sagen, dass es andere Wege gibt, die auch deutschlandweit bestritten werden. Da wird man nicht mehr mit Leiharbeitern arbeiten, sondern ganze Unternehmensteile ausgliedern, auch das ist in der bundesdeutschen Diakonie auch bei der Caritas nicht unüblich, ein Weg, den ich mit Sorge betrachte, den man aber auch in Bremen inzwischen erkannt und der mit dem Kirchengerichtshofsurteil aus Hannover in Einklang steht, aber nicht im Sinne der Diakonie sein kann."
Haben ursprünglich Leiharbeiter einzelne Teams ergänzt, werden stattdessen heute komplette Betriebsteile ausgelagert. Das Einspruchsrecht der Arbeitnehmervertretung bei Einstellung einzelner Mitarbeiter, das der Kirchengerichtshof bekräftigt hat, wird so umgangen. Formaljuristisch fehlen den Kirchengerichten ohnehin die Sanktionsmöglichkeiten - im Gegensatz zu weltlichen Gerichten. Die Mitarbeitervertretung in Friedehorst wandte sich mit einer Petition an den Deutschen Bundestag.
Rautenberg: "In der wir fordern, dass der Paragrafen, aus dem dir Kirchen ihren Sonderweg im Arbeitsrecht ableiten, dass der so ergänzt wird, dass nur noch Einrichtungen, die den sogenannten dritten Weg, also den kirchlichen Sonderweg, strikt einhalten, dass nur die diesen Weg benutzen dürfen. Wir wollen außerdem Zugang zu den Arbeitsgerichten haben, um überprüfen zu können, ob kirchliche Einrichtungen diesen dritten Weg einhalten."
Artikel 140 des Grundgesetzes garantiert das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen – auch in arbeitsrechtlichen Belangen. Tarife werden in paritätisch besetzten arbeitsrechtlichen Kommissionen ausgehandelt. Auf Streiks und Aussperrungen wird verzichtet. Notfalls kann ein Kirchengericht angerufen werden. Ebenso in strittigen Mitbestimmungsfragen, wie dies in Friedehorst der Fall war. Das kirchliche Arbeitsrecht firmiert unter dem Begriff des dritten Weges – im Gegensatz zum zweiten Weg, den Gewerkschaften und Arbeitgeber gehen, und dem ersten, wo Löhne und Gehälter staatlicherseits festgelegt werden.
Schmidt: "Auf der einen Seite wird von uns eine immer größere Qualität erwartet und gefordert, auf der anderen Seite werden uns immer niedrigere Entgelte, Zuschüsse angeboten. Das heißt, wir müssen mit weniger Personalkosten eine bessere Arbeit leisten. Das ist unter den Bedingungen nicht ganz einfach, wenn man weiß, dass zwischen 70 und 75 Prozent der Kosten in der sozialen Arbeit Personalkosten sind. Das heißt, diesen Druck, den wir von der öffentlichen Hand bekommen über Pflegekassen, Sozialministerium, wie auch immer, müssen wir irgendwie auffangen und ausgleichen. Das geht nicht immer, ohne mit den Mitarbeitern in Gespräch zu kommen.""
Die Atmosphäre in Friedehorst zwischen Geschäftsleitung und Mitarbeitervertretung ist seit langer Zeit vergiftet. Die eine Seite verweist auf das Urteil des Kirchengerichtshofs. Die andere Seite, die Geschäftsleitung, sieht sich den wirtschaftlichen Zwängen ausgesetzt, hält sich aber zugute, die Leiharbeiter in der diakonischen Einrichtung deutlich besser zu bezahlen, als dies vergleichsweise üblich sei.
Elsen: "Ich habe über Leihfirma ganz anderen Stundenlohn gehabt wie die Festangestellten. 20 Stundenvertrag, 9,14 Euro war der Stundenlohn brutto."
Die Altenpflegerin Astrid Elsen hat drei Jahre in Friedehorst gearbeitet. Sie ging im Streit. Überstunden und Zuschläge für Sonn- und Feiertagsarbeit sind ihr nicht ausgezahlt worden.
"Ich war die einzige auf Station von der Leiharbeitsfirma. … Dann kam noch eine Kollegin aus der Leiharbeiterfirma. Danach ging es los. Ich war mit die erste auf der Station."